Maduros magische Währungsreform
23. August 2018Das "Rettungspaket" von Venezuelas Präsident Nicolás Maduro lässt ein ganzes Land ratlos zurück. Zunächst die Fakten: Durch das Streichen von fünf Nullen wollen die seit 20 Jahren regierenden Sozialisten die Hyperinflation bekämpfen. Aus einer Million des bisherigen "starker Bolívar" genannten Geldes wurden 10 "souveräne Bolivar" - so heißt die neue Währung. Die wird an die vor einem halben Jahr eingeführte Kryptowährung Petro gekoppelt.
"Wir durchlaufen einen soliden Wachstumsprozess, der gerecht und sozial ist, und den Reichtum verteilt." Mit diesen Worten kündigte Maduro die Maßnahmen an, die sein Land aus der hyperinflationären Abwärtsspirale befreien soll. Laut seinem Informationsminister Jorge Rodríguez sei die Wiederherstellung der Kaufkraft der Bevölkerung das Ziel der Reformen. Dabei sollen auch "Verzerrungen korrigiert werden, die der Wirtschaftskrieg hervorgerufen hat". Dieser "Wirtschaftskrieg" wird von der Regierung einer Verschwörung von ausländischen Regierungen und Geschäftsleuten zugeschrieben.
Die von der venezolanischen Regierung verkündeten Maßnahmen lösen Rätselraten aus. Was beispielsweise den neuen Mindestlohn betrifft, so zweifeln viele Arbeitnehmer, dass sie von ihren Arbeitgebern demnächst 35 Mal mehr Lohn bekommen als bisher. Analysten wie Henkel Garcia von der Agentur "Econométrica" sagen voraus, dass wenn die Regierung die Mehrkosten für diese Gehaltszahlungen für 90 Tage übernimmt, um die Auswirkungen auf die Unternehmer abzufedern, sabotiert sie ihre eigenen Anstrengungen das Haushaltsdefizit zu reduzieren.
"Der 'Petro' existiert nicht"
"Maduro und seine Anhänger sind komplett ideologisiert", meint Ivo Hernández, Politikwissenschaftler an der Universität Münster. "Es geht darum, der Wirtschaft und den Banken den letzten Schlag zu versetzen, um ein sozialistisches System nach dem Vorbild Kubas in Venezuela einzuführen. Das Regime hat zugegeben, dass es bankrott ist und dass es das Geld um jeden Preis braucht. Um dies zu erreichen, führt es einen doppelten Unsinn ein: einen fiskalischen und einen monetären. Die Regierung will die Einkommensteuer von dem Privatsektor im Voraus einziehen", sagt Ivo Hernández.
Nach Ansicht des Ökonomen Alejandro Márquez Velázquez von der Freien Universität Berlin zielen die von Maduro angekündigten Reformen darauf ab, zwei Variablen zu beeinflussen, die bereits in den 1980er Jahren in anderen lateinamerikanischen Ländern eine Hyperinflation ausgelöst haben: Die unverhältnismäßige Differenz zwischen Staatseinnahmen- und ausgaben einerseits, und die große Kluft zwischen dem offiziellen und dem Schwarzmarktkurs für Devisen andererseits.
Drückende Schulden
"Im Allgemeinen kann Maduros Plan als ein Versuch zur Vereinheitlichung der Wechselkurse beschrieben werden. Dies wird aber die Abwertung der nationalen Währung nicht im Geringsten bremsen. Bis jetzt hat die venezolanische Zentralbank einfach nur mehr Geld gedruckt, um das Haushaltsdefizit zu decken, das laut inoffiziellen Quellen rund 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht", sagt der Ökonom Márquez Velázquez.
Maduro schwebe vor, dass der Staatskonzern PDVSA, Lateinamerikas größte Erdölgesellschaft und zugleich Venezuelas größter Exporteur, Devisen zu einem Wert verkaufe, der dem auf dem Schwarzmarkt nahekomme, damit sowohl die Ölgesellschaft als auch die Regierung große Mengen an Bolívares erhalten könnten.
Ivo Hernández findet keinen Funken Glaubwürdigkeit in Maduros Plänen. "Venezuela hat sich gerade bereit erklärt, seinen Verbindlichkeiten gegenüber dem Energiekonzern Conoco Phillips nachzukommen. Caracas will im kommenden Quartal 500 Millionen Dollar auf den Tisch legen – nicht Öl oder Bolívares, sondern Dollar. Es gibt mindestens 43 weitere Unternehmen, die darauf warten, dass die venezolanische Regierung ihren Verpflichtungen nachkommt. Diese Schulden haben das Regime hart getroffen, und ich glaube, dass sie sich weder mit dieser noch mit einer anderen Wirtschaftsreform davon erholen wird", sagt der Politikwissenschaftler aus Münster.