EZB: Vom Euro-Retter zum Klimaretter?
15. Dezember 2020Milliardensummen hat die Europäische Zentralbank (EZB) in die Märkte gepumpt, um Staaten aus der Schuldenkrise zu retten. Nun sorgt die Corona-Pandemie für weitere Geldspritzen. Erst am vergangenen Freitag haben die Währungshüter beschlossen, ihr Pandemie-Anleihekaufprogramm auf insgesamt 1,85 Billionen Euro aufzustocken. Dieses Geld fließt durch die Adern unseres globalen Finanzsystems. Dort wo es ankommt, belebt und kräftigt es; dort wo es nur vorbeifließt, fehlt die Kraft.
Damit hat die EZB einen enormen Einfluss auf die Struktur unseres Finanz- und Wirtschaftssystems. Und so fordern Klimaschützer immer wieder, diese Geldpolitik als Hebel zu nutzen, um den Klimaschutz voranzutreiben.
Sich für das Klima engagieren, möchte auch Christine Lagarde, die Präsidentin der EZB.
Mandat der EZB: Preisstabilität
Die Frage ist nur: Darf sie das überhaupt? Und wenn ja, wie wirksam wären die Maßnahmen? "Man muss sich schon vor Augen führen, dass eine Zentralbank wie die EZB über unendlich viele Mittel verfügt. Die darf aber nicht machen, was sie will," betont Bert Van Roosebeke vom Centrum für Europäische Politik. "Die Notenbanken sind unabhängig und dürfen nur innerhalb ihres Mandats agieren."
Die zentrale Aufgabe der EZB ist die Wahrung der Preisstabilität, das heißt, sie muss dafür sorgen, dass die Inflation in einem bestimmten Rahmen bleibt. Darüber hinaus muss sie für Stabilität an den Finanzmärkten sorgen und darf eingeschränkt die Wirtschaftspolitik der EU unterstützen.
Christine Lagarde argumentiert, der Klimawandel würde die Preisstabilität und das Finanzsystem bedrohen. Also müsste er auch bei der Geldpolitik der EZB berücksichtigt werden. Wirtschaftsexperten sehen diese Haltung zum Teil sehr kritisch, je nachdem welche Maßnahmen betroffen sind.
Klimawandel in theoretischen Modellen berücksichtigen
Es gibt verschiedene Stellen, an denen eine grüne Geldpolitik ansetzen könnte. Wohl keinen Widerstand gibt es bei der Idee, dass die EZB künftig Klimarisiken in ihren theoretischen Modellen stärker berücksichtigt, meint Benjamin Born von der Frankfurt School of Finance & Management. Solche Modelle dienen dazu, die Realität zu beschreiben und das Handeln der EZB daran auszurichten.
"Wenn die EZB die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken für das Finanzsystem ernst nimmt, für eine Offenlegung sorgt und für eine Implementierung in die Risiko-Modelle sorgt, dann hätte das eine enorme Ausstrahlungs-Wirkungen auf das gesamte Finanzsystem", glaubt Mauricio Vargas, Finanzexperte der Umweltschutzorganisation Greenpeace.
Soll das Anleihenkaufprogramm grüner werden?
Eine andere Möglichkeit wäre, das Anleihenkaufprogramm der EZB grüner zu machen. Bislang hat die EZB Anleihen in den Anteilen gekauft wie sie am Markt vorhanden sind, um marktneutral zu bleiben. Nach einer Studie von Greenpeace kommen die Unternehmensanleihen im Portfolio der EZB zu mehr als 60 Prozent aus Sektoren, die mit ihrem CO2-Ausstoß massiv zur Klimakrise beitragen.
Klimaschützer fordern, dass die EZB künftig bevorzugt grüne Anleihen kauft, also solche von klimafreundlichen Unternehmen. Die Logik dahinter: Durch die Nachfrage der EZB würde der Preis grüner Anleihen steigen und es wäre für die Unternehmen leichter, sich über die Ausgabe neuer Anleihen zu finanzieren. Damit würde grünes Wirtschaften belohnt. Vargas ist überzeugt, "der bevorzugte Erwerb von klimafreundlichen Anleihen könnte die ökologische Transformation unserer Wirtschaftsordnung beschleunigen."
Wirksamkeit umstritten
Es gebe aber viel Kritik hier anzusetzen, sowohl in Ökonomenzirkeln als auch zwischen Ökonomen und Politikern und mit der EZB selber, sagt Born. Außerdem: "Es ist gar nicht klar, wie wirksam das am Ende sein wird." Der Großteil der Anleihen, die im Moment von der EZB gekauft werden, seien Staatsanleihen. Die Unternehmensanleihen würden nur einen kleinen Teil der Käufe ausmachen, so Born. Bei den Staatsanleihen habe man aber keinen Einfluss darauf, wie grün sie sind, sagt selbst Christine Lagarde: "Es ist Sache der Regierungen, zu entscheiden, wie sehr sie dasPariser Abkommen, das sie unterzeichnet haben, respektieren oder einhalten wollen."
Zudem befürchtet Jan Pieter Krahnen von der Goethe-Universtität Frankfurt: Wenn grüne Anleihen durch die EZB vermehrt gekauft werden, steigt deren Preis und braune Anleihen, also nicht-klimafreundliche Anleihen würden günstiger werden. Das könnte andere Investoren dazu treiben, bei braunen Anleihen zuzugreifen. "Da hat man dann nur ein Tausch der Investoren, aber noch lange keinen Preis-Effekt", so Krahnen.
Hinzu kommt, dass der Markt der grünen Anleihen nur etwa fünf Prozent des ganzen Anleihemarktes ausmache, ergänzt Krahnen. Und davon hält die EZB im Moment um die 20 Prozent. Dementsprechend klein ist der Hebel.
Sicherheiten von Banken müssen grün werden
Ein weiterer möglicher Ansatzpunkt für die EZB ergibt sich aus ihrer Aufgabe, große Banken zu beaufsichtigen. Die Zentralbank könnte künftig Banken verpflichten, Klimarisiken bei der Vergabe von Krediten an Unternehmen stärker zu berücksichtigen. Das könnte auch nötig sein, um die Finanzstabilität zu sichern. Wenn die Energiewende weiter vorangetrieben wird, könnte das die Existenz beispielsweise von der Kohleindustrie gefährden. Haben Banken Anleihen dieser Unternehmen als Sicherheit, verlieren diese an Wert.
Ein Hebel für mehr Kilmaschutz könnte sich auch aus der Aufgabe der EZB ergeben, die Banken mit Geld zu versorgen. Im Gegenzug für Geld geben die Banken der EZB Sicherheiten, beispielsweise Anleihen von Staaten oder Unternehmen. "Auch da könnte die EZB sagen, wir wollen das innerhalb dieser Gruppe an Sicherheiten auch ein Prozentsatz an grünen Anleihen dabei ist, welche die Größe des Marktes abbildet", sagt van Roosebeke. "Auch das kann durchaus einen Einfluss haben."
Bislang ist das Hauptkriterium der Sicherheiten, die die EZB akzeptiert, wie hoch ihr Ausfallrisiko ist. "Das wird von Ratingagenturen bewertet. Bisher gehen Klima-Risiken nicht mit ein, in diese Ratings." erklärt Born. Und auch hier könnte die EZB sagen, sie akzeptiert nur noch Ratings die Klimarisiken ausreichend beachten.
Demokratische Legitimierung nötig
Viel Kritik an grüner Geldpolitik gibt es auch, weil die EZB keine demokratische Legitimierung hat. Wenn sie aber grüne Anleihen bevorzugt, entscheidet sie damit auch, welchen Unternehmen das Leben leichter gemacht wird. Und das sei eine Entscheidung, die in der Politik gefällt werden müsste.
Born gibt außerdem zu bedenken, dass die EZB ja irgendwann auch noch weitere Ziele verfolgen könnte. Vielleicht sind das irgendwann aber Ziele, die keinen breiten Konsens mehr finden. Wo ist dann die Grenze, was die Geldpolitik unterstützen soll und was nicht? Über demokratische Wahlen kann die Bevölkerung keinen Einfluss auf die EZB nehmen.
Für Klimaschützer gilt trotzdem: Jeder muss ran. So fordert Vargas von Greenpeace, alles müsse getan werden, was dem Klima hilft: "Die Dramatik der Klimakrise ist groß genug, als dass wir uns nicht darauf verlassen können, dass nur ein politischer Player hier seine Hausaufgaben macht. Es ist völlig klar, dass die Hauptaufgabe und die Hauptverantwortung in der in der Politik liegt. Und hier müssen auch weitere Fortschritte erzielt werden. Aber die historische Herausforderung geht alle Institutionen an."
Bis zum Sommer nächsten Jahres überprüft die EZB ihre geldpolitische Strategie und damit auch die Frage, ob und wie sie Klimaschutz in ihrer Politik berücksichtigen wird.