Mexiko: Freies Kiffen gegen die Drogenmafia
19. März 2021Cannabis anbauen, verkaufen und konsumieren - so richtig legal ist das bislang weltweit nur an wenigen Orten, etwa in Kanada, Uruguay und in einigen US-Bundesstaaten.
Nun soll auch Mexiko hinzukommen - das gleichzeitig ein wichtiger Player auf dem globalen Cannabis-Schwarzmarkt ist. Die Abgeordnetenkammer stimmte vergangene Woche für einen entsprechenden Gesetzesentwurf - es gilt als wahrscheinlich, dass auch der Senat zustimmen wird. Denn dieser hatte das Gesetz im November schon einmal verabschiedet, wegen einiger Änderungen musste es nun erneut durch die Instanzen.
Während konservative Parlamentarier Bedenken geltend machten, dass der Konsum und die Abhängigkeit steigen könnten, sprachen Befürworter der Entkriminalisierung von einem Schritt Richtung Frieden.
Politik der Verbote gescheitert
Denn Mexiko ist seit vielen Jahren von Gewalt rund um den sogenannten Drogenkrieg gebeutelt, einem Konflikt zwischen dem Staat einerseits und den Drogenkartellen anderseits, die sich wiederum auch untereinander bekämpfen. Seit 2006 sollen bereits mehr als 300.000 Menschen im mexikanischen Drogenkrieg getötet worden sein. In manchen Landesteilen haben die Kartelle faktisch die Kontrolle übernommen und korrupte Sicherheitskräfte, Politiker und Geschäftsleute sind vielerorts mit dem organisierten Verbrechen verbandelt.
Die Bilanz nach 15 Jahren des Militäreinsatzes im Inland und des harten Bestrafens von Drogenkriminalität ist ernüchternd: Die Geschäfte der Kartelle florieren, ihre Macht ist ungebrochen. Immer lauter werden deshalb die Forderungen nach einem Politikwechsel. In diesem Zusammenhang taucht auch immer wieder die Idee auf, "weichere" Drogen wie Cannabis zu legalisieren - um so dem organisierten Verbrechen die Geschäftsgrundlage zu entziehen.
Kein Gamechanger
Doch so einfach ist es leider nicht. Zwar ist Mexiko einer der größten Produzenten und Lieferanten der weltweit meistgenutzten Droge Cannabis. Doch auch andere Substanzen wie Kokain, Heroin und Metamphetamine sind lukrative Einnahmequellen für die kriminellen Banden. Und nicht nur das. "Bei den großen mexikanischen Kartellen handelt es sich um transnationale Konzerne, die über den Drogenhandel hinaus noch viele, viele andere Tätigkeitsfelder haben", erklärt Ökonom und Jurist Edgardo Buscaglia, der die Strukturen der Kartelle schon lange untersucht.
Dazu würden etwa Menschenhandel, Waffenschmuggel, Raub oder Dokumentenfälschung gehören - aber auch zahlreiche legale Geschäfte. So sollen Mexikos Kartelle nicht unbedeutend am Handel mit Avocados oder anderen Gütern mitverdienen.
Buscaglia, der an der Columbia University in New York City forscht und regelmäßig Regierungen und internationale Organisationen berät, ist überzeugt: "Die Legalisierung von Cannabis wird keinen Einfluss auf das organisierte Verbrechen haben. Und selbst wenn noch weitere Drogen hinzukämen, gäbe es immer noch genug andere Einnahmequellen."
Großteil nicht für den heimischen Markt
Noch unwahrscheinlicher erscheint ein großer Effekt, wenn man bedenkt, dass ein Großteil des mexikanischen Cannabis in die USA geht, wo der Konsum in den meisten Bundesstaaten ja immer noch verboten ist. Dieser Markt bleibt also bestehen.
Zara Snapp, Aktivistin der NGO "Instituto RIA", die sich für eine Reform der Drogenpolitik in Mexiko einsetzt, geht allerdings davon aus, dass auch die USA in einigen Jahren Cannabis legalisieren könnten - es sei gut, wenn bis dahin entsprechende legale Strukturen des Anbaus und Vertriebs geschaffen würden, so dass Mexiko dann weiterhin liefern könne - aber legal.
Von illegal zu legal?
Die Entkriminalisierung von Cannabis in Mexiko ist in den Augen der Politikwissenschaftlerin auch aus einem anderen Grund richtig: "Dann kann der Staat seine begrenzten Ressourcen, die er zuvor für das Verfolgen kleinerer Drogendelikte aufgewendet hat, hoffentlich sinnvoller einsetzen - etwa für die Aufklärung von Korruption und Entführungen." Denn bislang konnte man schon für den Besitz von mehr als fünf Gramm Cannabis ins Gefängnis wandern - während bei schwerwiegenden Verbrechen, in die oft Menschen mit Geld und Einfluss involviert sind, ein hohes Maß an Straflosigkeit herrscht.
Snapp, die ihr Wissen unter anderem schon in der Weltkommission für Drogenpolitik eingebracht hat, hofft zudem, dass zumindest einige Kollektive, Gruppen und Bauern, die bislang illegal Cannabis produziert haben, auf die legale Seite wechseln - wo sie dann bessere Verdienstmöglichkeiten haben und nicht mehr der Willkür der Drogenbarone ausgesetzt sind.
Dieses Ziel verfolgt auch die Weltkommission, die sich global dafür einsetzt, den Schwerpunkt der Drogenpolitik von reiner Kriminalitätsbekämpfung stärker auf Gesundheits- und Menschenrechtsfragen zu fokussieren. Der Kommission gehören unter anderem ehemalige Präsidenten von Mexiko, Brasilien und Kolumbien an.
Mehr Transparenz, bessere Qualität
Neben möglichen Effekten auf den Schwarzmarkt steht in Diskussionen um die Legalisierung von Cannabis immer eine Frage im Mittelpunkt: Geht der Konsum dann in die Höhe, wird die Zahl der Abhängigen steigen?
Die Meinung vieler Fachleute, so auch Snapps und Buscaglias, ist mittlerweile: Eine Legalisierung wäre - selbst wenn der Konsum wie etwa in Kanada oder Uruguay dadurch leicht steigt - insgesamt gut für die öffentliche Gesundheit. Denn so sei die Qualität gesichert und Menschen könnten besser einschätzen, was sie da konsumieren.
Ob legale und illegale Produktion allerdings tatsächlich sauber getrennt werden können und Regulierungsmechanismen funktionieren werden, bezweifelt Ökonom Buscaglia. "Die besten Gesetze nützen nichts, wenn die staatlichen Institutionen nicht in der Lage sind, sie umzusetzen." So scheitere Mexiko auch daran, andere legale Substanzen zu regulieren: Alkohol, Zigaretten und Medikamente.
Ein steiniger Weg
Der Weg zu einem Mexiko mit legalem und konfliktfreiem Cannabis ist noch lang und mit vielen Fragezeichen gepflastert: Wie werden Lizenzen vergeben werden? Inwieweit wird das organisierte Verbrechen versuchen, mitzumischen? Werden Kartelle Cannabis-Bauern, die vorher mit ihnen zusammengearbeitet haben, ziehen lassen?
"Ich weiß natürlich auch, dass es nicht einfach wird und die Legalisierung von Cannabis nicht alle Probleme löst", sagt Aktivistin Snapp. "Aber es ist ein erster Schritt, die Drogenproblematik und die Gewalt anzugehen, irgendwo muss man anfangen. Viele Menschen in Mexiko, selbst die, die Teil des organisierten Verbrechens sind, wollen, dass das Leben hier anders wird."