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PolitikChina

Görlach Global: Asiens Bündnisse - bedrohlich für China?

Alexander Görlach
16. Juli 2024

Die Stimmung zwischen der NATO und China ist nicht erst seit dem Jubiläums-Gipfel eingetrübt. Denn auch asiatische Länder wie Taiwan oder Japan setzen auf Allianzen - wenn auch auf kleinere, meint Alexander Görlach.

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Kasachstan I Gipfeltreffen in Astana - Vladimir Putin und Xi Jinping
Der russische Präsident Vladimir Putin und Chinas Staatspräsident Xi Jinping im Oktober 2023 - ist China ein "Enabler"? Bild: Sergei Guneev/Pool/Sputnik/REUTERS

Während der Feierlichkeiten zum 75. Geburtstag der NATO in Washington, kritisierten alle 32 Mitglieder der Allianz in einer gemeinsamen Erklärung zum ersten Mal China als mitverantwortlich für Russlands Krieg gegen die Ukraine. In ihrer Erklärung nannten die Politikerinnen und Politiker das Regime von Xi Jinping den "Ermöglicher” der anhaltenden Kreml-Invasion. Peking, so die Vertreter der NATO-Staaten weiter, könne nicht weiter damit rechnen, diesen Krieg zu unterstützen und gleichzeitig ein wichtiger Handelspartner der Europäer bleiben zu können.

Präsident Xi Jinping hat kurz vor dem Überfall Wladimir Putins auf die Ukraine Ende Februar 2022 eine "no limits”-Freundschaft mit ihm ausgerufen. Der kann sich seitdem sicher sein, dass die Volksrepublik seinen Krieg am Laufen hält. Zum einen nimmt China dem russischen Regime Gas und Öl billig ab, so dass Putin Geld in die Kasse gespült wird. Zum anderen liefern chinesische Firmen alles, was Moskau zu Hause in Waffen ein- oder zu Kriegsgerät zusammen bauen kann. Ohne China, so das Fazit der NATO-Partner, könnte Putin seinen Krieg nicht führen.

Russlands Propaganda auch in China 

Auch auf diplomatischem Parkett erhält Moskau maximale Unterstützung aus Peking. So übernehmen die Regierungsstellen Chinas Russlands Propaganda, behaupten, dass die NATO den Krieg begonnen habe und fordern, wie der Kreml, dass die Ukraine bereit sein müsse, auf Territorium zu verzichten. Zudem kommt Putin die Terror-Allianzen Xis mit Nordkorea und Teheran zu Gute. Auch von dort werden, im Schulterschluss mit der Pekinger Diktatur, Drohnen und Munition an die Front in der Ukraine geliefert.

NATO will engere Beziehungen mit Partnern im Indopazifik

Die Stimmung zwischen NATO und China ist schon eine Weile eingetrübt. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass asiatische Länder wie Taiwan, Südkorea, Japan und die Philippinen sich gegen die zunehmende Aggression und militärische Bedrohung Pekings durch gefestigte Allianzen mit der freien Welt, zu der die Demokratien Asiens auch gehören, schützen wollen. Vertreter Japans und Korea waren deshalb bei den jüngsten NATO-Zusammenkünften auch als Freunde und Beobachter eingeladen.

Aus Peking kam prompt laustarke Empörung, dieses Mal aber wohl kalibriert und wesentlich weniger martialisch als in der Vergangenheit bei anderen Anlässen. Der Grund dafür: China muss zunehmend einsehen, dass es sich im Systemstreit mit der freien Welt zu verheben droht. Extrazölle auf Batterien, Solarpanels und Elektroautos als Antwort auf Pekings wettbewerbsverzerrenden Subventionspraktiken wurden zuerst von der Kommunistischen Partei mit scharfen Drohungen zurückgewiesen. Wenig später allerdings ließ Peking Gesprächsbereitschaft entdecken. 

Kleine Allianzen im asiatischen Raum

Peking behauptet, dass die NATO eine Expansion in Asien plane. Wahr ist, dass alle Länder Asiens, die von China bedroht werden, sich untereinander und mit der freien Welt besser militärisch vernetzen wollen. Es gibt in dieser Weltregion mittlerweile etliche kleine, wendige Bündnisse und Allianzen, die sich, so sieht es im Moment aus, nicht zu einem großen Monolith zusammenwürfeln lassen wollen. Diese "mini-laterals” existieren zwischen Ländern wie Indien und Japan, Australien und Amerika, oder regionalen Playern wie Korea und Japan.

Porträtaufnahme von DW-Kolumnist Alexander Görlach
DW-Kolumnist Alexander GörlachBild: Hong Kiu Cheng

Aber Xi und seine Nomenklatura sehen eine Möglichkeit, von ihrem Tun abzulenken, indem sie die NATO für ihre zunehmende Aggression verantwortlich machen. Dies könnte bereits ein Hinweis darauf sein, wie die Volksrepublik ihre Angriffskriege in Asien in der Zukunft rechtfertigen wird. Jüngst soll der Machthaber bei einem Termin allerdings gesagt haben, dass einen Krieg gegen Taiwan zu beginnen, bedeutete würde, "in die Falle der Amerikaner zu gehen”. Auch diese Aussage lässt sich in Richtung deuten, dass man den Konflikt mit der freien, demokratischen Welt nicht über die Gebühr anheizen und das Verhältnis strapazieren will, da man diese Länder als Handelspartner und Absatzmärkte braucht. 

Spaltung der westlichen Welt ist nicht gelungen 

Vielleicht hat Peking nun seine Strategie auch etwas modifiziert, weil der ursprüngliche Plan, US-Amerikaner und Europäer über der Ukraine-Frage zu spalten, nicht aufgegangen ist. Auch wenn Peking in Ungarn und Serbien Vasallenstaaten etabliert hat, deren politische Führung Peking hörig sind, ist es Peking nicht gelungen, die freie Welt grundsätzlich zu spalten. Im Gegenteil, das Tun der KP hat im Gegenteil zu mehr Zusammenhalt und einem neuen Schulterschluss der Demokratien geführt. 

Doch Peking hat einen langen Arm und ist jederzeit in der Lage, wieder auf mehr Konfrontation umzuschalten, sollte sich die Führung davon versprechen, ihrem Ziel einer exklusiven, globalen Führungsrolle näher zu kommen. Im Moment jedoch muss Peking reagieren, um weitere Zölle oder gar Sanktionen abzuwenden. Ob und wie das vonstatten gehen soll, ist noch unklar. Bisher hat die Volksrepublik keine Schritte unternommen, die darauf hindeuten, dass die Volksrepublik plant, ihr Engagement für Putins Kriegsmaschine aufzugeben. 

Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Adjunct Professor an der Gallatin School der New York University, wo er Demokratietheorie unterrichtet. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die Demokratien in Asien bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und den Universitäten von Cambridge und Oxford inne. Alexander Görlach lebt in New York und in Berlin.