EU und China: Befreundete Konkurrenten?
18. März 2019China ist zurzeit ganz oben auf der außenpolitischen Tagesordnung der Europäischen Union. Die Staats- und Regierungschefs wollen sich bei ihrem Gipfeltreffen Ende der Woche intensiv mit den Beziehungen zur Wirtschaftssupermacht China beschäftigen. Anfang April folgt dann das jährliche Spitzentreffen der EU mit China in Brüssel. "China wird immer wichtiger, je schwieriger die Handelsbeziehungen zu den USA werden", begründet ein EU-Diplomat das gesteigerte Interesse an der Einparteiendiktatur, die mit ihren 1,3 Milliarden Einwohnern die zweitgrößte Wirtschaft der Welt beherrscht.
Gemeinsame Interessen - unterschiedliche Systeme
Umgekehrt hat auch China ein größeres Interesse an guten Beziehungen zu 500 Millionen Europäern, weil das Land sich mitten in einem Zoll-Krieg und schwierigen Handelsgesprächen mit der US-amerikanischen Trump-Regierung befindet. Die EU ist der zweitgrößte Handelspartner Chinas. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und der chinesische Außenminister Wang Yi, die sich heute zusammen mit den 28 Außenministern der EU ein Stelldichein gaben, bemühten sich in ihrer Pressekonferenz, möglichst die Gemeinsamkeiten beider Regionen herauszustellen. Einig sind sich China und die EU bei der Forderung die Welthandelsorganisation zu reformieren. Beide treten im Gegensatz zu den USA für "Multilateralismus und eine auf Regeln basierende weltwirtschaftliche Ordnung " ein. Beide wollen gemeinsam gegen den Klimawandel angehen, den US-Präsident Donald Trump eher für eine Verschwörung hält.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte, ihr sei natürlich klar, dass sich China und die EU in vielen Fragen und grundlegenden Ansichten widersprechen würden. Das reicht von der Einhaltung der Menschenrechte bis zur unfairen Behandlung von Unternehmen auf dem chinesischen Markt. "Es ist ja kein Geheimnis, dass wir unterschiedliche Systeme haben und zueinander in wirtschaftlicher Konkurrenz stehen, aber wir definieren hier Bereiche für Verhandlungen, von denen wir beide mit Sicherheit profitieren können", sagte Mogherini nach einem Gespräch mit Außenminister Wang Yi.
"Unbegründete Anschuldigungen"
"Wir wollen natürlich die gleichen Spielregeln für alle Unternehmen erreichen. Die Sicherheit im Cyberraum liegt uns sehr am Herzen", antwortete die EU-Außenbeauftragte auf die Frage, ob der chinesische Konzern Huawei am Aufbau des 5G-Datenfunknetzes in der EU beteiligt werden sollte. Die USA werfen Huawei vor, Spionagesoftware in seine Telekommunikationsanlagen einzubauen. In Europa teilen nur einige Staaten diese Bedenken. In Deutschland etwa soll sich Huawei, trotz seiner möglichen Steuerung durch den chinesischen Staat, an den Ausschreibungen für das 5G-Netz beteiligen können. Gegenüber der DW sagte der deutsche Außenminister Heiko Maas am Rande des EU-Treffens, man wolle sich Druck aus den USA oder von außen nicht beugen. "Wir wissen, dass auch die wirtschaftlichen Interessen oft mit den politischen Interessen verwoben sind. Deshalb werden wir bei der Versteigerung der 5G Lizenzen eine autonome Entscheidung treffen, die vor allen Dingen eines im Blick hat, nämlich, dass unsere Sicherheitsinteressen gewahrt werden."
Der chinesische Außenminister Wang Yi bestand darauf, dass chinesische Unternehmen einen fairen und unparteiischen Zugang zum Markt erhalten sollten. Ohne Huawei direkt beim Namen zu nennen, sagte er: "Wir wenden uns gegen unbegründete Anschuldigungen aus politischen Gründen, die dazu gedacht sind, eine ausländische Firmen zu schädigen."
Vereintes Europa?
Der deutsche Außenminister Heiko Maas meinte in Brüssel, es sei vor allem wichtig, dass die EU gegenüber China an einem Strang ziehen. "Nur dann wird es möglich sein, das, was wir an Werten und Interessen haben, gegenüber China vertreten zu können." So ganz einheitlich läuft der Dialog mit China allerdings nicht. Am Ende der Woche wird der chinesische Staatspräsident zu einem Besuch in Italieneintreffen. Ministerpräsident Giuseppe Conte, der die populistische Regierung in Rom führt, kündigte an, er werde mit China eine Vereinbarung über eine tiefere wirtschaftliche Zusammenarbeit unterzeichnen. Italien soll als viertgrößter Staat der EU und erstes Land der Gruppe der sieben wichtigsten westlichen Wirtschaftsnationen am chinesischen Projekt der neuen Seidenstraße teilnehmen.
China verspricht Investitionen und erwartet im Gegenzug bessere Zugänge zu europäischen Märkten. Am Seidenstraßenprojekt haben sich bislang 11 östliche und kleinere südliche EU-Staaten auf der Suche nach Investoren beteiligt. Der chinesische Außenminister versuchte klarzumachen, dass China mit seinem Engagement in Italien, Griechenland und anderswo Europa nicht spalten wolle. "Wir sind für eine tiefere europäische Integration", sagte Wang Yi. "Wir unterstützen nachdrücklich ein starkes und vereintes Europa." Wang Yi räumte ein, dass es natürlich auch Differenzen gebe, aber die Gemeinsamkeiten seien größer.
EU-Kommission will Chinas Investitionen begrenzen
Dass die EU China in einem Positionspapier für das Gipfeltreffen als "systemischen Rivalen" betrachtet, der seinen eigenen Firmen durch unfaire staatliche Beihilfen Vorteile verschafft, nahm der chinesische Außenminister äußerlich gelassen hin. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini mühte sich Kritik an Chinas Wirtschaftspolitik, die sich aus dem EU-Papier herauslesen lässt, herunter zu spielen. "Das ist ja vor allem auch ein internes Diskussionspapier für unsere Vorbereitung." Das ist allerdings nicht ganz richtig. Die EU-Kommission hatte den 12 Seiten umfassenden strategischen Ausblick vergangene Woche veröffentlicht und unter anderem angeregt, die chinesischen Investitionen in Infrastrukturwie in Kroatien, Griechenland und künftig vielleicht Italien zu begrenzen. Staatliche Firmen, die mit Beihilfen aufgepäppelt würden, müssten von europäischen Aufträgen ausgeschlossen werden, heißt es unter anderem in dem Papier. Auch Firmen, die beim Aufbau von sicherheitsrelevanten Strukturen wie 5G oder künstlicher Intelligenz mitarbeiten wollten, müssten sehr strenge Kriterien erfüllen.
Bislang liegt die Kompetenz, über solche Fragen zu entschieden, bei den Mitgliedsstaaten der EU. Ob sich für gemeinsame und striktere Politik gegenüber China Mehrheiten finden lassen, ist nicht klar. Im Gegenteil: Es liegen aus dem vergangenen Jahr Studien des "Mercator Institute für China Studies" und des Berliner "Public Policy Institute" vor, die beweisen sollen, dass die Regierungen Griechenlands oder Tschechiens sich bereits aktiv bei Entscheidungen der EU für chinesische Interessen einsetzen. Kommt die italienische demnächst hinzu?