Web Summit auf Erfolgskurs
8. November 2017UN-Generalsekretär António Guterres warnt vor 'Kollateralschäden' wie massiver Arbeitslosigkeit selbst in den Industrieländern. Portugals Ministerpräsident António Costa sieht sein Land bei den neuen Technologien an vorderster Front, will so viel wie möglich Startups nach Lissabon holen. Die EU-Wettbewerbs-Kommissarin Margrethe Vestager erklärt, wie wichtig es sei, zu verhindern, dass Weltkonzerne wie Google die freie Konkurrenz zu Grabe tragen, und Lissabons Bürgermeister sieht Parallelen zwischen High-Tech-Geeks und den Weltentdeckern, die sich vor 500 Jahren in der portugiesischen Hauptstadt tummelten. Auf dem Web Summit 2017 geht es ein bisschen zu wie bei Pipi Langstrumpf. Ganz nach dem Motto: Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.
Schon während der offiziellen Eröffnungsnacht am Montag traten die unterschiedlichen Erwartungen deutlich an den Tag: Die portugiesische Presse spekulierte, der angekündigte Überraschungsgast könne wohl niemand anderes sein als Madonna, der Superstar, der seit einigen Monaten in Lissabon lebt. Doch Web-Summit-Organisator Paddy Cosgrave hatte den Physiker Stephen Hawking um eine eher düstere Videobotschaft gebeten. "Künstliche Intelligenz wird entweder das Beste sein, was der Menschheit jemals geschehen ist, oder das Schlimmste", warnte der. Und während Cosgrave daran erinnert, wie sehr die neuen Technologien das Leben aller Menschen verändern, suchen tausende Start-ups lieber hektisch nach Investoren, Geschäftspartnern und Wachstumschancen.
Unterschiedliche Erwartungen und Hoffnungen
Einer der sucht: Der Pole Daniel Arak von ITMagination, einem Unternehmen mit rund 500 Angestellten. Gerade noch hat er - mehr zum Spaß - einen Sticker an eine Pinnwand gehängt: Seiner Meinung nach zahlen die IT-Unternehmen überall auf der Welt genug Steuern. Dann erklärt er, schon ernsthafter, auch als die Dampfmaschine erfunden worden sei, habe es Zweifler gegeben. Sicher hätten Unternehmen wie Google sehr viel Macht, aber sei das Fernsehen nicht auch übermächtig gewesen, als es sich weltweit ausbreitete? Und Alessio Iadicicco, der mit seinem Unternehmen Makersvalley Kleiderproduzenten aus Italien und Modedesigner aus der ganzen Welt zusammenbringen will, ist in einer der Startup-Hallen ausschließlich damit beschäftigt, potentiellen Partnern seine Plattform vorzustellen. Mögliche Probleme sollen doch die VIPs auf der 'Center Stage', der Haupttribüne, debattieren.
Mehr als 60.000 Teilnehmer sind zum Web Summit 2017, dem zweiten in Lissabon, gekommen. Seit Dienstag drängen sie sich tagsüber auf dem futuristischen Messegelände am Tejo-Fluss, am Abend dann in den Kneipen des Vergnügungsviertels Bairro Alto beim 'Pub Summit' und nachts in den völlig überfüllten Hotels der portugiesischen Hauptstadt. "Wir haben diesmal 25 Konferenzen organisiert", freut sich Paddy Cosgrave - vom selbstfahrenden Auto bis hin zu einer 'Startup-Universität' ist für jeden Geschmack etwas dabei.
Warner auf der Haupttribüne
Während es in den Messehallen vor allem um Geschäfte ging, herrschten auf der Haupttribüne am ersten Tag die kritischen Töne vor: Max Tegmark, einer der Gründer des 'Future of Life'-Instituts, zum Beispiel warnte vor dem Zerstörungspotential künstlicher Intelligenz. Die Konkurrenzkommissarin Vestager trug vor, wie wichtig es sei, für faire Konkurrenz im Internet zu sorgen und warum sie sich deshalb auch mit Großkonzernen anlegt. Sophia, eine Roboterdame der Firma Hanson Robotics, die übrigens vor kurzem sogar offiziell zur Staatsbürgerin von Saudi Arabien ernannt wurde, erklärte einem eher kritischen Roboter-Einstein scherzhaft, sie und ihresgleichen hätten nicht die Absicht, die Menschheit zu vernichten, sehr wohl aber die, sie arbeitslos zu machen.
Das Gespräch zwischen den beiden äußerst menschlich wirkenden Robotern war natürlich einer der größten Erfolge des Tages. Die Forderung des französischen Ex-Präsidenten François Hollande, die Künstliche-Intelligenz-Industrie müsse auch soziale Verantwortung übernehmen, wurde kurz darauf zwar immer noch laut, aber entschieden weniger beklatscht.
Werbeveranstaltung für Portugal
Noch bis zum Donnerstag ist Lissabon jetzt ein Hotspot der Technologiefreaks und IT-Unternehmen. Die Stadt will aus der Mega-Konferenz vor allem wirtschaftlichen Nutzen für sich und Portugal ziehen. Immer mehr Startups sollen durch Gesetzesvereinfachungen und Bürokratieabbau ins Land gelockt werden; die Politiker werben mit niedrigen Steuern und Lebenshaltungskosten, viel Lebensqualität, politischer Stabilität und geringer Kriminalität. Doch auch ohne neue Firmengründungen hat der Web Summit 2017 sich bereits gelohnt: Ana Teresa Lehman, die Staatssekretärin für Industrie, erklärte, die Konferenz bringe rund 300 Millionen Euro ins Land - bei gerade einmal 1,3 Millionen Euro Ausgaben. Eine erfreuliche Bilanz für das kürzlich noch krisengeschüttelte Portugal.