Festnahmen nach Militärputsch in Myanmar
1. Februar 2021In Myanmar, dem früheren Birma, hat das Militär die Macht übernommen. Nach einem Putsch Montagfrüh kündigte die Armeeführung in ihrem TV-Sender Myawadday an, für ein Jahr die Amtsgeschäfte zu übernehmen. In der Zeit gelte der Ausnahmezustand. In einem ersten Schritt setzten die Militärs 24 Minister und Stellvertreter aus dem entmachteten Kabinett der De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi ab und besetzten elf Schlüsselressorts neu, wie der Sender weiter berichtete. Auf der Internetseite der Militärs hieß es, der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Min Aung Hlaing, bekenne sich zu einem "demokratischen Mehrparteiensystem". Ein Zeitpunkt für demokratische Neuwahlen in dem südostasiatischen Land wurde allerdings nicht genannt.
Suu Kyi ruft zum Widerstand auf
Vertreter der entmachteten Regierungspartei Nationale Liga für Demokratie (NLD) riefen die Bevölkerung zum Widerstand auf. Der Staatsstreich könne keinesfalls akzeptiert werden. Zuvor war bestätigt worden, dass Suu Kyi, Präsident Win Myint sowie weitere ranghohe Mitglieder der NLD festgesetzt worden waren.
In einer Stellungnahme der Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi heißt es: "Die Maßnahmen der Militärs sind Maßnahmen, um das Land zurück in die Diktatur zu führen." Die 75-Jährige bat eindringlich darum, dies nicht zu akzeptieren und "mit ganzem Herzen gegen den Putsch der Militärs zu protestieren".
Das Rathaus in der früheren Hauptstadt Rangun ist laut Augenzeugen von Soldaten besetzt. Internet und Telefonleitungen in die Hauptstadt Naypyidaw sollen lahmgelegt sein. Zudem gibt es Berichte, nach denen die Militärs in Myanmar sämtliche Passagierflüge im Land annulliert haben.
Ausland verurteilt den Staatsstreich scharf
Deutschland, die EU, die UN, die USA sowie Menschenrechtsorganisationen verurteilten den Staatsstreich scharf und forderten die sofortige Freilassung der Festgenommenen.
Bundesaußenminister Heiko Maas erklärte, mit den militärischen Handlungen würden die bisher erreichten Fortschritte auf dem Weg zu einem demokratischen Wandel in Myanmar aufs Spiel gesetzt.
Auch UN-Generalsekretär António Guterres nannte den Putsch einen schweren Rückschlag für den demokratischen Reformprozess. Laut Diplomaten will sich am Dienstag der Weltsicherheitsrat mit dem Staatsstreich in Myanmar befassen.
Der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte in Myanmar, Tom Andrews, sprach von "sehr verstörenden und empörenden Nachrichten". EU-Ratspräsident Charles Michel forderte, das Ergebnis der Wahlen vom 8. November müsse respektiert und der demokratische Prozess wieder hergestellt werden.
Das Militär müsse zur Kenntnis nehmen, dass es für seine Handlungen zur Rechenschaft gezogen werde, darunter für Misshandlungen in Gewahrsam und exzessive Gewaltanwendung, sagte der Vize-Asienchef von Human Rights Watch, Phil Robertson. Ähnlich äußerte sich die Aktivistengruppe Justice for Myanmar.
Bereits seit Tagen hatte es Gerüchte über einen bevorstehenden Putsch gegeben. Das Militär hat das Ergebnis der Parlamentswahl nicht akzeptieren wollen, aus der die NLD als eindeutiger Sieger hervorgegangen war. Unterlegene Konkurrenten, darunter auch die militärtreue USDP, sprachen von Wahlbetrug, ohne Belege dafür zu liefern. An diesem Montag oder am Dienstag hätte das neue Parlament zur konstituierenden Sitzung zusammenkommen sollen.
Militärs hatten immer ein Mitspracherecht
50 Jahre lang war Myanmar von wechselnden Militärs regiert worden. Auch nach der politischen Öffnung ab 2011 behielten die Streitkräfte eine dominierende Stellung in dem mehrheitlich buddhistischen Land. Die Verfassung von 2008, die auf Geheiß der damaligen Junta ausgearbeitet worden war, garantierte den Militärs unabhängig von Wahlen ein Viertel der Parlamentssitze. Damit hatten diese ein Vetorecht bei allen wesentlichen Entscheidungen. Zudem kontrollierten die Streitkräfte die drei Schlüsselministerien Inneres, Verteidigung und Grenzschutz.
se/wa (rtr, epd, ap, dpa, afp, kna)