Fragwürdige Gastgeber China und Katar
18. Januar 2022Am 4. Februar beginnen die Olympischen Winterspiele in China. Wird die Welt dann wirklich zu Gast bei Freunden sein? So sollen alle für die Spiele Registrierten ihre Gesundheitsdaten in einer App auf ihrem Smartphone dokumentieren, die der autokratischen Führung der Volksrepublik allerlei Möglichkeiten bietet, ihre Gäste auszuspionieren. Im Zuge der Corona-Pandemie hat die Führung der Kommunistischen Partei die Überwachung der eigenen Bevölkerung bereits verfeinert und es steht zu erwarten, dass es die Spielräume der Menschen in China, ungeachtet von berechtigten Interessen einer Seuchen-Bekämpfung, weiter einschränkt.
Die Diktatur in Peking hat die Pandemie auch genutzt, um Hongkong seiner freien Wahlen zu berauben und jede demokratische Regung in dem einstmals autonomen Stadtstaat unter drakonische Strafen zu stellen. In der Pandemie hat Peking auch sein militärisches Engagement im Westpazifik ausgeweitet.
Verfehlte Wahl des Austragungsortes
Frieden und Harmonie, die Ideale der Olympischen Spiele, interessieren Xi Jinping, Chinas Machthaber auf Lebenszeit, nicht. Von daher stellt sich die Frage, ob die Wahl des Austragungsortes nicht von vorne herein verfehlt war. Bereits 2008 standen die Sommerspiele in der Volksrepublik unter besonderer Beobachtung. Gleichwohl war China damals auf dem Weg einer Öffnung. Xi Jinping hat aber, seit er 2011 das Ruder übernommen hat, das Land in eine gleichgeschaltete Diktatur verwandelt, die es zuletzt unter Mao Zedong gewesen ist. Mao ist nicht ohne Grund Xis großes Vorbild.
Die Vereinigten Staaten haben bereits vor Wochen beschlossen, keine Diplomaten in die Volksrepublik zu entsenden, um dem Sportereignis nicht den Glanz normaler Spiele zu verleihen. Diesem Vorgehen schließen sich auch Großbritannien, Australien, Neuseeland und Litauen an. Der kleine baltische Staat wird vom großen China für sein Eintreten für Würde und Menschlichkeit mit Füßen getreten. Doch kein großer europäischer Nachbar springt dem Freund bei.
Die Bundesrepublik, deren neue Außenministerin Annalena Baerbock noch vor Amtsantritt erklärt hatte, China künftig härter anzufassen, versucht sich nach wie vor im Leisetreten. Genauso wie bei der Richtungsentscheidung gegen Installationen des chinesischen Telekommunikationsriesen Huawei in der freien Welt, bei der Frankreich, Großbritannien und die USA an einem Strang zogen, Deutschland sich aber vornehm heraushielt, hofft Berlin nun wieder, durch Nichtstun die Wächter des mächtigsten Absatzmarktes der Welt zu umgarnen.
Gewisse Dinge schließen einander aus
Dieses Verhalten ist jenem im Bezug auf die Fußball-WM in Katar in diesem Jahr nicht unverwandt. Die Sportwelt hat noch nicht den Erkenntnisschritt vollzogen, dass gewisse Dinge einander ausschließen: Ein Sportfest des Friedens und der Harmonie, das die Gleichheit aller in der Menschheitsfamilie feiert, kann nicht an einem Ort ausgetragen werden, wo Millionen Menschen ihrer Rechte beraubt sind, so wie in China und in Katar.
Die deutsche Wirtschaft in Gestalt des Bundesverbands der Deutschen Industrie ist hier seit ein paar Jahren klüger: Die Veränderungen in China vor Augen machte der Verband die Bundesregierung darauf aufmerksam, dass der freien Wirtschaft in China ein Gegner erwachsen ist, der weder fair noch nach Recht und Gesetz spielen mag. Der organisierte Sport aber, ein weltweites Milliardengeschäft, fürchtet um die Einnahmen aus Werbe- und TV-Verträgen. Immer wieder betonen seine Vertreter deshalb, dass Politik und Sport nichts miteinander zu tun hätten. Im antiken Griechenland allerdings griffen Politik und Spiele sehr wohl ineinander: Olympia war ein Zeitpunkt für Amnestie, Vertrags- oder Friedensschluss.
Selbstverständlich, so kann man einwenden, ist der Effekt eines solchen diplomatischen Boykotts überschaubar - gerade in der Pandemie. Zumal die chinesische Führung bereits angekündigt hat, dass es Pandemie-bedingt ohnehin keine Zuschauenden bei den Spielen geben wird. Doch künftig sollten Olympische Spiele oder Weltmeisterschaften - alle jene Sportveranstaltungen, die sich der Gleichheit und Fairness verschreiben - künftig nur noch in Demokratien stattfinden. In Ländern also, die die Ideale des Sports auch tatsächlich verkörpern.
Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs, Research Associate am Internet Institut der Universität Oxford und Honorarprofessor für Ethik und Theologie an der Leuphana Universität. Der promovierte Linguist und Theologe arbeitet zu Narrativen der Identität, der Zukunft der Demokratie und den Grundlagen einer säkularen Gesellschaft. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die freie Welt bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und der Universität von Cambridge inne. Von 2009 bis 2015 gab er als Chefredakteur das von ihm gegründete Magazin "The European" heraus.