EU: Abkommen mit China auf Eis
5. Mai 2021"Das Abkommen liegt im Kühlschrank und da wird es auch einige Zeit bleiben", sagt Bernd Lange, der Vorsitzende des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments zum EU-Investitionsabkommen mit China. Die großen Fraktionen des Europäischen Parlaments, das dem China-Deal zustimmen muss, hatten bereits letzte Woche beschlossen, das "Umfassende Abkommen über Investitionen" (CAI) so lange nicht zu behandeln, wie China Sanktionen gegen eine Reihe von EU-Abgeordneten aufrecht hält.
Der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, hatte am Dienstag in einem Interview erklärt, das Abkommen sei auf "gewisse Weise suspendiert". Man könne die Handelspolitik nicht von den chinesischen Sanktionen trennen, die die Abgeordneten seit März wegen deren Kritik an der Menschenrechtslage und der Unterdrückung der uigurischen Minderheit in China treffen. "Damit hat Herr Dombrovskis eigentlich nichts Neues gesagt, aber er hat es noch nie so deutlich gesagt", meinte der grüne EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer am Mittwoch.
Bütikofer ist selbst von chinesischen Einreise-Sanktionen betroffen. Er ist Vorsitzender der China-Arbeitsgruppe des Europäischen Parlaments und hält mit Kritik an der Ein-Parteien-Diktatur in der Volksrepublik nicht hinterm Berg.
Die Kritik wächst
Nachdem die USA und die Gruppe der sieben wichtigsten Industriestaaten (G7) einen härteren Ton gegenüber Peking anschlagen, verschärft auch die EU ihre Haltung. Die Kritik an dem Entwurf für das Investitionsabkommen setzte schon Anfang des Jahres ein. Nach Auffassung vieler Parlamentarier bietet es nicht genügend Vorteile und Rechtssicherheit für europäische Firmen, während China keine wesentlichen Zugeständnisse macht.
"Das Abkommen wurde mit der Brechstange verabschiedet", sagt dazu der Handelsexperte des Parlaments, Bernd Lange. Kurz vor Silvester 2020 hat die damalige deutsche Ratspräsidentschaft mit Hilfe Frankreichs eine politische Einigung mit China über das Abkommen verkündet, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel unbedingt einen Erfolg wollte. Das sei auch verständlich, denn Deutschland sei mit Abstand der größte Handelspartner Chinas in der EU, so der grüne Abgeordnete Bütikofer. Besonders deutsche und französische Konzerne, allen voran die Autoindustrie, würden von einem Investitionsabkommen profitieren können. Die kleineren EU-Staaten haben dagegen kein überragendes Interesse an dem Vertrag.
Merkel verteidigt Abkommen
Bundeskanzlerin Angela Merkel verwies am Mittwoch auf die Bedeutung des Abkommens. Dies sei ein "sehr wichtiges Unterfangen, weil wir hier mehr Reziprozität beim Marktzugang bekommen", sagte sie auf einer Veranstaltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Nötig sei im Bezug auf China, "die gesamte Breite der Fragen" anzusprechen.
Geplant war bis zum Ende dieses Jahres den konkreten Vertragstext mit der chinesischen Seite auszuhandeln, ihn von den EU-Mitgliedsstaaten genehmigen zu lassen und dann in den Ratifizierungsprozess mit dem EU-Parlament einzusteigen. Dieser Zeitplan wird nun nicht mehr zu halten sein. "Ohne deutliche Entspannung" werde gar nichts laufen, schätzt der außenpolitische Sprecher der Christdemokraten im Europäischen Parlament, Michael Gahler, die Lage ein. Auch er wurde von Peking mit Sanktionen belegt.
Dreifacher Ansatz: Partner, Konkurrent, Rivale
Die Europäische Union hatte schon im vergangenen Jahr beschlossen, China auf drei Arten zu betrachten: Als Partner in der Klimapolitik und bei Handelsfragen, als Konkurrenten auf dem Weltmarkt für Zukunfts- und Datentechnologien und als Rivalen, wenn es um das politische System und die Menschenrechte geht. Diese Strategie versuchen die für Industriepolitik und Binnenmarkt zuständigen EU-Kommissare Thierry Breton und Margrethe Vestager mit einer neuen Wirtschaftspolitik zu untermauern.
Die EU soll nach Vestagers Worten offen für Geschäfte bleiben, aber gleichzeitig strategisch unabhängiger werden. "Offenheit erfordert Fairness", sagte sie heute nicht nur an China gewandt. "Die EU ist eine Supermacht, wenn es um Handel und Investitionen geht", meinte Vestager in Brüssel. Diese Stellung müsse man verteidigen und den EU-Binnenmarkt vor unlauterer Konkurrenz schützen. So soll in Zukunft staatlichen Unternehmen zum Beispiel aus China das Aufkaufen von Unternehmen in Europa untersagt werden, wenn dazu staatliche Beihilfen benutzt werden, die in der EU verboten sind.
In den nächsten Monaten will die EU-Kommission auch Gesetze auf den Weg bringen, die öffentliche Aufträge aus Europa an chinesische Firmen beschneiden sollen, wenn die chinesischen Bieter unfaire Vorteile durch Peking genießen. "China ist in den letzten Jahren nach innen hin restriktiver und nach außen hin aggressiver geworden", konstatiert der EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer. Darauf müsse man durchaus im Einklang mit der neuen US-Administration reagieren. Die EU plant außerdem ein "Lieferketten-Gesetz", das den Einsatz von Zwangsarbeit für importierte Produkte - nicht nur aus China - ausschließen soll.
EU-Staaten sind sich nicht einig
Deutschland und Frankreich, die überproportional vom Handeln mit China profitieren, hatten sich stark für das Investitionsabkommen eingesetzt. Besonders Bundeskanzlerin Angela Merkel ist auffallend an guten Beziehungen zu Peking interessiert, was erst kürzlich bei ihren bilateralen Konsultationen mit der chinesischen Führung deutlich wurde. Davon abgesehen setzen 16 Staaten in der EU auf eine Zusammenarbeit mit China in der "Neuen Seidenstraßen-Initiative", in der China massive Investitionen in den europäischen Partnerstaaten verspricht.
Das wirkt offenbar auch auf Entscheidungen in Brüssel ein: Das EU-Mitglied Ungarn blockiert als wichtiger Teil der "Neuen Seidenstraße" im EU-Ministerrat seit Wochen eine gemeinsame Verurteilung der chinesischen Hongkong-Politik.
Die EU-Kommission wird nun versuchen, die unterschiedlichen Interessen der Mitgliedsstaaten gegenüber China unter einen Hut zu bringen. Das sei nicht einfach, so Reinhard Bütikofer, der die deutsche China-Politik seit Jahren als zu einseitig kritisiert. "Klar ist aber, dass das CAI, das Abkommen mit China, so wie es vorliegt, nie in Kraft treten wird", erklärte Bütikofer schon vor Wochen. Es sei zum Beispiel skandalös, dass im CAI Einschränkungen für europäische Nichtregierungsorganisationen und Stiftungen in China akzeptiert würden, die noch über bisherige chinesische Restriktionen hinausgehen würden, bemängelt der China-Experte.