Auf der Spur des Leoparden
15. April 2014Ob Grenzsicherungsanlagen, Patrouillenboote oder Panzer - das Interesse an deutschen Rüstungsgütern ist in Saudi-Arabien groß. Wegen der Menschenrechtslage im Land sind Waffenexporte dorthin hierzulande allerdings umstritten. Medienberichten zufolge will Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel nun verhindern, dass in Spanien mit deutscher Lizenz produzierte Leopard-2-Panzer an Saudi-Arabien geliefert werden.
Das Bundeswirtschaftsministerium wollte dazu keine nähere Auskunft geben. Ein Sprecher erklärte auf Anfrage der DW dazu, die Bundesregierung gebe "grundsätzlich keine Auskünfte zu einzelnen Verfahrensstufen möglicher Ausfuhrgenehmigungen von Rüstungsgütern sowie über Angelegenheiten, die mit dem Bundessicherheitsrat zusammenhängen". Wohin und in welchem Umfang Waffen geliefert werden, ist also in einigen Fällen streng geheim.
Auch gegenüber Bundestagsabgeordneten verweist die Regierung bei derartigen Anfragen auf die erforderliche Geheimhaltung. Dies sei "Auskunftsverweigerung", findet der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christan Ströbele. Gemeinsam mit der ehemaligen Grünen-Parteichefin Claudia Roth und der grünen Europapolitikerin Katja Keul hat er daher bereits vor zwei Jahren Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Über diese verhandelt das Gericht am Dienstag (15.04.2014).
Die Opposition fragt - die Regierung weicht aus
Grundsätzlich geht es um die Frage, ob und inwieweit das Parlament ein Recht auf mehr Information bei Rüstungsexporten hat. Anlass war das Verhalten der Bundesregierung auf Anfragen der Opposition: Im Juli 2011 hatten Medien berichtet, Deutschland wolle Saudi-Arabien mehr als 200 Panzer vom Typ Leopard liefern. Die Berichte hatten damals für besondere Empörung gesorgt, weil sich Saudi-Arabien mit Panzern an der gewaltsamen Niederschlagung von Protesten in Bahrain beteiligt hatte.
Die Kläger hatten in der Folge mehrfach konkrete Fragen an die Bundesregierung gestellt. Diese verweigerte die Antwort, ob die Regierung tatsächlich ein derartiges Rüstungsgeschäft plane und verwies auf den "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" und das Geschäftsgeheimnis der deutschen Rüstungsindustrie. Die Grünen-Abgeordneten fühlen sich daher unzureichend informiert und sehen ihr Recht als Abgeordnete verletzt, die Regierung zu kontrollieren.
Entscheidung im kleinen Gremium
Aus Deutschland dürfen bestimmte Waffen nur mit Genehmigung der Regierung exportiert werden. Wenn Kriegswaffen in Länder exportiert werden sollen, die nicht der EU oder der NATO angehören, entscheidet der Bundessicherheitsrat. Zu diesem Ausschuss gehören die Kanzlerin, der Vizekanzler, der Kanzleramtschef sowie die Außen-, Verteidigungs-, Innen-, Justiz-, Finanz- und Entwicklungsminister. Die Sitzungen des Sicherheitsrats sind geheim. Einmal jährlich wird bislang ein allgemein gehaltener Rüstungsexportbericht über das vergangene Jahr vorgelegt.
Das Parlament hat keinen direkten Einfluss auf das Prüfverfahren im Bundessicherheitsrat. Die Regierung betont jedoch, dass jeder Antrag unter sorgfältiger Abwägung der außen-, sicherheits- und menschenrechtspolitischen Argumente geprüft werde.
Künftig wird alles anders - oder?
Und bald soll die Arbeit etwas transparenter werden, scheint es: Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD geeinigt, dass der Rüstungsexportbericht künftig vor der parlamentarischen Sommerpause veröffentlicht wird. Zudem soll es einen Zwischenbericht im laufenden Jahr sowie eine schnelle Unterrichtung über Entscheidungen des Bundessicherheitsrates geben.
In einem Eckpunktepapier hat die Regierungskoalition in der vergangenen Woche entsprechende Details geregelt: Unter anderem soll der Bundestag spätestens zwei Wochen nach der abschließenden Genehmigung heikler Rüstungsexporte darüber informiert werden, was in welcher Menge in welches Land ausgeführt wird.
Der stellvertretende Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen der Regierungskoalition, Hubertus Heil (SPD) und Michael Fuchs (CDU/CSU) versprechen sich davon unisono deutlich "mehr Transparenz". Die Opposition kritisiert den Beschluss als Augenwischerei.
Der Zeitpunkt macht den Unterschied
Das Konstrukt der Regierung greife zu kurz, glaubt auch Jan Grebe vom Internationalen Konversionszentrum Bonn (BICC): "Das Parlament hat keine Gelegenheit auf etwaige Entscheidungen auch einzuwirken. Es hat lediglich die Chance, dann seine Kritik an einem Exportgeschäft zu äußern und unter Umständen in Vorwirkung auf zukünftige Exportgeschäfte eine Wirkung zu entfalten." Eine tatsächlich getroffene Exportentscheidung könne es aber nicht mehr ändern, so Grebe. "Das Parlament hat dadurch eine verminderte Kontrollfunktion."
Damit Öffentlichkeit und Parlament eine wirkliche Diskussion über die deutsche Rüstungsexportpolitik führen könnten, müsste die Bundesregierung nach Ansicht von Grebe nicht nur zeitnah über die technischen Zahlen von Rüstungsexporten informieren, sondern auch politisch begründen, warum ein Export überhaupt in Erwägung gezogen werde.
Der Grünen-Politiker Hans-Christan Ströbele vermutet auch taktische Gründe hinter dem Eckpunktepapier: "Das ist ein bisschen die Flucht nach vorne der Bundesregierung. Da wollen sie uns ein wenig den Wind aus den Segeln nehmen." Für die jetzt behandelte Klage selbst sei das aber nicht von entscheidender Bedeutung, so Ströbele. Es gehe dabei schließlich um die damalige Situation.
Er hält die angestrebten Änderungen der Informationspraxis bei Rüstungsexporten für einen "unzulänglichen Kompromiss". Und hofft nicht nur deswegen, dass das Bundesverfassungsgericht die Rechte der Abgeordnete stärkt und ihnen ein komplettes Informationsrecht zugesteht: Bereits Anfang der 90er-Jahre seien bei einem Panzerdeal mit Saudi-Arabien riesige Bestechungsgelder gezahlt worden, so Ströbele. "Und es gibt immer wieder Berichte - auch aus neuerer Zeit - dass diese Geschäfte mit Korruption und Bestechung gefördert werden." Mehr Transparenz sei daher dringend notwendig.