Der Besuch hatte das Ziel, das Verhältnis der beiden Länder zu verbessern, sagte Australiens Premierminister Anthony Albanese nach seiner Begegnung mit dem chinesischen Machthaber Xi Jinping in Peking. Das Verhältnis der beiden Länder verschlechterte sich rapide, nachdem Canberra Auskunft von Peking über den Ausbruch der Corona-Pandemie erbeten hatte. Obwohl solche Daten absolut unerlässlich sind, um den COVID-19-Ausbruch zu verstehen und künftige Pandemien zu vermeiden, bei denen Millionen Menschen umkommen können, hat Peking eine Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft in dieser Frage bisher verweigert.
Demokratien wenden sich ab
Der Zusammenprall mit der Weltöffentlichkeit über den COVID-Ausbruch ist nur eines von vielen Beispielen, die zeigen, wie sehr sich Chinas Standing in der freien Welt zum Schlechten gewendet hat - auch in Australien. Umfragen in allen Demokratien zeigen, dass Xi Jinping den Bogen mit seiner aggressiven Wolfskrieger-Diplomatie überspannt und eine Außen- und Handelspolitik losgetreten hat, die ein "De-risking” oder gar ein "De-coupling” von der chinesischen Wirtschaft zum Ziel hat. Von Australien bis Indien formieren sich neue Militärbündnisse, bestehende Allianzen werden gefestigt. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind für die von China bedrohten Länder in der unmittelbaren Peripherie der Volksrepublik unabdingbar. Diese Entwicklung ist das Gegenteil von dem, was Xi eigentlich erreichen wollte.
Von daher kann die Charme-Offensive gegenüber Australien als ein Versuch gedeutet werden, die chinesische Aggression in dieser Weltregion herunterzufahren. Chinas Marine nämlich hat sich in der jüngeren Vergangenheit in der Nähe der australischen Küste getummelt, um Canberra einzuschüchtern und den Anspruch Xis zu unterstreichen, nun die imperiale Übermacht im Pazifik zu sein. Ebenso verhalten positiv aufgenommen werden derzeit seichte Zeichen der Entspannung bei Canberras wichtigstem Bündnispartner, den USA. Es wird ausgelotet, ob sich US-Präsident Joe Biden und der chinesische Führer Xi im November in San Francisco am Rande eines Wirtschaftsgipfels persönlich begegnen und miteinander sprechen könnten.
Chinas Interesse an einer unübersichtlichen Gemengelage
Die Vereinigten Staaten, die ein enger Verbündeter der Anrainerstaaten des Westpazifiks sind, allen voran der kleinen Inselnation Taiwan, liegen mit Peking in einer Reihe von Streitfragen über Kreuz. Jede Entspannung ist da willkommen, für Washington vor allem aus geopolitischer Sicht, für Peking hingegen spielt das ökonomische Überleben die entscheidende Rolle. Als enger Verbündeter der Ukraine, Israels und Taiwans käme es den USA zupass, würde China seinen Einfluss auf Russland, Nordkorea, die Hamas und den Iran nutzen, um die Lage zu deeskalieren. Peking hat trotz anders lautender Ankündigungen in keinem der bestehenden Konflikte einen Versuch unternommen, als Mediator aufzutreten, sondern bleibt an einer maximal unübersichtlichen Lage interessiert, weil dies in Xis Augen die Aufmerksamkeit der USA bindet.
Die Kommunistische Partei braucht für ihr Überleben allerdings eine florierende Wirtschaft, an deren Erträgen das Land nur dann partizipieren kann, wenn es im Welthandel eingebunden und dieser funktionstüchtig bleibt. Je mehr Kriege die Verbündeten Chinas mit der Billigung Pekings vom Zaun brechen, desto schwieriger wird es für Xi Jinping werden, die Menschen in China mit seinem Aufstiegsversprechen eines "Sozialismus mit chinesischen Charakteristika" bei der Stange zu halten. Die USA sind ökonomisch weiterhin das Powerhaus der Welt, die Beschäftigungszahlen sind in den vergangenen Monaten in den Himmel geklettert, wohingegen Peking mit den höchsten Arbeitslosenzahlen seit Beginn der Aufzeichnungen leben muss.
Nur ein erster Schritt
In diesem Sinne ist das gerade beginnende Tauwetter zwischen der Volksrepublik und Australien eine gute Nachricht für die Ökonomie beider Staaten. In den vergangenen Jahren hat Peking mehr als einmal Lieferungen aus Australien in chinesischen Häfen verrotten lassen und die bestellte Ware weder abgenommen noch bezahlt. Je mehr Handel wieder möglich wird, desto besser für die chinesische Wirtschaft. Seine neue ökonomische Konzilianz wird sich Xi Jinping an anderer Stelle von Canberra in politisch loyaler Münze zurückzahlen lassen, sollte sich Peking beispielsweise erneut mit den USA oder dem Vereinigten Königreich streiten, beide enge Partner Australiens. Für den Moment bleibt die Begegnung von Xi und Albanese erst einmal ein Erfolg. Was daraus auf lange Sicht folgt, ist derzeit noch ungewiss.
Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Adjunct Professor an der Gallatin School der New York University, wo er Demokratietheorie unterrichtet. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die Demokratien in Asien bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und den Universitäten von Cambridge und Oxford inne. Alexander Görlach lebt in New York und in Berlin.