Myanmars Demonstranten trotzen der Gewalt
10. Februar 2021Neue Proteste gegen die Militärjunta werden aus Rangun und Mandalay gemeldet, den zwei größten Städten Myanmars. Aber auch in der Hauptstadt Naypyitaw und anderswo versammelten sich wieder tausende Menschen. Insgesamt gingen Hunderttausende auf die Straßen. In der östlichen Stadt Loikaw schlossen sich erstmals Polizisten den Demonstranten an, wie Augenzeugen berichteten. "Wir sind auf der Seite des Volkes", war auf Plakaten zu lesen.
Für große mediale Aufmerksamkeit sorgten auch mehr als einhundert Studentinnen, die sich als "Disney-Prinzessinnen" in Ballkleidern den Protestkundgebungen in Rangun anschlossen. "Wir wollen zeigen, dass auch junge Frauen gegen den Militärputsch sind. Wir dachten, diese Kostüme sind am besten geeignet, um darauf aufmerksam zu machen", sagte eine der Frauen.
In Naypyitaw beteiligten sich neben Ärzten, Lehrern und Bahnarbeitern zahlreiche Regierungsangestellte an der wachsenden Bewegung des "zivilen Ungehorsams". Demonstranten blockierten eine Hauptverkehrsstraße. "Wir können nicht ruhig bleiben," erklärte eine junge Aktivistin. "Wenn schon während unserer friedlichen Proteste Blut vergossen wird, dann wird noch mehr davon fließen, wenn wir ihnen erlauben, das Land zu übernehmen", sagte sie mit Blick auf das gewaltsame Vorgehen der Militärs am Dienstag.
Eine junge Frau erschossen
Die Streitkräfte hatten ihr Vorgehen gegen die Protestierenden massiv verschärft und erstmals Wasserwerfer, Tränengas sowie sogenannte Gummigeschosse eingesetzt. Laut Augenzeugen wurde auch scharfe Munition verwendet. Eine 19-Jährige, die am Kopf schwer verletzt wurde, verstarb nach UN-Angaben kurz darauf. Ein Arzt in Naypyidaw bestätigte ebenfalls den Einsatz scharfer Geschosse. Viele Menschen sollen festgenommen worden sein.
NLD-Hauptquartier verwüstet
Am Dienstagabend stürmten und verwüsteten Soldaten das Hauptquartier der Nationalen Liga für Demokratie (NLD), der Partei der bisherigen De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi. Über ihr Schicksal ist nichts bekannt. Sie soll seit dem Putsch vom 1. Februar in ihrem Haus unter Arrest stehen.
Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Myanmar, Tom Andrews, verurteilte die Gewalt. Via Twitter erklärte er: "Sie können eine junge Frau erschießen, aber sie können nicht die Hoffnung und Entschlossenheit eines Volkes rauben." Die Welt zeige sich solidarisch mit den Demonstranten in Myanmar, schrieb der Menschenrechtsbeauftragte weiter.
Die Menschenrechtsorganisationen Fortify Rights und Human Rights Watch riefen das Militär auf, die Waffengewalt gegen friedliche Proteste sofort zu stoppen und dem Volk das Recht auf Versammlungen zuzugestehen.
Die USA verlangten nochmals Meinungsfreiheit und den Rücktritt der Militärjunta in dem südostasiatischen Land. "Wir wiederholen unseren Aufruf an das Militär, die Macht abzugeben, eine demokratisch gewählte Regierung wiederherzustellen (und) die Inhaftierten freizulassen," sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, zu Reportern.
Neuseeland erhöht den Druck
Neuseeland verhängte eine Reisesperre für die Mitglieder der Militärjunta, wie Regierungschefin Jacinda Ardern mitteilte. "Unsere starke Botschaft ist, dass wir von hier in Neuseeland aus alles tun werden, was wir können", machte Ardern deutlich.
Das einflussreiche Militär in Myanmar rechtfertigt die Machtergreifung vor zehn Tagen mit angeblichem Wahlbetrug bei der Parlamentswahl vom November. Bei der Abstimmung hatte Suu Kyis NLD einen haushohen Sieg errungen.
Die Demonstranten in dem südostasiatischen Land verlangen neben der Freilassung aller Inhaftierten und der Umkehr des Putsches nun auch die Abschaffung der Verfassung von 2008, die unter Aufsicht der Militärs ausgearbeitet worden war. Denn hiernach haben die Streitkräfte ein Vetorecht im Parlament und besetzen mehrere Schlüsselministerien.
se/haz (rtr, afp, ap, dpa)