Web Summit ein voller Erfolg
9. November 2016Gäbe es eine App gegen Schlangestehen, sie wäre ein Bestseller beim Web Summit in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon. In der U-Bahn, beim Eingang ins Kongresszentrum, vor dem Zugang zur Hauptbühne, an den Ständen und selbst beim Hot-Dog-Verkäufer - überall müssen die mehr als 50.000 Teilnehmer anstehen, so groß ist der Andrang. Doch die Schlangen belegen: Der Web Summit 2016, der noch bis Donnerstag (10.11.2016) dauert, ist ein Riesenerfolg.
Vom EU-IT-Fonds zu Netzwerken, die alles verändern
Im Pressezentrum verkündet Carlos Moedas, der portugiesische EU-Kommissar für Wissenschaft, Forschung und Innovation, die Kommission werde einen Fonds für IT-Startups mit einer Milliarde Euro ausstatten, damit europäische Unternehmen in Europa bleiben. Nebenan erklärt auf der Hauptbühne der Renault-Chef Carlos Ghosn, es werde bald ein vernünftiges 8000-Dollar-Elektroauto geben, dazu eine neue, bahnbrechende Car-Sharing-Plattform und viele Arbeitsplätze bei allem, was mit autonomem Fahren zu tun hat. Auf den anderen 'stages' geht es um so ziemlich alles, vom Einfluß der Science Fiction auf die Forschung bis hin zur Trennlinie zwischen Mensch und Maschine.
Ein verwirrender Informations-Overflow, der - den Organisatoren sei dank - wenigstens mit der Web-Summit-App halbwegs zu kontrollieren ist. Ach ja, im Plauderton verkündet Cisco-Chef John Chambers den begeistert lauschenden Zuhörern, dass er zum ersten Mal in seinem Leben die Demokraten und nicht Donald Trump gewählt hat und dass die "networks", die gerade entstehen, das Leben eines jeden Einzelnen radikal verändern werden - wahrscheinlich zum Besseren. Eine Binsenweisheit zwar, aber immerhin aus höchst berufenem Mund. Verändert, so erzählen die Stammbesucher, habe sich auch der Web Summit, seit er von Dublin nach Lissabon umgezogen ist; alles sei größer, hektischer und irgendwie trotzdem noch besser.
Startups auf Geldsuche
Christina Lock ist zum ersten Mal dabei und findet alles fantastisch. Die Jungunternehmerin hat keine Zeit für Vorträge, sie will "business" machen. Seit sieben Jahren lebt die Britin in Lissabon, hat sich zuerst in die Stadt und dann ihn ihren Lebensgefährten verliebt. Und ein Startup gegründet. "Yoochai ist eine Art Airb&b für Geschäfte", erklärt sie stolz. Sie vermittelt im Internet Läden oder Verkaufsplätze für spontane Pop-Up-Verkäufe oder eher konventionellen Handel. Yoochai ist eines von 67 Startups, die die portugiesische Regierung als beispielhaft ausgewählt hat. Jetzt trifft Christina Investoren, während ihre Kollegen Kunden und mögliche Partner suchen. Der Summit sei dafür ideal, er biete die "visibility", die ihr Unternehmen brauche und Christina genießt das Rampenlicht.
"Der Web Summit Lissabon ist der neue Schmelztiegel der Welt", sagt die Unternehmerin begeistert. Überhaupt sei Lissabon der Ort, wo zur Zeit alles passiere, schwärmt sie. Auch die Regierung habe die Zeichen der Zeit erkannt und tue immer mehr, Startups in die portugiesische Hauptstadt zu locken. Lissabon sei auf dem besten Weg, eine der hippsten Städte der Welt zu werden, einem IT-Startup-Mekka, wie man es noch nicht gesehen hat.
Portugal will vom Web Summit profitieren
Christinas Begeisterung teilen alle Politiker des Landes. Vom Ministerpräsidenten bis zum Staatssekretär, jeder will mit dem neuen Freund Paddy Cosgrave, dem Chef des Web Summit, fotografiert werden. Vor allem aber hat die Regierung, so wird gemunkelt, rund 1,5 Millionen Euro locker gemacht, um den Event von Dublin nach Lissabon zu locken. Kein schlechtes Geschäft, denn den Ausgaben stehen Tourismuseinnahmen in Höhe von rund 160 Millionen gegenüber. Und das Versprechen, dass die Veranstaltung auch die nächsten zwei Jahre in Lissabon stattfindet. Beim Web Summit geht es eben vor allem um das große Geld, nicht nur für Startups, sondern auch für Staaten. Und vielleicht kommt ja auch noch die App gegen das Schlangestehen...