Wald statt Kohle: Massenprotest am Hambacher Forst
6. Oktober 2018Einen Tag nach dem gerichtlich verfügten Rodungsstopp haben am Hambacher Forst bei Köln mehrere Tausend Menschen für den Erhalt des Waldes und den Kohleausstieg demonstriert. Die Veranstalter sprachen von 50.000 Teilnehmern; eine Polizeisprecherin wollte keine offiziellen Angaben machen. Unter wolkenlosem Himmel herrschte entspannte Festivalatmosphäre, die Polizei zeigte anders als in den vergangenen Wochen nur zurückhaltend Präsenz.
Die Demonstration war von den Behörden zunächst wegen Sicherheitsbedenken verboten worden. Das Verwaltungsgericht Aachen hob das Verbot jedoch am Freitag auf. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte ebenfalls am Freitag einen vorläufigen Rodungsstopp für den Hambacher Forst verfügt. Der Energiekonzern RWE wollte in den kommenden Monaten mehr als die Hälfte des verbliebenen alten Waldes fällen, um dort Braunkohle abbauen zu können.
Bei der Demonstration gehe es aber um viel mehr, sagte Michael Müller, Bundesvorsitzender der Naturfreunde Deutschlands. "Es geht um die Frage, ob wir die ökologische Selbstvernichtung der Menschheit verhindern können oder nicht. Wir wollen nicht nur den Kohleausstieg, sondern auch raus aus Öl und Gas." Es dürfe nicht sein, dass in ein paar Jahrzehnten gesagt werde: "Wir wussten, dass der Mensch den Klimawandel verursacht, aber wir haben nicht gehandelt."
Der gerichtlich verfügte Rodungsstopp sei "Rückenwind für die Arbeit in der Kohlekommission", sagte Greenpeace-Chef Martin Kaiser, der selbst Mitglied der Kohlekommission ist. "Wir haben in den letzten Wochen und Monaten einen friedlichen und bürgerlichen Protest gesehen, der immer größer wurde." Dies habe einerseits an den "Provokationen" von RWE gelegen, aber auch am Verhalten der Politik, die den Konflikt nicht moderiert, sondern eher "noch geschürt" habe.
An der Demonstration am Saum des Hambacher Forstes nahmen außer Umweltschützern auch Bauern aus dem Rheinischen Tagebaurevier teil. Sie fuhren mit ihren Traktoren laut hupend und unter Beifall von Demonstranten an dem Protest-Gelände vorbei. "Energiewende! Stoppt Braunkohle", stand auf Plakaten oder "Bauern gegen Kohle".
Der Hambacher Forst ist ein Wald im Kreis Düren in Nordrhein-Westfalen, von dem nur noch ein kleiner Teil erhalten ist. Ursprünglich erstreckte sich der sogenannte Bürgewald zwischen Köln und Aachen auf mehr als 4000 Hektar. Die noch erhaltenen rund 200 Hektar Waldfläche liegen im Einzugsbereich der Ortschaften Morschenich und Manheim, die dem Braunkohletagebau weichen müssen. Das Waldstück gilt als Symbol des Widerstands gegen den Kohleabbau.
Bis 2040 will RWE dort insgesamt 2,4 Milliarden Tonnen Braunkohle fördern. Insgesamt umfasst der Tagebau Hambach ein 85 Quadratkilometer großes Abbaufeld. Die Bezeichnung Hambacher Forst wurde ursprünglich nur für das direkt an den Ort Hambach angrenzende Teilstück verwendet. Es war das erste Waldgebiet, das für den Tagebau Hambach gerodet und dann zum Namensgeber der noch bestehenden Forstfläche wurde.
Nach der Genehmigung des Hauptbetriebsplans bis 2020 wollte die RWE Power AG eigentlich ab Mitte Oktober weitere Waldflächen roden. Die verbliebenen 200 Hektar sollten bis auf weniger als 100 Hektar abgeholzt werden. Das Oberverwaltungsgericht Münster stoppte die Arbeiten jedoch durch seine Entscheidung - so lange, bis über eine Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) rechtskräftig entschieden ist.
jj/hf (dpa, afp)