Mit der Fahrt der Fregatte "Baden-Württemberg" durch den Indopazifik unterstreicht die Bundesregierung den Vorrang des internationalen Seerechts. Die Gewässer, durch die die Fregatte fahren soll, sind internationales Gewässer. Das gilt auch für die Straße von Taiwan, die zwischen dem chinesischen Festland und der demokratischen Inselrepublik verläuft. Bisher ist zwar nicht bekannt, ob die Fregatte die Meerenge tatsächlich passieren wird - aber bei einem internationalen Gewässer muss auch weder eine Erlaubnis eingeholt noch die Route vorab bekanntgegeben werden, so die Position der Bundesregierung.
Peking jedoch reklamiert Taiwan als Territorium der Volksrepublik. Mit den Philippinen hat die kommunistische Führung außerdem einen Streit um Teile des Südchinesischen Meeres losgetreten - und das, obwohl ein Schiedsgericht in Den Haag unterstrichen hatte, dass China keinerlei Anspruch auf dieses Weltmeer besitzt.
China ficht das nicht an. Unter Machthaber Xi Jinping wurden dort etliche künstliche Inseln aufgeschüttet und zu militärischen Stützpunkten gemacht. Xi Jinping erhebt Anspruch auf Territorium der Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres entlang der gängigen Schifffahrtsroute, die von der Straße von Malakka über die Straße von Taiwan bis nach Japan führt. Sein Ziel ist klar: Wenn China fremdes Territorium zu seinem eigenen macht, dann wäre das Meer an dieser Stelle kein internationales Gewässer mehr, sondern gehörte zur Volksrepublik China.
Machtgelüste nach Meeresstraßen
Es ist kein Geheimnis, dass Xi Jinping, der die chinesische Marine zur größten der Welt aufgerüstet hat, an der Hegemonial-Herrschaft der Volksrepublik über die Länder Asiens arbeitet. Wäre dieser Teil des Westpazifiks chinesisches Staatsgebiet, dann hielte Xi alle Zügel für diese Vorherrschaft in der Hand. Dazu muss er jedoch zuerst den Einfluss der USA und ihrer Verbündeten in dieser Weltregion zu brechen, allen voran Japan, Frankreich, England und Deutschland.
Peking verurteilt regelmäßig die völlig legale Durchfahrt von Militärfregatten durch die Taiwanstraße. Das bisher letzte Mal, als Berlin ein Marineschiff durch die Meerenge sandte, durfte die Fregatte zur Strafe nicht in Schanghai anlegen. Es steht zu erwarten, dass die Volksrepublik auch dieses Mal verschnupft auf eine Durchfahrt reagieren wird.
Der Indopazifik geht auch Europa an
Es sind vor allem die Japaner, die die Europäer in diesen Tagen daran erinnern, dass sie eine Verantwortung in der aus Europas Perspektive weit entlegenen Weltregion haben. Japans jüngst zurückgetretener Premierminister Fumio Kishida reiste eigens nach Kiew, um die Europäer der Solidarität Japans gegen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu versichern. Im Umkehrschluss verlangte der japanische Politiker, dass Europa die Gefahren in der Straße von Taiwan ernst nimmt und gemeinsam mit den Akteuren in der Region Peking von einem Angriff auf den Inselstaat abhält.
Mittlerweile sind Japan und Südkorea Gäste bei NATO-Zusammenkünften, Seoul positioniert sich zudem als Waffenexporteur. China fürchtet eigenen Worten zufolge eine "asiatische NATO". Ein solches formales Bündnis aber wird es nicht geben. Die USA sind mittlerweile Partner in vielen kleineren Übereinkünften und helfen in jedem Land mit militärischer Ausbildung und mit Waffen.
Aus Washingtons Sicht ist das die Zukunft des US-amerikanischen Engagements in Asien. Die Staaten der Region müssen gemeinsam das Ihrige tun, um sich gegen ein übermächtiges China zu vereinen. Die Philippinen haben die USA gebeten, vier neue Basen auf ihrem Territorium zu beziehen. Im Ernstfall setzen die Partner Washingtons darauf, dass die USA helfen, sie zu verteidigen.
Damit es zu solchen Szenarien überhaupt nicht erst kommt, ist eine Fahrt der deutschen Fregatte "Baden-Württemberg" und des sie begleitenden Versorgungsschiffs "Frankfurt am Main" durch die Taiwanstraße das richtige Signal der Unterstützung für die bestehende internationale Ordnung.
Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Adjunct Professor an der Gallatin School der New York University, wo er Demokratietheorie unterrichtet. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die Demokratien in Asien bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und den Universitäten von Cambridge und Oxford inne. Alexander Görlach lebt in New York und in Berlin.