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PolitikAsien

Wahlen in Hongkong, die keine mehr waren

Alexander Görlach
21. Dezember 2021

Die Demokratie in der früheren britischen Kronkolonie ist Geschichte, seit Peking dort mit dem sogenannten "Sicherheitsgesetz" die Macht übernommen hat. Jetzt wurde das vor der Welt bewiesen, meint Alexander Görlach.

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Zitattafel | Prof. Dr. Alexander Görlach | Hongkong

Am Sonntag durften die Hongkonger offiziell das Ableben ihrer Demokratie bestätigen und Peking-treue Vasallen in die gesetzgebende Kammer der Stadt wählen. Doch viele Menschen in Hongkong wollten Pekings Vorgehen nicht adeln und nur wenige erschienen in den Wahllokalen. Mit der historisch niedrigsten Wahlbeteiligung von nur knapp 30 Prozent kann die Kommunistische Partei Chinas nicht gerade frohlocken, dass ihr Vorgehen bestätigt worden sei.

Und so spielt Peking seine Niederlage auch klein: Die Wahlbeteiligung sei nicht wirklich entscheidend. Diese Reaktion mag nicht verwundern, kommt sie doch aus einem Land, in dem es seit Gründung der Volksrepublik 1949 keine freien Wahlen gegeben hat.

Der "Vater der Demokratie" in Haft

Bei den letzten echten Wahlen in Hongkong im November 2019 lag die Wahlbeteiligung bei 71,2 Prozent. Bei diesen Lokalwahlen gingen 17 der 19 Distrikte der Stadt an das Demokratielager. Damit wurden Peking und seine Handlangerin in Hongkong, Carrie Lam, maximal abgestraft. Schon damals war klar, dass Peking diesen Gesichtsverlust nicht auf sich sitzen lassen würde.

Hongkongs Verwaltungschefin Carrie Lam wirft ihren Stimmumschlag in eine blaue Wahlurne. Die Wand im Hintergrund voller Plakate, die für die Wahl am 19. Dezember werben.
Maximal abgestraft - Carrie Lam gibt ihre Stimme bei den nur pseudo-demokratischen Wahlen abBild: Tyrone Siu/REUTERS

Im Zuge der COVID-Pandemie wurde die auf den September 2020 angesetzte Wahl mehrmals verschoben, bis sie letztlich am vergangenen Sonntag stattfanden. Bereits im April 2020 wurden bedeutende Vertreter des Demokratielagers verhaftet, darunter der weltweit bekannte junge Aktivist Joshua Wong und Martin Lee, ein über 80-jähriger Jurist, der an der Verfassung Hongkongs, dem Basic Law, das 1997 in Kraft trat, mitgeschrieben hatte. Er wird in Hongkong als "Vater der Demokratie" verehrt. Seine Verhaftung sollte die Menschen maximal einschüchtern.

Haft für historisches Gedenken

Gleich darauf, Ende Juni 2020, wurde demokratisches Denken und Handeln in der Stadt unter Strafe gestellt: Unter dem sogenannten "Sicherheitsgesetz" ist es Hongkongern seitdem bei hohen Strafen verboten, sich politisch in anderer Weise zu betätigen, als Peking das wünscht. Auch Ausländer, die Peking nicht passen, können nun jederzeit in Hongkong verhaftet und in China einem Richter vorgeführt werden.

Pünktlich zum Wahltermin wurde dann Jimmy Lai, ein bekannter Medienunternehmer, zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er eine Veranstaltung zum Gedenken an das Massaker, dass die Kommunistische Partei 1989 in Peking angerichtet hat, organisiert und an ihr teilgenommen hat. Bis zur Machtergreifung Pekings in Hongkong, die in Gestalt des sogenannten "Sicherheitsgesetzes" kam, war ein Gedenken an die Studentenproteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens erlaubt. Bei deren Niederschlagung haben die Machthaber damals möglicherweise bis zu 10.000 Menschen töten lassen. Das angebliche "Sicherheitsgesetz" stellt dieses Gedenken unter Strafe, denn in China ist es verboten, über die Gräuel der KP zu sprechen.

Jimmy Lai vor einer der großen Maschinen, auf der Zeitungen gedruckt, geschnitten und gefaltet werden
Jimmy Lai - eine der starken Stimmen für die Demokratie in Hongkong, muss sich immer wieder vor Gericht verantwortenBild: Alex Hofford/dpa/picture-alliance

Peking ist in Hongkong moralisch disqualifiziert

Das einzige, was den Hongkongern in ihrer hoffnungslosen Misere geblieben ist, war die "Wahl" am Sonntag zu boykottieren. Peking wollte nur echte "Patrioten" auf den Wahllisten, die bei den freien Wahlen im November 2017 allesamt noch abgestraft worden waren. Doch selbst diese "Patrioten" fürchteten nun, dass ihr Wahlsieg moralisch nicht anerkannt werde und halfen daher aus Eigeninteresse, einige Kandidaten des demokratischen Lagers zumindest pro forma auf die Wahllisten zu hieven. 

Peking ist in Hongkong moralisch disqualifiziert. Trotzdem hält Xi Jinpings Terrorstaat die ehemals semi-autonome Handelsmetropole inzwischen fest im Griff. In der Zentrale der Diktatur wird man nicht müde zu behaupten, dass China eine bessere Demokratie sei als die USA. Das ist trotz des furchtbaren Zustands, in den die Republikanische Partei das politische System der USA gebracht hat, falsch.

Für Hongkong ist festzuhalten, dass die Mehrheit des Volkes nicht zu den angeblichen Wahlen erschienen ist und nicht abgestimmt hat. Pekings Vasallen, die nun in der Gesetzgebenden Kammer Demokratie vorgaukeln, haben keine demokratische Legitimation.


Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs, Research Associate am Internet Institut der Universität Oxford und Honorarprofessor für Ethik und Theologie an der Leuphana Universität. Der promovierte Linguist und Theologe arbeitet zu Narrativen der Identität, der Zukunft der Demokratie und den Grundlagen einer säkularen Gesellschaft. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die freie Welt bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und der Universität von Cambridge inne. Von 2009 bis 2015 gab er als Chefredakteur das von ihm gegründete Magazin "The European" heraus.