Stellenstreichungen gegen Aktionärsfrust
23. Mai 2018Mit Ach und Krach hält sich der Aktienkurs über zehn Euro. Zehn Euro! Das ist meilenweit weg vom Allzeithoch von über 108 Euro, erreicht vor ziemlich genau elf Jahren, im Mai 2007. Was danach kam, ist bekannt: Die Lehman-Pleite, die Weltfinanzkrise, milliardenteure Bankenrettungen, in der Folge strengere Regulierung und eine seit Jahren anhaltende Niedrigzinsphase. Während sich aber andere Großbanken, mit denen sich die Deutsche Bank so gerne gemessen hat und in deren Liga sie mitspielen wollte, erholt haben und wieder ordentlich Geld verdienen, dümpelt Deutschlands größte Bank in sumpfigen Gewässern vor sich hin.
Als sich die gebeutelten Aktionäre der Bank vor einem Jahr in der Frankfurter Festhalle trafen, da war wenigstens so etwas wie Aufbruchstimmung zu spüren. Der damals amtierende Vorstandschef John Cryan hatte den Laden wieder einigermaßen auf Kurs gebracht, die allerdicksten Brocken der milliardenschweren Rechtsstreitigkeiten aus dem Weg geräumt. Der Preis allerdings dafür war hoch: Verluste statt Gewinne, keine Zeit, sich über eine neue Strategie Gedanken zu machen. Dazu Ärger mit neuen Anteilseignern wie der HNA-Gruppe aus China. Und irgendwann gegen Ende des vergangenen Jahres wurde klar: Wieder wird im Geschäftsbericht unterm Strich ein dickes Minus stehen.
Und wieder ein neuer Chef
Die Deutsche Bank blieb in den Schlagzeilen, und am Ende musste John Cryan seinen Hut nehmen. Mit Christian Sewing sitzt seit Anfang April nun erstmals seit 16 Jahren wieder ein Deutscher allein auf dem Chefsessel der Deutschen Bank, dazu einer, der fast sein ganzen Berufsleben im Haus verbracht hat. Der 48jährige hat auch schon einen groben Plan skizziert: Mehr Deutschland und Europa, weniger riskantes Investmentbanking, mehr Geschäft mit Privat- und Firmenkunden. Nun wird er in seiner wohl bislang wichtigsten Rede den Aktionären darlegen müssen, wie er diesen Weg zu gehen gedenkt - und vor allem: Ob es damit wirklich wieder besser werden kann.
Denn genau diesen Glauben haben die Anteilseigner längst verloren. Druck machen vor allem die Großaktionäre - das Emirat Katar, der schon erwähnte chinesische Mischkonzern HNA und Blackrock, der weltgrößte Vermögensverwalter aus den USA. Sie wollen endlich Ruhe im Karton und mit ihrem Investment Geld verdienen. Mit einer mickrigen Dividende von gerade mal elf Cent sind sie definitiv nicht zufrieden. Mehr aber kann sich die Bank derzeit nicht leisten - und Hoffnung auf Besserung ist nicht in Sicht.
Nun ist ein weiterer Stellenabbau in größerem Stil geplant. Die Zahl von derzeit mehr als 97.000 soll auf deutlich unter 90.000 sinken. Das kündigte das Institut kurz vor dem Beginn der Hauptversammlung in Frankfurt an. Der abgelöste Vorstandschef Cryan hatte 2015 schon die Streichung von etwa 9000 Jobs eingeleitet. Vor allem ihr Aktiengeschäft will die Bank umbauen. Hier sollen insgesamt etwa 25 Prozent der Stellen wegfallen
Ärger für Achleitner
Und dann sind da natürlich die Kleinaktionäre, die ihrem Ärger wieder Luft machen werden. Manche krawallig, andere mit Substanz und guten Argumenten. Die meisten jedenfalls machen sich ernsthafte Sorgen um den Zustand der Deutschen Bank, Analysten. "Schlechte Zahlen, falsche Strategie", sagt zum Beispiel Ingo Speich von der Anlagegesellschaft Union Investment. Und sein Kollege Andreas Thomae von der Deka-Bank fasst die Lage so zusammen: "Aktienkurs unterirdisch, Kosten viel zu hoch, Erträge noch niedriger als vor Jahren versprochen." Und Klaus Nieding von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) hat zur Orchestrierung des Chefwechsels im Frühjahr nur ein Wort: "Unprofessionell."
Da wird sich also eine Menge Kritik entladen, vor allem am seit sechs Jahren amtierenden Aufsichtsratschef Paul Achleitner. Ihm werfen viele vor, der eigentlich Schuldige an der Krise der Bank zu sein. Gleichwohl wurde sein Vertrag im vergangenen Jahr um weitere fünf Jahre verlängert - von der Aktionärsversammlung. Auch in diesem Jahr wird der Österreicheer wohl wieder eine Menge ertragen müssen, aber dafür bekommt er schließlich auch eine Menge Geld. Und um seine Wiederwahl muss er nicht fürchten, das haben einflussreiche Aktionärsberater bereits angedeutet. Denn noch mehr Unruhe in der Bank kann keiner brauchen.
Die kommt von ganz allein: Noch im Mai will die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) entscheiden, die Bewertung der Bank womöglich zu senken. Und die Analysten der Großbank Barclays sorgten kurz vor der Hauptversammlung für noch mehr schlechte Laune: Die Briten sehen den Aktienkurs der Deutschen Bank bald nur noch bei acht Euro..