Decoding China: Vorsichtige Annäherung an Australien
22. März 2024Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert des Pazifiks sein. Nach dem politischen und wirtschaftlichen Aufstieg Chinas suchen nun Peking und Canberra nach einem friedlichen Miteinander am "Friedlichen Ozean". Die bilateralen Beziehungen waren schon etwas eingerostet, bevor der Premier Anthony Albanese 2022 ins Amt gewählt worden war. Nach der Aufhebung der Corona-Reiseeinschränkungen reiste er mit Außenministerin Penny Wong im Herbst 2023 nach China, um einen Neustart herbeizuführen. Und das letzte Mal war Chinas Außenminister Wang Yi 2017 in Australien gewesen. Es sind seitdem also bereits mehr als sieben Jahre vergangen.
Anlass für die Reise Wang Yis ist, den geplanten offiziellen Besuch des chinesischen Premierministers Li Qiang in diesem Jahr vorzubereiten. Darüber hinaus gibt es jetzt schon genug anderen brisanten Diskussionsstoff. So wurde Ende Februar ein australischer Autor chinesischer Abstammung wegen Spionage zum Tode verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Der Schriftsteller Yang Hengjun, der seit 2002 die australische Staatsangehörigkeit besitzt, soll für den Nachrichtendienst von Taiwan auf dem Festland spioniert haben und wurde 2019 verhaftet. Yang selbst bestritt alle Vorwürfe. Der Autor hatte die Regierung Chinas immer wieder scharf kritisiert.
"Australien war schockiert, als das Todesurteil verkündet wurde", sagte Australiens Außenministerin Penny Wong nach dem Treffen mit ihrem chinesischen Amtskollegen. "Die australische Regierung wird sich weiterhin für Yang einsetzen."
Auch die geplante Novellierung des Hongkonger Basic Law durch das Stadtparlament, bei der Straftatbestände wie Subversion und Staatsverrat ins Grundgesetz aufgenommen werden sollen, sorgt für trübe Stimmung. Sie werde "Rechte und Freiheiten weiter aushöhlen", sagt Außenministerin Wong. Dieser Schritt verstoße gegen internationale Verpflichtungen und habe "weitreichende Auswirkungen".
Handel als Köder
Wie Neuseeland, das Wang zuvor besucht hatte, ist Australien Teil des Geheimdienst-Bündnisses "Five Eyes", zu dem auch die USA, Großbritannien und Kanada gehören. Alle Mitgliedsstaaten fühlen sich durch den Aufstieg Chinas verunsichert. Australien versucht dabei noch einen Balanceakt zwischen politischen Interessen im demokratischen Bündnis und den wirtschaftlichen Bedürfnissen.
"Yu Zhong Guo mi qie guan xi fu he ao da li ya guo jia li yi", sagte Australiens Premier Anthony Albanese im Juni 2018 auf Chinesisch zu Wirtschaftsvertretern, damals allerdings als Repräsentant der seinerzeit oppositionellen Labor Party ALP. Übersetzt heißt das: "Der Ausbau der Beziehungen zu China liegt im nationalen Interesse Australiens".
Der chinesische Außenminister Wang wirft nun diese wirtschaftlichen Interessen in die Waagschale und versucht damit, Australien auf einen freundlicheren Kurs gegenüber Peking zu bringen. Kurz vor seiner Abreise kündigte China an, die Strafzölle auf Weinimporte aus Australien aussetzen zu wollen. Peking verhängte im März 2021 Strafabgaben bis zu 220 Prozent auf die edlen Tropfen aus Australien - für fünf Jahre. Dagegen hatte Australien vor der Welthandelsorganisation geklagt.
Jetzt hofft Australien, dass die Hürden auch beim Export weiterer Lebensmittel für die wachsende und konsumfreudige Mittelschicht in China niedriger werden. Derzeit erwirtschaftete Australien 80 Prozent des Exportüberschusses im Chinageschäft. "Wir sind sehr stolz auf unsere Hummer und unser Rindfleisch. Es wäre auch für chinesische Kunden vorteilhaft, wenn diese Produkte ohne Einschränkungen den Zugang zum chinesischen Markt finden würden", sagt Wong, die ebenfalls chinesische Wurzeln hat. Ihr Vater war ein Chinese aus Malaysia.
Forderung nach Distanz zu den USA
Peking will nach dem Motto "Teile und herrsche" offenbar einen Keil zwischen Australien und die USA treiben. Chinas Spitzendiplomat fordert im Gespräch mit Wong "eine unabhängige Politik". Außenminister Wang hebt dabei den Zeigefinger, ohne die Vereinigten Staaten direkt zu erwähnen: "Australien sollte den Grundsatz der Unabhängigkeit walten lassen. Die Beziehungen zwischen China und Australien richten sich nicht gegen Drittparteien. Sie sollen auch nicht von Drittparteien beeinflusst oder gar gestört werden."
"Die größte Signifikanz der Begegnung ist die weitere Stabilisierung der Beziehungen", sagt David Speers, Kommentator vom australischen öffentlich-rechtlichen Sender ABC. "Ich denke, Peking hat schon viele Goodies im Gepäck - wie die Aufhebung der Handelsbeschränkungen."
Vor zehn Jahren beschlossen Australien und China "die umfassende strategische Partnerschaft". Wang will diese Partnerschaft nun mit neuen Inhalten füllen. "China und Australien gelang es unter gemeinsamen Anstrengungen, das Eis zu brechen. Wir sollen nun gemeinsam die Partnerschaft reifer, stabiler und fruchtbarer gestalten." Allerdings ist sein Optimismus offenbar nicht wirklich angekommen. Distanziert und nüchtern bilanziert Außenministerin Wong: "China bleibt China, Australien bliebt Australien." Diese Aussage wiederholt Wong auf der 14-minütigen Pressekonferenz nach dem Treffen gleich zweimal.
"Decoding China" ist eine DW-Serie, die chinesische Positionen und Argumentationen zu aktuellen internationalen Themen aus der deutschen und europäischen Perspektive kritisch einordnet.