Warum sollen Zentralbanken unabhängig sein?
21. August 2018Eine Zentralbank zu haben, ist eine feine Sache: Sie reguliert den Geldstrom, sie kann das Geld mit verschiedenen Instrumenten billiger oder teurer machen, kurz: Sie ist eine mächtige Institution im Staate. Das wissen auch Regierungen. Deswegen haben oder hätten sie gerne einen Fuß in der Tür oder am besten den Daumen fest oben drauf.
Denn wenn eine Zentralbank beispielsweise ein halbes Jahr vor einer Wahl die Zinsen senkt, könnte das zum einen die Wirtschaft stimulieren. Zum anderen wäre im Ergebnis mehr Geld vorhanden, die Zinsen würden fallen - und damit ließen sich einfacher Staatsausgaben finanzieren. Geldgeschenke vor der Wahl: Ein Traum vieler Politiker. Donald Trump gehört offenbar dazu.
Ein abschreckendes Beispiel
Übrigens ist das in der Vergangenheit oft geschehen. Eines der dunkelsten Beispiele bildet Deutschland nach 1933. Da hat die Zentralbank im sogenannten Dritten Reich unter politischer Führung dabei geholfen, aufzurüsten und den Krieg zu finanzieren. Abgesehen von solchen Extrembeispielen könnte man einwenden: Dann sollte man die Geldgeschenke doch annehmen - schließlich kommen sie dann ja indirekt den Bürgern zu Gute.
Das mag im Einzelfall stimmen. Im Allgemeinen aber steigt bei einem solchen Eingriff auch die Inflation, die Preise steigen also - und das müssen Bürger dann auch bezahlen. Zudem ist der so erzeugte konjunkturelle Aufschwung meist nicht von Dauer, er entpuppt sich als das, was er ist: ein Strohfeuer.
Wo bleibt die Preisstabilität?
In der Türkei verhält sich die Lage zwar anders, ein Problem aber ist ähnlich: Dort galoppiert die Inflation geradezu, was das Leben der Menschen verteuert. Die Zentralbank könnte mit höheren Zinsen gegensteuern - und würde damit mutmaßlich auch ziemlich effektiv den Verfall ihrer Währung stoppen. Doch das will Erdogan nicht, weil das das Wachstum der Wirtschaft bremsen würde.
"In der Türkei kommt gerade das Ziel der Preisstabilität unter die Räder", sagt der Wirtschaftswissenschaftler und Zentralbankexperte Volker Wieland von der Universität in Frankfurt. "Erdogan versucht, die Wirtschaft weiter anzuschieben, doch das führt zu hoher Inflation und die Währung stürzt ab".
Unabhängigkeit als Grundbedingung
Negativ-Beispiele dieser oder ähnlicher Art haben bei fast allen wichtigen Zentralbanken auf der Welt zu der Einsicht geführt, dass die Notenbank politisch unabhängig sein sollte. Einer der Grundsteine übrigens für die Zustimmung Deutschlands zu einer europäischen Währungsunion war, dass alle Partnerländer die Kontrolle der Zentralbanken aufgeben müssten. Die Europäische Zentralbank ist das Ergebnis dieses Prozesses. Deren Kernaufgabe ist die Wahrung von Preisstabilität - wie das die Aufgabe fast aller unabhängiger Zentralbanken auf der Welt ist. Und die meisten Zentralbanken haben definiert, dass Preisstabilität bei einer Inflation von rund zwei Prozent erreicht sei.
Wichtig: Größtmögliche Transparenz
Kritiker haben allerdings ein paar Einwände gegen die theoretische oder auch reale Unabhängigkeit von Notenbanken. Zum einen ist eine politisch unabhängige Zentralbank definitionsgemäß nicht durch die Politik zu kontrollieren. Was nun, wenn eine Zentralbank schlechte Geldpolitik betreibt, die sich extrem negativ auf die Wirtschaft auswirkt? Das Schwert der Unabhängigkeit ist zweischneidig.
Zum anderen: Heißt unabhängig dann auch unabhängig von demokratischer Kontrolle? Nicht ganz: "Solange Notenbanken innerhalb ihres Mandats bleiben, ist das kein Problem. Denn dieses Mandat - also das Ziel, das die Notenbank verfolgen soll - hat ja das Parlament festgelegt", sagt Volker Wieland. Zudem erklären beispielsweise die Europäische Zentralbank, die amerikanische Fed, oder auch die Bank of Japan ihre Entscheidungen öffentlich.
Immer nahe an zwei Prozent!
Natürlich schützt das nicht vollends davor, trotzdem in den Verdacht der politischen Abhängigkeit zu geraten. Auch hier gibt es ein sehr aktuelles Beispiel. Denn Kritiker, die vor allem in Deutschland häufig anzutreffen sind, werfen der Europäischen Zentralbank Staatsfinanzierung - sozusagen durch die Hintertür - vor.
In der Tat haben Nullzinsen und die Geldflut durch das Anleihekaufprogramm der EZB dazu geführt, dass die Zinsen für Staatsanleihen der europäischen Staaten sehr niedrig sind. Das hilft ihnen, die teilweise schweren Schulden zu schultern und macht eine Neuverschuldung einfacher.
Auf diesen Einwand gibt Mario Draghi selbst, Chef der Europäischen Zentralbank, alle sechs Wochen die fast gleich lautende Antwort: Das Ziel und Mandat der EZB sei es, für Preisstabilität zu sorgen, wiederholt er ziemlich gebetsmühlenartig. Und die läge leicht unter, aber jedenfalls nahe zwei Prozent.
Dieser Artikel stammt vom 14.08.2018 und wurde aktualisiert.