China kommt, Großbritannien geht, EU bangt
22. März 2019Noch vor kurzem galt China bei den Europäern als großer Hoffnungsträger. Als Donald Trump ins Weiße Haus einzog und den internationalen Handel infrage stellte, hielt China den Freihandel hoch, stellte sich als willkommenes Gegengewicht zu Trump dar. Das gefiel der EU und besonders Deutschland als Exportnation.
Inzwischen ist die Begeisterung verflogen. Stattdessen greift die Sorge vor dem wachsenden chinesischen Einfluss um sich, auf Unternehmen, kritische Infrastruktur, und vor finanzieller Abhängigkeit. "Die Zeit europäischer Naivität ist vorbei", sagte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron nach dem Gipfel.
Doch die EU will China nicht verprellen, dazu ist das Land zu wichtig. China ist der zweitgrößte Handelspartner der EU nach den USA. Der Handelsaustausch beträgt jeden Tag mehr als eine Milliarde Euro.
Wann öffnet China den Markt?
Allerdings exportiert China viel mehr als es importiert. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz bringt den Zwiespalt auf den Punkt: "China ist Partner und gleichzeitig Mitbewerber." Kurz bedauerte, dass China in der Welthandelsorganisation, WTO, immer noch als Entwicklungsland behandelt werde, obwohl es dabei sei, zur größten Volkswirtschaft der Welt aufzusteigen.
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker beklagte eine "Asymmetrie, die Ungleichgewichte erzeugt". Grundproblem sei, dass "die chinesischen Märkte für die Europäer nicht offen genug" seien, während China offene Märkte für seine Produkte in Europa verlange.
Das sieht auch Bundeskanzlerin Angela Merkel so. Sie betont aber auch die Fortschritte: "Wir sehen, dass China sich in einigen Bereichen öffnet", zum Beispiel bei Gemeinschaftsunternehmen. Als Vertreterin eines Landes, das von seinen Exporten lebt, ist sie gegen zu starke Einschränkungen des Handels, wie sie manche fordern: "Wir wollen gute und intensive Handelsbeziehungen." Auch dem Österreicher Kurz ist es wichtig, dass sich Europa als Konsequenz nicht abschottet: "Nur wenn wir als EU wettbewerbsfähig bleiben, können wir auch den Wohlstand und die Arbeitsplätze in Europa sichern."
Italien hofiert Xi Jinping
Dass die Europäer beim Umgang mit China nicht an einem Strang ziehen, wurde ausgerechnet an diesem Freitag deutlich: Während die Regierungschefs in Brüssel über das China-Thema sprachen, rollte Italien dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Rom den roten Teppich aus.
Italien ist das erste Land aus dem Kreis der großen westlichen Industriestaaten, das bei dem umfangreichen chinesischen "Seidenstraßen"-Infrastrukturprojekt mitmacht. Kleinere EU-Staaten wie Griechenland, Ungarn, Polen und Portugal haben schon solche Absichtserklärungen unterschrieben. Kritiker befürchten ein trojanisches Pferd in Europa. Auch Merkel kritisierte vorsichtig Italien, als sie sagte, es sei "besser, wenn man einheitlich reagiert".
Nirgendwo werden die Zweifel an der Rolle Pekings deutlicher als beim Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes. Der chinesische Netzwerkausrüster Huawei will sich daran beteiligen, aber immer mehr Regierungen befürchten, China könne darüber Spionage oder Sabotage betreiben. Washington warnt sogar ausdrücklich vor Huawei und hat der deutschen Regierung gedroht, man werde die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit aussetzen, wenn Berlin Huawei zum Zuge kommen lasse.
So kategorisch sind die Europäer nicht. Die Kommission soll aber ein abgestimmtes europäisches Vorgehen dabei ausarbeiten. Es wird interessant zu beobachten sein, ob sich die Position der Italiener und anderer Staaten mit dieser einheitlichen Strategie vereinbaren lässt.
Weckruf Kuka-Übernahme
Die chinesischen Direktinvestitionen in der EU haben nach einer Untersuchung des US-Forschungsinstituts Rhodium Group innerhalb eines Jahrzehnts eine rasante Entwicklung hingelegt: 2010 betrugen sie gerade einmal zwei Milliarden Euro, 2015 schon 21 Milliarden und 2016 dann eine vorläufige Spitze von 37 Milliarden Euro.
Chinesische Unternehmen haben in wenigen Jahren so renommierte Firmen wie den schwedischen Autobauer Volvo, den italienischen Reifenhersteller Pirelli, den französischen Tourismuskonzern Club Med und den deutschen Industrieroboter-Hersteller Kuka übernommen.
Seit 2016 sind die chinesischen Direktinvestitionen laut der Studie deutlich zurückgegangen. 2018 beliefen sie sich auf 17 Milliarden Euro. Eine Rolle dürften dabei die wachsenden Bedenken vor allem in Deutschland und Frankreich spielen. Gerade der Kuka-Verkauf war in Deutschland und Europa ein Weckruf, der die Politik auf den Plan gerufen hat. Seitdem sind sowohl die Bundesregierung als auch die EU dabei, solche kritischen Übernahmen zu erschweren.