Der SPD-Herausforderer: Peer Steinbrück
22. September 2013"Er kann es", sagte bereits im Jahr 2011 Altbundeskanzler Helmut Schmidt von der SPD über seinen Parteifreund Peer Steinbrück und lobte nicht nur dessen Qualitäten beim gemeinsamen, leidenschaftlichen Schachspielen. Keine Bedeutung hatte für Schmidt, dass der heute 66-jährige Diplom-Volkswirt aus Hamburg und spätere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück als Schüler einst schlechte Noten im Fach Mathematik erhielt und sogar zwei Schuljahre bis zum Abitur nachholen musste.
Entscheidend für die Empfehlung Schmidts war vielmehr, wie sich Steinbrück mit seinen Fachkenntnissen nach seinem Wirtschaftsstudium vom Referenten im Kanzleramt (1978 bis 1981 unter Helmut Schmidt) über Positionen in mehreren Behörden und Ministerien bis zum Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und schließlich zum Bundesfinanzminister hochgearbeitet hatte. In dieses Amt kam Steinbrück im Jahr 2005.
Er hatte gerade als Spitzenkandidat der SPD die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gegen die CDU verloren. Nur wenig später benötigte die damalige Kanzlerkandidatin Angela Merkel nach der Bundestagswahl für die CDU/CSU die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten, um eine mehrheitsfähige Bundesregierung stellen zu können. Die SPD empfahl für die Große Koalition Peer Steinbrück als Chef für das Finanzressort. In dieser Rolle kämpfte Steinbrück in enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit Kanzlerin Angela Merkel gegen die Finanzkrise. Als diese sich 2009 zuspitzte, drohten Sparer die Banken in Deutschland zu stürmen, um ihr Geld von den Konten zu räumen. Bei einem beherzten gemeinsamen öffentlichen Auftritt sichern Steinbrück und Merkel zu, dass alle Sparguthaben auf Banken in Deutschland sicher seien.
Dabei setzte Steinbrück sich in seiner Zeit als Bundesfinanzminister vor Ausbruch der Finanzkrise auch für viele später umstrittene Finanzinstrumente ein. Gefördert wurden zum Beispiel Immobilieninvestoren mit ihrer Praxis, Immobilienkredite zu bündeln und weiter zu verkaufen.
Steinbrücks politische Handicaps
Steinbrücks Politikstil gilt als ruppig, belehrend und wenig diplomatisch, weil er oft sehr direkt sagt, was er denkt. Wegbegleiter beschreiben den ausgewiesenen Macher zudem als äußerst ungeduldig. Als es darum ging, die Steuerflucht einzudämmen, die Schweiz als beliebter Ort für Schwarzgelder aber einen Datenaustausch verweigert, drohte Steinbrück mit Zwangsmaßnahmen eine harte Gangart an. Seine kraftvolle Formulierung, "die Kavallerie gegen die Schweiz marschieren zu lassen", sorgte für erhebliche diplomatische Verstimmung.
Schon zu Zeiten als Landesfinanzminister und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen hatte Peer Steinbrück die so genannte Agenda 2010 unterstützt. Mit den drastischen Reformen wollte der ehemalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder den Arbeitsmarkt umbauen und die damals hohe Arbeitslosigkeit verringern. Der Versuch, staatliche Leistungen zu kürzen und mehr Eigenverantwortung im Fall von Arbeitslosigkeit einzufordern, sollte durch vereinfachte Leiharbeitsverhältnisse und einen erweiterten Niedriglohnsektor unterstützt werden. Die Idee fand Steinbrück gut. Es entstand tatsächlich eine Art Jobwunder, von dem die Regierung Merkel bis heute profitiert. Nicht aber Steinbrück. Viele Regelungen wurden nämlich von Arbeitgebern ausgenutzt. Heute verdienen rund zwanzig Prozent aller Arbeitnehmer in Deutschland Löhne, von denen sie ihr Leben kaum bestreiten können.
Peer Steinbrück stellt jetzt als SPD-Kanzlerkandidat fest: "Da ist etwas ganz entscheidend falsch gelaufen. Die Gesellschaft droht auseinander zu driften". Dem wolle er dringend begegnen. Steinbrück wirbt für eine soziale Marktwirtschaft, die das Gemeinwohl wieder in den Vordergrund stellt. Kritiker bezeichnen jedoch die politische Kehrtwende des Peer Steinbrück als unglaubwürdig. Dazu gehört auch seine Entdeckung sozialer Ziele wie der von ihm geforderte bundesweite Mindestlohn. Wahlkampfbeobachter führen das Defizit an Glaubwürdigkeit auch auf Steinbrücks persönliche Herkunft zurück. Der Kandidat stammt aus einer gehobenen Hamburger Kaufmannsfamilie und wirkt sehr bürgerlich. Es gibt aber noch einen anderen wunden Punkt.
Fehlstart des Wahlkampfs
Bei der Bundestagwahl 2009 hatte Angela Merkel mit ihrer CDU/CSU und den Liberalen in der FDP so viele Wählerstimmen erhalten, dass sie ohne die SPD regieren konnte. Peer Steinbrück wurde wieder ganz normaler Abgeordneter und erklärte seinen Rückzug aus der Spitzenpolitik. Stattdessen schrieb er ein erfolgreiches Buch ("Unterm Strich") über seine Regierungszeit, übernahm Honorarprofessuren an Universitäten und wurde hoch bezahlter Vortragsreisender. Noch im Jahr 2010 glaubte Steinbrück nicht, dass er noch einmal ein hohes politisches Amt bekleiden würde. Doch dann kam alles ganz anders.
Mit fast 94 Prozent der Stimmen wurde er auf dem SPD-Sonderparteitag zum Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2013 gewählt. Die Euphorie hielt nicht lange. Denn kurz danach gelangt an die Öffentlichkeit, dass Steinbrück mit Vorträgen bei Banken und Finanzberatungsfirmen über eine Million Euro verdient hatte. Noch schlimmer wog: Er sah diesen Umstand zunächst als reine Privatangelegenheit an und wollte dazu lange keine Auskunft geben. Schließlich legte er doch alles offen. Als Steinbrück dann noch das künftige Kanzlergehalt als zu gering kritisierte und meinte, er würde keine Billigweine trinken, war der Spitzenkandidat schwer beschädigt. Das alles passte nicht zum Image eines SPD-Kämpfers für die kleinen Leute auf der Straße.
Die Umfragen sehen nicht gut aus - der Abstand zu Angela Merkel scheint uneinholbar. Peer Steinbrück lässt sich dadurch nicht entmutigen. Er kämpft. "Es hat schon 2005 für die SPD vor der Wahl schlechter ausgesehen und sich später als besser herausgestellt", meint Steinbrück.
Der SPD Kanzlerkandidat hat sich in den letzten Wochen mit überwiegend sachlichem Ton weiter für sein Programm eingesetzt. Mit Steuererhöhungen für Spitzenverdiener sollen vor allem soziale Missstände im Land behoben und all jene gefördert werden, die "noch etwas nach vorne bringen wollen".
So möchte Steinbrück vor allem berufstätige Frauen unterstützen. Sie sollen den gleichen Lohn wie Männer erhalten, eine verbesserte Kinderbetreuung und Altersvorsorge. Steinbrück hat nach Meinung seiner Anhänger noch einen Trumpf im Ärmel. Er sei authentisch und als Politiker so verlässlich wie als Privatmann. Peer Steinbrück ist mit seiner Ehefrau, einer Biologie und Politiklehrerin, seit 38 Jahren verheiratet und Vater von drei inzwischen erwachsenen Kindern. Als politischen Partner sieht Steinbrück die CDU und Angela Merkel nicht mehr. Sein Argument: "Frau Merkel verwaltet Deutschland nur noch. Sie gestaltet zu wenig." Wunschpartner für eine Koalition sind für Steinbrück jetzt die Grünen.