Immobilienblase: Lektionen aus Spanien
5. Februar 2018Was geschieht, wenn eine Immobilienblase platzt, wissen die Deutschen vor allem aus den Medien. In Spanien haben es die Menschen in den vergangenen Jahren dagegen hautnah erlebt: Zwangsversteigerungen, Arbeitslosigkeit, wieder bei den Eltern einziehen, Hausbesetzungen und eine lebenslange Verschuldung - bis auf 40 Jahre wurden die Hypotheken-Laufzeiten verlängert, um die Last zu mindern.
Natürlich unterscheidet sich die Situation in Spanien von der in Deutschland. Die Deutschen sind weniger verschuldet, sparen mehr und sind risikoscheuer. Und die deutsche Wirtschaft steht auf mehreren soliden Beinen.
Parallelen der Krise
Und doch gibt es einige Parallelen zur spanischen Krise, die 2012 in einer dramatischen EU-Rettung des Finanzsektors gipfelte. Zwei wichtige: Die deutsche Regierung schaut stillschweigend zu, wie vor allem ausländische Investoren den heimischen Wohnungsmarkt aufheizen. Und es gibt immer noch sehr viele, die nicht an Überhitzung glauben wollen.
Ganz vorne die Deutsche Bank. In Studien erkennt sie zwar an, dass die Hauspreise in Deutschland seit 2009 um 50 Prozent gestiegen sind. Dennoch behauptet sie, dass sei kein Problem.
Dieselbe Bank hat 2007 versucht, Investoren den schon völlig überhitzten spanischen Immobilienmarkt schmackhaft zu machen und lag damit komplett falsch: ein Jahr später platzte die Blase - mit katastrophalen Folgen für Spanien.
Ausländer heizen den Markt an
Allein 2017 sind laut dem Verband deutscher Pfandbriefbanken fast 60 Milliarden Euro in den Kauf deutscher Gebäude geflossen. Jeder zweite Euro kam von Ausländern. "Viele davon Spanier", bestätigt Georg Abegg, Rechtsanwalt der Kanzlei Rödl & Partner in Madrid.
Schon seit vielen Jahren investieren sie vorzugsweise in Berlin: "Als es in Spanien brannte, gingen sie nach Deutschland, wo das Preisniveau vergleichsweise niedrig war", so Abegg.
Auch US-Amerikaner suchen seit geraumer Zeit Heilung von der heimischen Immobilien-Krise und investieren auf dem boomenden deutschen Wohnungsmarkt. Gut ein Viertel der ausländischen Investitionen in diesem Segment gingen nach Angaben der US-Unternehmensberatung PWC auf ihr Konto.
Auch in Spanien trugen ausländische Investoren vor 20 Jahren maßgeblich dazu bei, den Wohnungsmarkt anzuheizen. Der damalige spanische Regierungschef José María Aznar freute sich, ähnlich wie heute Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass auf diese Weise die Bauwirtschaft blühte und die Arbeitslosigkeit sank.
"Rechtzeitig die Bremse ziehen"
Und schon wieder droht Spanien das gleiche Debakel: Kaum ist die Krise halbwegs überwunden, steht das Land - trotz Überkapazitäten bei Gewerbe- und Wohnungsflächen - im Ranking der beliebtesten Investitionsstandorte in Europa bereits wieder auf Platz zwei - nach Deutschland, so die Immobilienberatung Knight Frank.
"Deutschland sollte cleverer sein und rechtzeitig die Bremse ziehen", sagt der in Deutschland und Spanien operierende Investitionsberater Matthias Meindel.
So müsse die Regierung konkrete Maßnahmen ergreifen, um Mieten und Kaufpreise vor Spekulanten zu schützen. Gerade in Berlin werden bestehende Gesetze, die den Anstieg der Miete innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren auf 20 Prozent begrenzen, oft umgangen - etwa, indem weitere Erhöhungen mit Schein-Renovierungen gerechtfertigt werden.
Laut Abegg sollte auch darauf geachtet werden, nicht am Bedarf vorbeizubauen und keinen Wohnraum leerstehen lassen.
Hinweise auf eine Blase
Zu den wenigen Warnern in Deutschland gehört neben der Bundesbank auch Karl-Werner Hansmann, emeritierter Wirtschaftsprofessor der Universität Hamburg. Er hat die Immobilienkrisen in Spanien und den USA mit der deutschen Situation verglichen und findet sechs Gemeinsamkeiten:
• Die Kaufpreise steigen schneller als die Mieten.
• Die Kaufpreise sind auf einem hohen Niveau und wachsen weiter.
• Erst steigen die Wohnungspreise in Top-Lagen, später erreicht der Boom auch Randgebiete.
• Die Hypothekenzinsen für Immobilienkäufe liegen bei unter drei Prozent.
• Die durchschnittlichen Tilgungsraten liegen bei unter vier Prozent.
• Der Anteil der Fremdfinanzierung ist zu hoch.
In Spanien hat die Immobilienkrise vor allem den Kreditmarkt ruiniert. Das wird in Deutschland so nicht passieren, weil die private und öffentliche Verschuldung wesentlich niedriger ist. Dennoch droht dem bereits seit vielen Jahren schwächelnden deutschen Bankensektor Gefahr, vor allem die Sparkassen sollten sich warm anziehen.
In Spanien haben von rund 40 Sparkassen noch nicht einmal eine Handvoll die Krise überlebt. Sie wurden zu Banken umgewandelt, fusioniert oder abgewickelt.
Gefahr für die Sparkassen
Spanien hat anders als Deutschland seit 2012 den gesamten Finanzmarkt umgekrempelt: Konzentration und knallhartes Retailbanking sind seitdem angesagt, die Kreditvergabe erfolgt nur noch unter strengen Risikokriterien, Finanzierungen mit 100 Prozent Fremdkapital gibt es nicht mehr. Das alles hat dazugeführt, dass es heute nur noch rund zehn relevante Kreditinstitute im Land gibt.
Das deutsche Sparkassensystem mit seinen fast 400 verschiedenen Instituten gilt dagegen als wenig rentabel. Manuel Romera von der spanischen Businessschule IE sieht vor allem das dichte Filialnetz in Deutschland als Problem: "In Spanien haben die Banken in den vergangenen zehn Jahren 40 Prozent ihrer Niederlassungen geschlossen und der Prozess ist noch nicht abgeschlossen."
Javier Morillas, Wirtschaftsprofessor an der Madrider Universidad Pablo CEU, beunruhigt bei den deutschen Sparkassen auch, dass sie "den Pfad des sicheren Kredits verlassen und inzwischen auch Eigenheime zu 100 Prozent finanzieren".
Verdrängungsmechanismen
Der in beiden Ländern tätige Investitionsberater Meindel, der auch die Immobilienkrise in Ostdeutschland hautnah erlebte, warnt zudem vor der aktuellen Schönfärberei: "Ich habe ganze Stapel von Artikeln aus spanischen Medien aus den Jahren 2007-2008, die das Entstehen einer Blase geleugnet haben", sagt er. "Als die Krise dann da war, haben sie nur von einer vorübergehenden Marktberuhigung und kleineren Preisrückgängen gesprochen."
In Deutschland passiere gerade dasselbe, glaubt er. "Verdrängen mag eine menschliche Eigenschaft sein, aber die harten Fakten der Ökonomie besagen nun einmal, dass nach einer lebhaften Konjunktur auch wieder eine Beruhigung, im schlimmsten Fall auch eine Rezession kommt." Doch darüber, fügt er hinzu, will kein Politiker sprechen.