Ein Duell. Und Klimaschutz, China, Steuern und Finanzen
23. September 2021"Triell": Dieses neue Wort hatte sich für die Diskussionsrunden im deutschen Fernsehen mit den drei aussichtsreichsten Bewerbern um die Kanzlerschaft eingebürgert. Dreimal waren SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, der CDU-Vorsitzende Armin Laschet und die Grünen-Chefin Annalena Baerbock schon aufeinander getroffen. Jetzt trafen sich alle sechs Spitzenkandidaten der Bundestags-Parteien zum letzten Showdown. Aus München war auch noch der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder dabei, der nicht selbst für den Bundestag kandidiert. Die öffentlich- rechtlichen Sender ARD und ZDF übertrugen die Debatte.
90 Minuten für sieben Streithähne
Und wie nennt man dieses Aufeinandertreffen von gleich sieben Streithähnen jetzt? Septiell? Wie auch immer, auf jeden Fall stellten sich bei dem Format einige Fragen: Blieb da wirklich Zeit für inhaltliche Debatten? Oder ging es mehr darum, die vielen unentschlossenen Wähler (je nach Expertenschätzung sind es zwischen 20 und 30 Prozent der Wahlberechtigten) von sich zu überzeugen?
Geschockt von der Gewalttat eines Corona-Leugners
Zu Beginn zeigten sich meisten Redner geschockt von dem Mord an einem jungen Angestellten einer Tankstelle in der Stadt Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz, der einen Mann zum Tragen einer Corona-Atemmaske aufgefordert hatte, worauf dieser den jungen Mann erschoss. Armin Laschet sagte: "Die Radikalisierung beginnt im Netz, immer aggressiver, immer lauter." Wie viele andere sei der Mann im Netz aufgehetzt worden, fanden auch die meisten anderen Politiker. Dem Hass müsse entschieden entgegen getreten, das Waffenrecht überprüft werden, was vor allem die Grünen wollen. Nur die Kandidatin der Rechtspopulisten von der "Alternative für Deutschland" (AfD), Alice Weidel, warnte vor einer Stigmatisierung "einer ganzen Protestbewegung", der Corona-Leugner also und der Querdenker-Bewegung.
Scholz gegen Laschet, das wird wohl das Duell...
Seit einiger Zeit schon liegt der SPD-Kandidat, der derzeitige Bundesfinanzminister Olaf Scholz, in den Wahl-Umfragen vorn. Zuletzt hat sein Hauptkonkurrent, der Chef der CDU, Armin Laschet, zwar etwas aufgeholt, aber immer noch liegen drei bis vier Prozentpunkte zwischen der SPD und der Union aus CDU und CSU. Zuletzt hat Scholz sich deshalb darauf beschränkt, keine Fehler mehr zu machen und vor allem Zuversicht und Ruhe auszustrahlen. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet lag zu Beginn des Wahlkampfes noch vorn in den Umfragen, aber einige Ungeschicklichkeiten haben ihm geschadet. Zuletzt versuchte er stets mit der Warnung vor einem "Linksrutsch", also einer Koalition aus SPD, Grünen und Linken, zu punkten.
...aber nicht in dieser Sendung
Aber in dieser Debatte, die schnell und kompakt Themen wie die knappen und teuren Wohnungen in Deutschland, die Steuerpolitik und die Staatsfinanzen streifte, die hohe Verschuldung und die Corona-Pandemie, blieb zunächst kaum Platz für Laschet, sich noch einmal mit Scholz zu reiben. Erstaunlich viel Platz räumten die Moderatoren etwa dem Thema Außenpolitik ein, das bislang im Wahlkampf eher eine kleine Rolle gespielt hatte.
Debatte um China und die NATO
Scholz etwa sagte: "Wir werden dafür Sorge tragen müssen, dass dieses Europa mehr mit einer Stimme sprechen kann." Leidenschaftlich stritten die Kandidaten über das künftige Verhältnis zu China. Baerbock und Lindner wollen in Zukunft vor allem die angespannte Menschenrechtslage in China stärker ansprechen und wandten sich beide gegen das angedachte EU-Investitionsabkommen mit Peking. Markus Söder warnte an dieser Stelle vor einer "kompletten Belehrungsdogmatik" gegenüber China. Deutschland habe dort nach wie vor wirtschaftliche Interessen. Und schließlich verteidigte Janine Wissler von den Linken die umstrittene Position ihrer Partei, langfristig aus der NATO auszutreten. Vor allem die möglichen Regierungspartner SPD und Grüne halten davon gar nichts.
Sehr viele Themen in kurzer Zeit
Und weiter ging es rastlos durch viele Themen. Ist die CDU auch in Zukunft für die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2 aus Russland? ("Ja", sagte Laschet). Sind die Grünen für bewaffnete Drohnen? ("Grundsätzlich ja", sagt Baerbock). Sind FDP und Union beim Thema Klimaschutz auch für Verzicht ("Nein", sagen Lindner und Laschet).
Zum Schluss die Frage: Wer mit wem?
Und zum Schluss kam dann doch noch die für viele Wähler wohl wichtigste Frage: Wer kann nach der Wahl mit wem? Markus Söder sagte, immer mehr Menschen würden merken, dass sich SPD, Linke und Grüne annäherten, deshalb hole Armin Laschet gerade in den Umfragen auf. Ist ein Sieg der Union von CDU und CSU noch drin? "Wenn ich die Umfragen der letzten Tage sehe, denke ich, dass das möglich ist." Und Laschet erklärte die Verhinderung einer rot-grün-roten Regierung gar zur entscheidenden Frage: "Wird die Union so stark, dass exakt diese Koalition nicht möglich wird?"
Scholz und die Absage an die Linken
Von SPD-Kanzlerkandidat Scholz kamen da klare Worte. Wenn er Kanzler sei, müssten wichtige Grundlagen der deutschen Politik bestehen bleiben: "Dazu gehört, dass mit den Grundfunktionen des Staates nicht gespielt wird. Ich sage das mal sehr klar: Wir brauchen einen Verfassungsschutz. Wir brauchen die Zusammenarbeit in der NATO." Und beide Institutionen will die Linke abschaffen.
Ruhig und sachlich, und das kurz vor der Wahl
Eine erstaunlich ruhige und sachbetonte Debatte war das, wenige Tage vor der Wahl. Immer klarer wird: Das Rennen heißt Laschet gegen Scholz, mit leichtem Vorsprung zur Zeit für den SPD-Kandidaten. Selbst Annalena Baerbock, die noch im Frühjahr in den Umfragen vorn lag, betonte, es sei wichtig, "dass die Grünen möglichst stark werden." Vom Kanzleramt sprach sie nicht mehr.