Venezuela wertet Währung um 96 Prozent ab
20. August 2018Ladenbesitzer und Bürger in Venezuela warten gespannt auf den Beginn der dramatischen Reformen: Um die rückläufige Wirtschaft anzukurbeln, hat Präsident Nicolas Maduro angekündigt, die Währung neu zu gestalten und den Mindestlohn um 3000 Prozent anzuheben.
Die Reformen sollen am heutigen Montag in Kraft treten und zwar zunächst mit der Abwertung des venezulanischen Bolivar. Maduro will fünf Nullen der Währung streichen. Das kommt einer Abwertung um 96 Prozent gleich. Der neue Wechselkurs werde an die venezolanische Kryptowährung gebunden. Neben dem Mindestlohn sollen auch die Steuern für Unternehmen steigen. Zudem will der Präsident die Benzinpreise auf internationales Niveau heben.
Wirtschaftsexperten gehen jedoch davon aus, dass die Maßnahmen die Hyperinflation eher beschleunigen als die tatsächlichen Probleme eindämmen. "Die Umstellung des Bolivar ist wie eine Behandlung eines berühmten Schönheitschirurgen aus Caracas", schreibt zum Beispiel der Ökonom Steve Hanke von der John Hopkins-Universität auf forbes.com. "Es sieht anders aus, aber in der Realität ändert sich nichts. Es ist nur ein face-lift."
Zwei Millionen Bolivar für eine Tasse Kaffee
Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) schätzen, dass die Inflation in Venezuela dieses Jahr die eine Million-Marke erreichen wird. Das macht es derzeit schwer, Papiergeld im Land zu finden. Bisher war die größte Banknote der 100.000-Bolivar-Schein. Jedoch kostet im Moment eine Tasse Kaffee mehr als zwei Millionen Bolivar.
Am Montag werden die Banken dann auch vorerst nicht öffnen. Sie bereiten die Währungsumstellung und den "souveränen Bolivar" vor - die neue Währung, die mit fünf Nullen weniger auskommen soll. Im Jahr 2008 gab es übrigens eine ähnliche Entwicklung: Der damalige Präsident Hugo Chavez kürzte die Währung um drei Nullen, um die Inflation zu bekämpfen.
Streik für Dienstag angekündigt
Die aktuelle Situation verunsichert die Bevölkerung jedoch schon seit längerem, was die Opposition bereits aufgegriffen hat. Sie wirft Maduro den Aufbau einer Diktatur, Misswirtschaft und Korruption vor. Laut dem Präsidenten ist das Land allerdings Opfer eines von den USA angeführten Wirtschaftskriegs gegen das Land. Die Opposition hat indes einen nationalen Streik sowie Proteste für Dienstag angekündigt. Sie hofft auf eine Menschenmasse auf den Straßen, die sich gegen die Politik Maduros stellt.
Bereits am Wochenende waren die Schlangen auf den Straßenmärkten in Caracas länger als sonst. Die Menschen wollten sich vor Montag noch einmal mit dem Nötigsten eindecken.
Brasilien schickt Soldaten an Grenze zu Venezuela
Die wirtschaftliche Lage und die damit verbundene Unsicherheit lässt zudem viele Venezolaner in Nachbarstaaten fliehen. Brasilien rüstet deshalb auf: Nach gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Einheimischen und Flüchtlingen aus Venezuela schickt Brasilien nun 120 Soldaten an die Grenze zum Nachbarland. Auch Gesundheitsexperten sollen an die Grenze entsandt werden, wie das für öffentliche Sicherheit zuständige Ministerium mitteilte.
Dutzende aufgebrachte Einwohner hatten am Samstag zwei Lager mit Flüchtlingen aus Venezuela im brasilianischen Grenzort Pacaraima angegriffen und teilweise zerstört. Medienberichten zufolge war zuvor ein brasilianischer Händler beraubt und verprügelt worden. Seine Familie machte dafür venezolanische Flüchtlinge verantwortlich. Der brasilianischen Militärpolizei zufolge wurden drei Brasilianer verletzt. Zu Opfern unter den Venezolanern lagen zunächst keine Angaben vor.
Weniger Flüchtlinge nach Ausschreitungen
Am Sonntag beruhigte sich die Lage in dem Ort. Angesichts der Gewalt seien mehr als 1200 Venezolaner in ihr Heimatland zurückgekehrt, sage der Sprecher einer für Migration zuständigen brasilianischen Sondereinheit der Nachrichtenagentur AFP. Anwohner berichteten von einem verstärkten Polizeiaufgebot in Pacaraima.
Brasiliens Präsident Michel Temer beriet am Sonntag in einer Dringlichkeitssitzung unter anderem mit den Ministern für Verteidigung, öffentliche Sicherheit und Außenpolitik über die Lage in Pacaraima. Nach brasilianischen Behördenangaben kommen durchschnittlich rund 500 Flüchtlinge aus Venezuela über die Grenze. Nach der Gewalt vom Samstag sei die Zahl am Sonntag aber deutlich niedriger gewesen, hieß es.
jmw/fab (ap, afp, dpa)