HNA - Der intransparente Investor
19. Januar 2018Unstillbar schien der Hunger, unaufhaltsam die Expansion des chinesischen HNA-Konzerns rund um den Globus. Seit 2015 hat das Unternehmen mit Sitz in Haikou auf der Insel Hainan rund 40 Milliarden Dollar in Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen gesteckt - das ist rekordverdächtig. Zu Beginn des vergangenen Jahres hatte sich HNA bei der Deutschen Bank eingekauft - und sich 9,9 Prozent der Anteile am deutschen Branchenprimus gesichert. Damit ist HNA größter Einzelaktionär der Deutschen Bank.
HNA hat sich aber auch die Hotelkette Hilton einverleibt oder die Investmentgesellschaft Skybridge Capital aufgekauft. Im Nachbarland Schweiz hat das chinesische Unternehmen sich den Flugzeug-Caterer Gate Group unter den Nagel gerissen. Und - um quasi wieder in der Nachbarschaft zu landen - ist HNA mittlerweile auch die Eigentümerin des Regionalflughafens Hahn in der Nähe von Frankfurt, an dem vor allem Ryanair-Flugzeuge starten und landen. Dieser Kauf aber gehört zu den eher kleineren Fischen im Biotop des Mischkonzerns.
Katze aus dem Sack
Jedenfalls scheint diese bislang quasi ungebremste Expansion zunehmend Kratzer aufzuweisen. Worüber schon länger spekuliert wurde, ist jetzt raus: HNA hat mit Finanzengpässen zu kämpfen. Aus Sicht des Unternehmens allerdings stellt sich das ein klein wenig anders dar: Man sei zuversichtlich, die Probleme zu meistern und überzeugt, weiter auf Unterstützung durch Banken und andere Kreditgeber zählen zu können.
Wer solch eine Zuversicht verbreiten muss, dürfte allerdings unter ziemlichem Zugzwang stehen. Seit einiger Zeit ist bekannt, dass HNA zuweilen unter Finanzengpässen leidet. Und das ist auch kein Wunder. Denn die beispiellose Expansion hat HNA überwiegend über Kredite finanziert. Deswegen hat der Mischkonzern einen riesigen Schuldenberg aufgetürmt. Und der muss in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen wieder refinanziert, also erneuert werden, sprich: Alte Kredite müssen bedient, neue dafür aufgenommen werden. Dass es hier nicht um "Peanuts" geht, hat das Unternehmen selbst öffentlich gemacht: Nach eigener Schätzung der HNA belaufen sich die Schulden mittlerweile auf mehr als 100 Milliarden US-Dollar.
Vermeintliche Ursachen
Nach Auskunft des Verwaltungsratschefs von HNA, Cheng Feng, seien die Probleme vor allem wegen externer Unwägbarkeiten entstanden. Eine große Zahl von Fusionen habe sein Unternehmen stemmen müssen; das Marktumfeld sei schwieriger geworden und die "Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed und eine rigidere Kreditpolitik in China" hätten bei vielen chinesischen Unternehmen am Jahresende zu Problemen geführt, sagte Cheng der Agentur Reuters.
Und schließlich erreiche auch die chinesische Wirtschaft nur noch relativ moderate Wachstumsraten, was zum Problem beigetragen habe. Das wiederum mag verwundern, denn immerhin ist die chinesische Wirtschaft in den vergangenen Jahren mehr oder minder unverändert zwischen 6,5 und 7 Prozent gewachsen - 2017 betrug das Wachstum im Vergleich zum Vorjahr 6,9 Prozent und ist damit deutlich besser ausgefallen als noch vor einigen Monaten erwartet worden war.
Aufseher werden aktiv
Wie auch immer, jedenfalls hat HNA zunehmend Probleme damit, sich zu vernünftigen Konditionen neue Kredite zu beschaffen. Banken hatten sich besorgt gezeigt unter anderem, weil die Rückzahlung von Krediten durch HNA auf sich warten ließ. Insidern zu Folge hatten einige Fluggesellschaften des Konzerns Leasingraten für Flugzeuge ebenfalls unpünktlich bezahlt.
Dass Kreditgeber vorsichtiger sind oder im Zweifel zur Absicherung ihres Risikos höhere Zinsen von HNA verlangen, dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Eigentümerstruktur bei HNA ziemlich undurchsichtig, um nicht zu sagen: nebulös ist. Seit langem gibt es Spekulationen darüber, ob die HNA wirklich von privaten Investoren getragen wird, oder ob nicht auch der chinesische Staat über Parteikader seine Finger mit im Spiel hat.
Die intransparente Eigentümerstruktur von HNA hat nun offenbar auch die US-Regierung auf den Plan gerufen. Wie Insider in Washington berichten, fordert die US-Regierung das Unternehmen in dieser Hinsicht zu mehr Transparenz auf. Demnach will die US-Regierung keine Investitionen von HNA in den USA mehr genehmigen, solange nicht mehr Transparenz herrsche.
Prüfkriterien auf dem Prüfstand
Auch hiesige Kontrolleure könnten HNA als Großaktionär der Deutschen Bank in Zukunft stärker in den Fokus nehmen. So heißt es, dass die Europäische Zentralbank noch in diesem ersten Quartal des Jahres entscheiden wird, ob sie HNA mittels eines so genannten "Inhaberkontrollverfahrens" durchleuchten will. "Ich fände das gut", sagt Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. "Je nach Ausgang der Prüfung würde das mehr Sicherheit bringen".
Eigentlich sieht das deutsche Kreditwesengesetz eine Prüfung erst dann vor, wenn ein Aktionär mehr als zehn Prozent an einem Unternehmen hält. HNA bleibt mit 9,9 Prozent hauchdünn unter dieser Schwelle – wohl nicht ohne Grund. Es gibt aber auch Ausnahmeregelungen, die können dann ein Verfahren auch bei einem Anteil unter zehn Prozent ermöglichen. Etwa dann, wenn Großaktionäre erheblichen Einfluss auf das Unternehmen haben, auch wenn sie weniger Anteile besitzen. Das dürfte bei der Deutschen Bank gut zu argumentieren sein - immerhin sitzt ein Vertreter von HNA im Aufsichtsrat des größten deutschen Geldhauses.