Aus für Glyphosat in Europa?
19. Oktober 2017Am Donnerstag 19.10. lehnte der Umweltausschuss des EU-Parlaments mit großer Mehrheit (39 Ja-Stimmen, 9 Gegenstimmen) eine Verlängerung der Zulassung des Herbizids Glyphosat ab, nächste Woche entscheidet noch das Europaparlament.
Der Europaabgeordnete und Umweltexperte Peter Liese (CDU) hält eine weitere Zulassung von Glyphosat in der EU als wenig wahrscheinlich.Bei den noch anstehenden Abstimmung der EU-Mitgliedsstaaten würde es die notwendige "klare Mehrheit für eine weiter Lizenzverlängerung" nicht geben sagte Liese im "Handelsblatt".
Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Herbizid. Bis Ende des Jahres muss die EU entscheiden ob der Einsatz des umstrittenen Pflanzengifts in Europa noch weiter erlaubt wird. Die Kritik an dem Herbizid und den Zulassungsbehörden nimmt jedoch weiter zu.
Nach Einschätzung der internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) ist der Wirkstoff "wahrscheinlich krebserregend für Menschen". Das für die europäische Zulassung wichtige Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Deutschland sah zwar auch begrenzte Hinweise auf die krebsauslösende Wirkung bei Menschen, kam aber in seiner Gesamtbewertung bisher immer zu dem Schluss, "dass bei sach- und bestimmungsgemäßer Anwendung in der Landwirtschaft nach derzeitiger wissenschaftlicher Kenntnis keine gesundheitliche Gefährdung durch Glyphosat zu erwarten ist".
Im letzten Jahr entschied die EU-Kommission nach heftigen Debatten, dass die Zulassung von Glyphosat nur noch bis Ende 2017 verlängert wird. Ursprünglich war eine Verlängerung bis 2031 in Europa geplant gewesen.
Ein Gutachten der Chemikalienagentur ECHA sollte zwischenzeitlich Klarheit über die weitere Zulassung bringen. Die Behörde in Helsinki stufte im Frühjahr Glyphosat als nicht krebserregend ein, wies allerdings darauf hin, dass die Chemikalie schwere Augenschäden hervorrufe und für das Wasser-Ökosystem giftig "mit langanhaltenden Folgen" sei.
Zulassungsbehörde kopiert von Glyphosathersteller
Eine Schlüsselstellung bei der Zulassung von Glyphosat in Europa hat das Deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Das BfR ist Berichterstatter für das europäische Genehmigungsverfahren und so beziehen sich die europäischen Behörden für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die Chemikalienagentur ECHA auf dessen Bewertungen.
Kritik an der deutschen Zulassungsbehörde hatte es in den vergangenen Jahren schon mehrfach gegeben. In einem offenen Brief erhoben 96 Wissenschaftler aus 25 Ländern bereits Ende 2015 schwere Vorwürfe gegen das zuständige Bundesinstitut. Sie sprachen von einer "wissenschaftlich inakzeptablen" Vorgehensweise und Bewertung durch die Behörde.
Nach Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" berücksichtigte das BfR die Hinweise auf Krebs bei Tierversuchen mit Glyphosat nicht ausreichend und verließ sich bei der Analyse von Studien "offenbar zu sehr auf Angaben der Industrie".
Nach einem aktuellen Gutachten vom Plagiatprüfer Stefan Weber handelt es sich bei der Beurteilung des BfR zu den gesundheitlichen Risiken von Glyphosat sogar um ein Plagiat. Über zahlreiche Seiten hinweg seien Textpassagen wörtlich aus dem Zulassungsantrag der Glyphosathersteller übernommen worden. "Die systematische Unterlassung von Quellenangaben und das gezielte Entfernen von Hinweisen auf die tatsächlichen Verfasser der Texte lässt sich nur als bewusste Verschleierung ihrer Herkunft deuten", erklärt Weber: "Es ist offensichtlich, dass das BfR keine eigenständige Bewertung der zitierten Studien vorgenommen hat."
Weber hatte in einem Gutachten für die österreichische Umweltschutzorganisation Global 2000 drei ausgewählte Kapitel des BfR-Berichts zu den gesundheitlichen Risiken von Glyphosat mit entsprechenden Passagen aus dem Zulassungsantrag der Glyphosathersteller verglichen.
Das BfR bestreitet die Übernahme von großen Textteilen aus dem Zulassungsantrag der Pestizidhersteller nicht und rechtfertigt sogar das Weglassen von Quellenangaben, die in der Wissenschaft normalerweise erforderlich und üblich sind. Das Vorgehen der Behörde in seinem Bericht für das europäische Genehmigungsverfahren von Glyphosat sei "national, international üblich und [eine] anerkannte Vorgehensweise", heißt es in der Stellungnahme.
"Durch das Gutachten von Weber ist jetzt unzweifelhaft belegt: Die Behörden haben ihren amtlichen Glyphosat-Persilschein zu großen Teilen einfach von Monsanto kopiert", entgegnet Harald Ebner, Agrar-und Pestizidexperte der grünen Bundestagsfraktion. "Dabei hat mir die Bundesregierung auf meine ganz konkrete Nachfrage schon im Jahr 2015 versichert, der Bewertungsbericht stamme 'aus der Feder der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesinstituts für Risikobewertung'".
Ebner fordert jetzt eine neue Bewertung von einer unabhängigen Stelle und hofft, dass die EU-Kommission ihren Vorschlag für die Zulassungsverlängerung von Glyphosat zurückzieht.
"Wer abschreibt und sich dabei erwischen lässt, hat ein Glaubwürdigkeitsproblem", erklärt auch der Toxikologe von Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) Peter Clausing: "Verschärft wird dieses Problem, wenn es sich beim Abschreibenden um eine Behörde handelt, die das Gesundheitsrisiko für 500 Millionen Europäer zu bewerten hatte. Fatal wird es letztlich, wenn die abgeschriebenen Inhalte wissenschaftlich falsch sind und aus der Feder eines Pestizidherstellers stammen, der ein vitales wirtschaftliches Interesse an einer Zulassung hat."
Das Umweltinstitut in München hat aufgrund des Plagiats jetzt eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Leiter des BfR Andreas Hensel eingereicht und fordert seine Entlassung. Laut Umweltinstitut verstieß die Vorgehensweise des BfR gegen die Leitlinien der EU-Kommission zur Erstellung von Bewertungsberichten.
Aus für Glyphosat in Europa?
Starken Protest gegen eine weitere Zulassung von Glyphosat gibt es auch von europäischen Umweltverbänden. Sie hatten eine Europäische Bürgerinitiative (EBI) gegründet und rund 1,1 Millionen gültige Unterschriften für ein Verbot des Pestizids gesammelt.
Die EBI ist ein offizielles Verfahren in der EU für mehr Bürgerbeteiligung. Nun muss sich die EU mit dem Anliegen beschäftigen, die Organisatoren dürfen ihr Anliegen im EU-Parlament vortragen und die EU-Kommission muss Stellung dazu nehmen.
Außer dem Verbot von Glyphosat in der EU fordern die Unterzeichner eine Reform der Genehmigungsverfahren für Pestizide. Diese sollten nicht auf Basis von Studien zugelassen werden dürfen, "die von der Pestizidindustrie in Auftrag gegeben wurden", heißt es.
Agrarexperte Karl Bär vom Umweltinstitut in München zeigt sich gegenüber der DW optimistisch, dass es ein Verbot von Glyphosat in Europa geben wird. Alte Pestizidbestände dürften bei einem Auslaufen der Zulassung noch bis Mitte 2018 verkauft und bis Mitte 2019 auf den Feldern auch noch gespritzt werden.
Geprägt wird sein Optimismus auch von Stimmen aus der EU-Kommission und den EU-Mitgliedsländern wie Frankreich, Österreich, Malta, Luxemburg, Schweden und Italien. Dort lehnten nach seinen Angaben Regierungen oder wichtige Regierungsvertreter die weitere Zulassung in der EU ab.
Darüber hinaus gibt es viel Missmut im Europaparlament wegen Manipulationen bei den Studienergebnissen und Behinderungen bei der Aufklärung. So beklagten Abgeordnete bei einer Anhörung am 11.Oktober, dass zum Beispiel auch das BfR die Einladung zur Befragung im Parlament ausgeschlagen habe und forderten einen Untersuchungsausschuss. Dieser soll ungeklärte Fragen über die Sicherheit von Glyphosat und die Einflussnahme von Monsanto auf die Forschung und damit verbundene Zulassungen klären.
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