Ischinger setzt im Iran-Konflikt auf Diplomatie
16. Mai 2019Wolfgang Ischinger leitet seit mehr als zehn Jahren die Münchner Sicherheitskonferenz, das mittlerweile weltführende Forum für außen- und sicherheitspolitische Themen. Und früher war Ischinger auch durchaus in der praktischen Diplomatie unterwegs, als deutscher Botschafter etwa in London und Washington. Deshalb war es Deutschlands größtem Boulevard-Blatt, der "Bild-Zeitung", eine Nachricht auf der ersten Seite wert, was Ischinger jetzt vorgeschlagen hat: Bundeskanzlerin Angela Merkel solle sich gemeinsam mit den politischen Führern in Frankreich, Großbritannien, den USA, mit China und Russland für eine internationale Friedenskonferenz einsetzen, um den drohenden Konflikt zwischen dem Iran und den USA zu entschärfen.
"Vielleicht die letzte Chance der Diplomatie"
Komme ein solcher Gipfel zustande, dann werde es sich "der iranische Präsident sicherlich zweimal überlegen, ein solches Gesprächsangebot abzulehnen", sagte Ischinger dem Blatt. Die Gefahr einer Eskalation schätzt er als sehr hoch ein: "Es genügt vielleicht schon ein kleiner Funke oder ein militärisches Missverständnis, um das ganze zur Explosion zu bringen." Offenbar gebe es auch in Washington sehr unterschiedliche Auffassungen, ob eine weitere Zuspitzung wirklich sinnvoll sei, fügte Ischinger hinzu. "Einen weiteren bewaffneten Konflikt am Golf, mit zigtausenden von US-Soldaten, das wollen viele nicht. Das ist eine Chance für Diplomatie, vielleicht die letzte, um das Iran-Abkommen zu retten."
Nouripour: "Alles andere führt in den Krieg."
Der Konflikt hatte sich zuletzt daran entzündet, dass sich auch der Iran an Teile des Atom-Deals mit den USA, Frankreich, Großbritannien, China, Russland und Deutschland nicht mehr gebunden fühlt. Die USA, die den Vertrag schon vor einem Jahr aufgekündigt hatten, haben deswegen die Sanktionen verschärft und ihre Militärpräsenz in der Region verstärkt. Und deshalb glaubt etwa der außenpolitische Experte der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, dass Europa dringend aktiv werden müsse. Ischingers Initiative sei gut: "Jeder Vorschlag, die Sprachlosigkeit zwischen dem Iran und den USA zu beenden, ist ein guter Vorschlag. Alles andere führt in den Krieg", so Nouripour im Gespräch mit der DW.
Brok: "Was soll dort verhandelt werden?"
Tatsächlich war auch schon am Donnerstag während einer Debatte im deutschen Bundestag deutlich geworden, dass viele Außen-Experten fast aller Parteien die Kriegsgefahr für nicht gering halten. Das sieht auch der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok so. Er ist allerdings skeptisch, ob Ischingers Initiative wirklich Erfolg haben könnte, selbst, wenn ein Treffen zustande kommt. Er sagte der DW: "Was soll dort verhandelt werden? Die USA sagen: Das Atomabkommen ist nutzlos, der Iran muss noch in weiteren Bereichen nachgeben. Und der Iran sagt: Wir machen das Atomabkommen und andere Sachen nicht."
Vor allem die Sanktionen und der Druck der USA auch auf europäische Firmen, keinen Handel mehr mit Teheran zu betreiben, hätten die Lage jetzt so schwierig gemacht, fügte Brok in Berlin hinzu: "Der westliche Handel mit dem Iran ist im ersten Halbjahr um über 50 Prozent zusammengeschrumpft. Das ist dramatisch. Wenn man sich die wirtschaftliche Lage im Iran anschaut, dann ist klar, dass Präsident Rohani nicht mehr die Unterstützung der Hardliner hat."
Die Direktorin der Denkfabrik "Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik" (DGAP), Daniela Schwarzer, sieht aber tatsächlich vor allem Europa nun in der Pflicht. Die USA und der Iran hätten sich in eine starke Konfrontationshaltung gebracht. Und das bedeute: "Die Europäer müssten sehr stark auf beiden Seiten investieren, um sie zu überzeugen, an einen Tisch zu kommen. Aber das ist nicht ausgeschlossen, so funktioniert Diplomatie", sagte Schwarzer der DW.
Anfang 2016, vor dreieinhalb Jahren, war der Atomvertrag mit dem Iran in Kraft getreten, nach langen Verhandlungen. Sein Kern: Der Iran fährt sein Atomprogramm zurück, der Westen, China und Russland verzichten auf Sanktionen. Seitdem die USA aber vor einem Jahr aus dem Vertrag ausgestiegen sind, verschärft sich der Konflikt immer weiter.