Warum die Aufregung? Man konnte es kommen sehen. Der Weltmeister nur ein Schatten seiner selbst. Behäbig, schludrig, ideenlos, anfällig. All das war die deutsche Nationalmannschaft in den Spielen der letzten sieben Monate. Nach einer WM-Qualifikation ohne echten Gegner in der Gruppe folgten seit November 2017 drei Unentschieden, zwei Niederlagen und ein sogar nur glücklicher Sieg gegen den Weltranglisten-67. Saudi-Arabien."Die Vorbereitung war nicht gut", sagt Löw heute - und untertreibt damit noch ziemlich. Die Auftaktpleite gegen Mexiko war die logische Fortsetzung dieser Entwicklung und das Schwedenspiel, sind wir mal ehrlich, fühlte sich auch nicht wirklich nach einem Sieg an. Das bittere WM-Aus in der Vorrunde ist nach zwei Pleiten in drei Gruppenspielen kein Zufallsprodukt, kein Pech und auch keine unglückliche Verkettung widriger Umstände. Es ist verdient. Und es ist der Schlusspunkt einer kontinuierlichen Talfahrt.
"Das letzte überzeugende Spiel, das wir abgeliefert haben, war im Herbst 2017. Das ist ein bisschen lange her", sagte Mats Hummels treffend nach einem Spiel, das den Tiefpunkt markiert. Das 0:2 (0:0) gegen Südkorea offenbarte die erschreckende Mittellosigkeit des deutschen Spiels. Keine Ideen, trotz großer Namen wie Kroos oder Özil. Keine Torgefahr, weil keiner der drei nominierten Stürmer Werner, Gomez und schon gar nicht Müller in Form war. Und keine Stabilität, weil selbst Leistungsträger wie Hummels, Boateng und Kimmich krasse Aussetzer produzierten. Und all das gegen, nun ja, mittelmäßige Gegner.
Die Selbstgefälligkeit des Champions
Mexiko und Südkorea rangen Deutschland nieder, gegen Schweden überstrahlte die Emotion des Last-Minute-Sieges die offenkundigen Schwächen. Das WM-Aus war nur noch eine Frage des Wann. Nun faseln manche Experten und Journalisten vom "Fluch des Titelverteidigers", weil vier der letzten fünf Weltmeister beim folgenden Turnier in der Vorrunde rausflogen. Was für ein Unsinn. Magie war sicher nicht im Spiel, niemand hat die deutsche Mannschaft verflucht, auszuscheiden. Was hingegen festzustellen ist: Selbstgefälligkeit. Die kämpferische Einstellung seines Teams habe gestimmt, so der Bundestrainer. Nein, hat sie leider überhaupt nicht, Herr Löw. Was für eine Fehleinschätzung.
Die Weltmeister wirkten satt, sicherlich auch von vielen Wettbewerben überspielt, aber vor allem nicht bereit für Neues. Deutschlands Weltmeister-Elf tappte damit in die gleiche Falle wie zuvor schon Frankreich, Spanien oder Italien. Das ist kein Fluch, sondern der mangelnde Wille zur Weiterentwicklung. Der Hunger auf Erfolg war gestillt und das Festhalten am Bewährten brachte nicht den erneuten Erfolg. Der Sieg einer jungen Mannschaft beim Confed Cup war ein Signal, das weitgehend überhört wurde. Die dort eingesetzte neue, hungrige Generation durfte sich bei der WM-Generalprobe brav zeigen, blieb zum WM-Auftakt dann aber außen vor. Talente wie Julian Brandt durften nur in der Schlussphase ran, andere wie Leroy Sané mussten ganz zuhause bleiben.
Löws Mittel sind erschöpft
Hinter all diesen Entscheidungen steht Löw, der auf Bewährtes setzte. "Ich muss die Verantwortung dafür übernehmen, klar." Ein Satz, dem man nur zustimmen kann. Natürlich ist es schwierig dem wohl erfolgreichsten Nationaltrainer Deutschlands Versagen vorzuwerfen, schließlich hat Löw Deutschland zwischen 2006 und 2016 als Co- bzw. Cheftrainer immer unter die besten vier Teams bei WM und EM geführt. Er hat sich damit viel internationale Anerkennung erarbeitet. Doch Löws Mittel sind nun erschöpft. Ihm ist es nicht gelungen, seine Mannschaft zu motivieren. Er konnte kein körperlich fittes Team an den Start bringen. Er fand in drei WM-Spielen keinen stimmigen Plan B. Auch wenn DFB-Präsident Reinhard Grindel sich beeilt, Löw nach dem Aus den Rücken zu stärken: Dies ist nicht der Zeitpunkt für ein 'Weiter so'. Die deutsche Nationalelf braucht einen Umbruch. Bei den Spielern, aber auch im Trainerstab. Götterdämmerung beim DFB.
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