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Hambacher Forst: Rodung ohne Rechte?

24. September 2018

Der Hambacher Wald darf im Herbst nur gerodet werden, wenn dies für den Tagebau unerlässlich ist. Doch klare Belege für diese Notwendigkeit fehlen bis heute und so gibt es Zweifel an der Rechtmäßigkeit.

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Tagebau Hambach und Hambacher Forst (Foto: Michael Goergens)
Bild: Michael Goergens

Eigentlich ist alles ganz einfach und im Genehmigungplan für den Betrieb des Tagebau Hambach steht es auch drin: Wälder und andere Naturräume sind "in ihrer ökologischen Funktion möglichst lange zu erhalten" und Rodungen sind "auf das betrieblich erforderliche Maß zu beschränken".

Erlaubt sind laut dieser Bestimmung deshalb Rodungen auf einer Fläche, die dem Vorlauf der Bagger von gut zwei Jahren entsprechen. Da sich die riesigen Bagger in den letzten Jahren mit einer Geschwindigkeit von weniger als 120 Meter pro Jahr Richtung Wald bewegten, kann eine Rodung von Waldflächen im Abstand von bis zu 300 Metern vom heutigen Grubenrand unter bestimmten Umständen als rechtmäßig angesehen werden, wenn dies für den Betrieb des Tagebaus erforderlich und unerlässlich ist.

Satellitenbilder zeigen indes, dass der Abstand zwischen Grubenkante und Waldkante im mittleren Bereich aber zwischen 450 und 600 Meter liegt. Nur im westlichen Ende des Hambacher Waldes beträgt er etwa 370 Meter und im östlichen Bereich rund 330 Meter.

Wie ist dann unter diesen Umständen die umstrittene Rodung des Waldes bis zu einer Tiefe von über einem Kilometer überhaupt rechtlich legitim und möglich? Hat RWE wirklich alle Möglichkeiten des optimierten Tagebaus ausgeschöpft, um wie vorgeschrieben die ökologischen Funktion des Altwaldes möglichst lange zu erhalten?

Mehr dazu: Täuscht RWE Öffentlichkeit und Kohlekommission? 

Infografik zum Hambacher Forst zeigt gerodete Fläche und Abbaukante (Grafik: DW)

Die DW ging dieser Frage nach. Viele offene Fragen blieben bei den Recherchen unbeantwortet und nähren den Verdacht, dass die geplante Rodung im sogenannten Hambacher Forst möglicherweise gar nicht rechtlich zulässig ist.

Ein am Montag veröffentlichtes  Rechtsgutachten im Auftrag von Greenpeace bekräftigt diese Befürchtung. Wäre die geplante Rodung durch RWE, unterstützt durch die Landesregierung von NRW, ein Verstoß gegen das geltende Recht und der große Polizeieinsatz gar nicht nötig?

Ist die geplante Rodung von RWE im Herbst wirklich zulässig?

Laut RWE-Chef Rolf Martin Schmitz sollen in diesem Herbst rund 100 Hektar Wald im sogenannten Hambacher Forst gerodet werden. Die DW wollte von RWE wissen, warum diese Rodungsabsicht betrieblich erforderlich ist und damit auch rechtlich zulässig. Die DW bat um entsprechende Belege. Doch RWE beantwortete die Fragen in der gesetzten Frist trotz mehrfacher Nachfragen nicht.

Rechtsanwältin Cornelia Ziehm, die sich im Auftrag von Greenpeace in einem Gutachten zur geplanten Rodung befasst, ist die Rechtslage inzwischen klar: Der Energiekonzern RWE verstößt gegen geltendes Recht, wenn er wie geplant ab Oktober den Hambacher Forst roden lässt. "Es gibt kein geltendes Recht von RWE, den Hambacher Forst in jedem Fall, zu jeder Zeit oder in jedem Umfang zu roden", sagt Ziehm.

Tagebau Hambach (Foto: Todde Kemmerich )
Große Zweifel an der Aufrichtigkeit von RWE. Ist Waldrodung im Herbst wirklich unerlässlich?Bild: Todde Kemmerich

Die Zulässigkeit konkreter Rodungsmaßnahmen hänge vom konkreten Nachweis ab, dass die Inanspruchnahme der konkreten Flächen des Hambacher Forsts "auch in zeitlicher Hinsicht erforderlich beziehungsweise unerlässlich sei".

Laut Ziehm fehle diese Erforderlichkeit bzw. Unerlässlichkeit für einen Rodungsbeginn im Oktober 2018 sogar nach eigenen Konzernangaben, da RWE selbst für den betrieblich notwendigen Rodungsbeginn den 15. Dezember 2018 in einer Pressemitteilung angibt. Eine Rodung vor dem 15. Dezember 2018 wäre auch deshalb schon rechtlich unzulässig, so Ziehm. Sie empfiehlt den klageberechtigten Umweltverbänden notfalls jetzt auch in diesem Punkt vor Gericht zu ziehen, sollte die zuständige Aufsichtsbehörde von NRW kein Rodungsverbot für Oktober anordnen.

Potenzial durch optimierten Tagebau

Zweifel an der betrieblich notwendigen Rodung gibt es inzwischen auch von fachlicher Seite. Das auf Bergbau spezialisierte Beratungsunternehmen Plejades kam in einer Analyse zum Tagebau Hambach im Auftrag von Greenpeace zu dem Ergebnis, dass die Tagebaukante durch Modifizierung länger als angegeben bestehen bleiben könnte. So könnten zusätzliche zeitliche "Reserven vor der Beräumung des Hambacher Forstes geschaffen werden". Die Experten sehen drei Varianten für einen optimierten Tagebau, mit denen sich bis zu 415 Hektar Fläche einsparen ließen, die dann vorerst nicht angetastet werden müssten.

Protest im Hambacher Forst: Die Polizei steht einer Gruppe Demonstranten gegenüber  (Foto: DW/G. Rueter )
Wer zahlt für teuren Polizeieinsatz und ist verantwortlich für Eskalation? Bild: DW/G. Rueter

Für Energieökonomin Prof. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung macht die geplante Rodung auch energiewirtschaftlich keinen Sinn mehr. "Man braucht die Braunkohle nicht zur Versorgungssicherheit. Der Konzern könnte bis nächstes Jahr auch ohne den Tagebau im Hambacher Forst auskommen." Zudem würde ein schneller Kohleausstieg die Rodung "komplett hinfällig machen". Kemfert vermutet, dass RWE auf maximale Eskalation setzt, "um einerseits die Kohlekommission zum Platzen zu bringen und andererseits eventuell hohe Entschädigungszahlungen erpressen zu können". 

"Hambi bleibt!" - Deutschland und die Kohle

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion