Franziskus wählt seine Kardinäle
5. Oktober 2019Papst Franziskus hat 13 Geistliche neu in den Kreis der Kardinäle aufgenommen. Zehn davon haben das 80. Lebensjahr noch nicht erreicht. Damit wären sie im Falle eines Konklaves zur Teilnahme an der Papstwahl berechtigt. Mit dem jetzigen Konsistorium, wie die Feier der Kardinalserhebung in der Kirchensprache heißt, hat Franziskus erstmals mehr als die Hälfte der möglichen Papstwähler bestimmt. Und viele sind Franziskus-Kardinäle.
Aber was genau ist ein Franziskus-Kardinal? "Papst Franziskus hat Kardinäle ernannt, die seiner Vorstellung vom Dienst in der Kirche entsprechen, die sich an die Armen, die Migranten, die Flüchtlinge richtet, die für jene spricht, die keine Stimme haben", sagt der Kirchenhistoriker Massimo Faggioli der Deutschen Welle. Die Wahl des Papstes gelte Kirchenmännern, "die in diesem Sinne bewusst aus persönlicher Entscheidung handeln, auch wenn sie aus reichen Ländern kommen. Oder er entschied sich für Kardinäle aus armen Ländern, aus der Peripherie. Aber Franziskus ist nicht wirklich daran interessiert, jemanden zum Kardinal zu machen, nur weil er der Erzbischof einer bestimmten Stadt ist."
Luxemburg und Bologna
Faggioli nennt als Beispiele für neue Kardinäle aus einem reichen Land die Erzbischöfe von Luxemburg, Jean-Claude Hollerich (61), und Bologna, Matteo Maria Zuppi (63). Der rote Kardinalshut geht nach Bologna und nicht nach Venedig oder Mailand, die in früheren Zeiten fast immer im höchsten Kreis der Würdenträger vertreten waren.
Der gebürtige Römer Zuppi, seit 2015 in Bologna, meldet sich seitdem immer wieder für eine humanere Migrationspolitik und für die Minderheit der Roma zu Wort. Er war knapp drei Jahrzehnte als Geistlicher im römischen Stadtteil Trastevere tätig und ist der dortigen Gemeinschaft Sant'Egidio, die sich für Randgruppen und gerade für Flüchtlinge einsetzt, eng verbunden. Die ausgewählten Kardinäle ähnelten, so Faggioli, "dem Stil, den Franziskus als Bischof selbst pflegte."
Künftig ist der Kollegium der Kardinäle so global aufgestellt wie noch nie in der Kirchengeschichte. Insgesamt 68 Länder sind in dem Gremium vertreten. Zum Vergleich: Als 2005 die Wahl eines Nachfolgers für Papst Johannes Paul II. (der auch schon die Kirche zur Weltkirche machte) anstand, kamen Kardinäle aus 52 Ländern zusammen. Acht Jahre später waren nach dem Rücktritt von Papst Benedikt dann 48 Länder vertreten – einfach deshalb, weil der Papst aus Deutschland wieder stärker auf Europäer, vor allem auf Italiener setzte. Franziskus arbeitet seit seinem ersten Konsistorium genau in die andere Richtung. So sind seit Jahren auch fünf Länder dabei, die nie zuvor einen Kardinal stellten - und die allesamt Franziskus bedachte: Haiti, Papua-Neuguinea, die Zentralafrikanische Republik, Kap Verde und Tonga.
Unter den neuen Kardinälen sind unter anderen die Erzbischöfe von Jakarta, Kinshasa und Havanna, auch der Bischof der recht unbekannten Diözese Huehuetenango in Guatemala, Alvaro Ramazzini. Aber der 72-Jährige hat einen Ruf als engagierter Streiter für die Menschenrechte, wendet sich gegen Drogenkriminalität, kritisiert Umweltzerstörung durch Bergbau-Großprojekte – und wurde dabei schon mit dem Tode bedroht. So etwas beeindruckt einen Papst wie Franziskus. Und ein Kriterium zeigt sich bei Franziskus-Kardinälen auch: Immer wieder ernennt er auch Geistliche, die sich im Dialog mit dem Islam bewährt haben.
"Mehr Sprachen, unterschiedliche Biographien"
Kurzzeitig gehören dem Kreis der Kardinäle unter 80 Jahren ab Samstag sogar 128 Geistliche an. Aber gleich vier von ihnen werden zwischen dem 7. und dem 15. Oktober 80 Jahre alt und verlieren damit das Recht zur Papstwahl. Schaut man auf die verbleibenden 124 Geistlichen, zeigt sich: Die absolute Vorherrschaft der Europäer ist gebrochen. Aus dem alten Kontinent kommen noch 53 Kardinäle (43 Prozent). Dafür stellen Mittel- und Südamerika 23, Afrika und Asien jeweils 16, Nordamerika 12, Australien und Ozeanien 4. Ein stärker global geprägtes Kardinalskollegium, meint Faggioli, bringt durchaus auch neue Probleme oder Herausforderungen mit sich: "mehr Sprachen, größere Unterschiede in den Biographien". Die Kardinäle insgesamt kennen einander nicht mehr so gut wie es früher üblich war.
Rund 100 Kardinäle der Weltkirche sind mindestens 80 Jahre alt. In ein Konklave zur Papstwahl dürfen sie damit nicht mehr einziehen. Aber viele von ihnen reden noch mit, gehören auch vatikanischen Gremien an, ziehen gewiss gelegentlich kirchenpolitisch an Fäden. Diese Altersgrenze von 80 Jahren für Konklave-Teilnehmer wurde übrigens erst vor knapp 50 Jahren, 1970, durch Papst Paul VI. eingeführt. Beim ersten Konklave danach im Jahr 1978 gab es lediglich 15 Kardinäle, die 80 Jahre oder älter waren und außen vor blieben. Die Zeiten ändern sich.