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Landwirtschaft ohne Glyphosat?

25. Oktober 2017

Die Zukunft des Unkrautvernichters Glyphosat in Europa ist weiter ungewiss. Sollte sich die EU für ein Verbot aussprechen, was würde das für Landwirte und Verbraucher bedeuten?

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Ein Bauer Pflügt den Acker
Bild: picture-alliance/dpa/D. Bockwoldt

Europas Landwirte verfolgen derzeit sehr aufmerksam die Meldungen aus Brüssel. Die bisherige Zulassung für Glyphosat in Europa läuft Ende des Jahres aus. Wird sie nicht erneuert, muss das Mittel vom Markt genommen werden. 

Bisher ringt die Europäische Union um eine klare Linie. Die EU-Kommission hatte ursprünglich die weitere Zulassung für zehn Jahre beantragt, war aber am Dienstag auf einen Vorschlag von fünf bis sieben Jahren zurückgegangen. Zuvor hatte das Europaparlament ein Verbot des Mittels bis 2022 gefordert.  

Der zuständige Expertenausschuss der EU-Mitgliedstaaten wollte am Mittwoch eine Abstimmung über eine Neuzulassung abhalten, hat die Entscheidung aber vertagt.

Sollte sich der Expertenausschuss für ein Verbot aussprechen, welche Auswirkungen hätte das auf die Landwirtschaft?

Weniger Arbeit mit Glyphosat

Glyphosat ist zurzeit das meistverkaufte Herbizid weltweit. Besonders bei Landwirten ist das Mittel beliebt - in Deutschland werden rund 40 Prozent der Ackerflächen damit gespritzt. Nur etwa 15 bis 20 Prozent der konventionellen Landwirte verzichten auf den Einsatz - ebenso Biobauern.

Der Grund: Bei der Unkrautbekämpfung ist das Mittel sehr effektiv. Pflanzen nehmen das Gift über grüne Stängel und Blätter auf und sterben ab. Vor der Aussaat wird damit unerwünschter Bewuchs auf den Feldern beseitigt. Auch kurz vor der Ernte wird Glyphosat gespritzt und tötet alles Grün ab. Das erleichtert den Ernteprozess. Dieses Verfahren ist jedoch besonders umstritten.

Für die Landwirte bedeutet der Einsatz von Glyphosat vor allem eines: weniger Arbeit. Denn die zeitaufwendige Unkrautbeseitigung durch Pflügen und andere Verfahren der Bodenbearbeitung wird so eingespart.

Ein Traktor bei der Unkrautbekämpfung mit einem Herbizid
Vor allem vor der Aussaat werden alle grünen Pflanzen "totgespritzt". Auf das Umpflügen kann so verzichtet werden.Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

Mechanische Unkrautbeseitigung kostet mehr

Käme es zum Verbot, müssten Landwirte das Unkraut wieder maschinell entfernen - so wie es bis vor wenigen Jahrzehnten noch gängige Praxis war. "Grundsätzlich käme die Landwirtschaft auch ohne Glyphosat aus", sagt Hella Kehlenbeck vom Julius Kühn-Institut (JKI). Im vergangenen Jahr verfasste das Bundesforschungsinstitut eine Folgenabschätzung für die Landwirte beim Verzicht auf Glyphosat.

Laut der Untersuchung muss im deutschen Ackerbau die Unkrautbekämpfung ohne Glyphosat "nicht in jedem Fall teurer sein" und könne unter günstigen Voraussetzungen sogar "zu einem betriebswirtschaftlich identischen oder besseren Ergebnis führen". In vielen Fällen sei es aber auch umgekehrt "insbesondere dann, wenn unter ungünstigen Bedingungen mehre Bodenbearbeitungsgänge erforderlich sind", so das Ergebnis.

Laut JKI gibt es für Glyphosat auch keine chemischen Alternativen, um etwa vor der Aussaat das Unkraut zu entfernen. "Etliche andere Herbizide sind ökotoxikologisch ungünstiger einzustufen als Glyphosat", so Kehlenbeck.

Agrarökonomen von der Universität Göttingen rechneten in einer Studie aus, mit welchen Mehrkosten die Landwirte bei einem Verzicht auf Glyphosat in etwa rechnen müssten. Ihre Ergebnisse wurden in den Agrarfachzeitschriften agrarheute und top agrar publiziert. In den untersuchten Szenarien mit der Fruchtfolge Raps, Weizen und Gerste lägen die durchschnittlichen Ertragseinbußen pro Hektar zwischen vier und 15 Prozent.

Handarbeit auf einem Bioacker.
Unkrautbekämpfung ohne Herbizid ist aufwendiger. Dafür haben Wildkräuter auf den Feldern eine Überlebenschance.Bild: imago/R. Lueger

Wer zahlt für den Mehraufwand?

Laut Umfrage wollen 64 Prozent der Bürger aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien ein Verbot von Glyphosat in der EU und nur neun Prozent den weiteren Einsatz erlauben. In Deutschland liegt die Ablehnung von Glyophosat sogar bei 70 Prozent.

Ob die Landwirte jedoch ihre höheren Kosten für eine Produktion ohne Glyphosat einfach weitergeben können, ist ungewiss. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Handel bereit ist viel mehr Geld für die Lebensmittel beziehungsweise Ackerkulturen zu zahlen", so Pestizidexpertin Katja Börgermann vom Deutschen Bauernverband.

Vergleichsweise einfach haben es demgegenüber die Landwirte, die ökologisch anbauen, traditionell auf chemische Pestizide verzichten und die Produkte mit einem entsprechenden Biosiegel vermarkten. Die etwas höheren Erzeugungskosten geben sie weiter und von den Kunden werden sie auch bereitwillig gezahlt. Seit Jahren erlebt die Biobranche einen Boom.

Rebhuhn auf dem Feld
Rebhühner gibt es in vielen Regionen nicht mehr. Ihre Wiederansiedlung ist sehr teuer.Bild: picture alliance/Reiner Bernhardt

Verzicht auf Glyphosat volkswirtschaftlich lohnend?

Die Artenvielfalt geht in den letzten Jahrzehnten massiv zurück. "Äcker sind Lebensräume für Pflanzen, Insekten und Vögel. Und dieser Artenreichtum erlebt einen starken Eingriff durch Pflanzenschutzmittel wie Glyphosat", erklärt Jörn Wogram vom Bundesumweltamt (UBA). Rund ein Drittel der heimischen Tiere und Pflanzen sind allein in Deutschland vom Aussterben bedroht, Hauptursache ist hier die industrielle Landwirtschaft - nicht ausschließlich Glyphosat.

Der Verlust der Artenvielfalt ist ein großes Problem und auch ökonomisch ein großer Verlust. Darüber hinaus verursacht der Pestizideinsatz auch Probleme im Wasser und entsprechende Kosten. "Trinkwasserversorger betreiben inzwischen einen großen Aufwand, um Pflanzenschutzmittel mit Aktivkohle aus verunreinigtem Grundwasser zu entfernen, auch neue Brunnen werden deshalb gebohrt", ergänzt der Pestizidexperte im "Glyphosat zerstört Artenvielfalt"DW-Interview.

Durch die chemische Unkrautbekämpfung entstehen zudem den Behörden hohe Personalkosten. Mitarbeiter müssen prüfen, ob die Landwirte die Grenzwerte einhalten und die Gewässer auf Rückstände kontrollieren. Werden alle Kosten berücksichtig und einbezogen, "kann man grundsätzlich sagen, dass unterm Strich ein Verzicht auf Glyphosat und anderen Pflanzenschutzmittel volkswirtschaftlich lohnend sein kann", meint Wogram.

Derzeit werden diese sogenannten externen Kosten des chemischen Pflanzenschutzes im Auftrag des UBA untersucht. "Auch die Kosten für Erkrankungen bei Landwirten, Anwohnern und Verbrauchern bewerten die Wissenschaftler", so Wogram. Die Ergebnisse sollen im nächsten Jahr vorliegen. "Dann sehen wir die Gesamtbilanz des chemischen Pflanzenschutzes und können Schlussfolgerungen ziehen wie man unter Umständen Geld sparen kann."

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion