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PolitikChina

Wo steht China im Israel-Hamas-Konflikt?

Dang Yuan
4. November 2023

Die Pekinger Regierung will im Krieg zwischen Israel und der Hamas vermitteln. China verurteilt Gewalt von beiden Parteien. In der Öffentlichkeit herrscht aber Feindseligkeit gegenüber Israel.

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Der chinesische Botschafter in den USA Zhang Jun bei einer Krisensitzung des UN-Sicherheitsrats
Chinas UN-Botschafter Zhang Jun (Archiv)Bild: ASSOCIATED PRESS/picture alliance

Steht man in der chinesischen Finanzmetropole Shanghai am Ufer des Flusses Huangpu, ist ein hohes Gebäude mit grünem Kupferdach unübersehbar. Im heutigen Peace Hotel nächtigten gerne Staatsgäste wie US-Präsidenten Ronald Reagan und Bill Clinton sowie Stars wie Charlie Chaplin und George Bernard Shaw. Was weniger bekannt ist: Das Gästehaus hieß bis 1949 Cathay Hotel. Es wurde 1929 erbaut von dem jüdischen Kaufmann Victor Sassoon. Es war einige Jahre lang das höchste Gebäude der Stadt.

Sassoon zog in den 1920er Jahren nach Shanghai und baute dort ein Firmenimperium auf. Im Zweiten Weltkrieg konnte mit seiner Unterstützung eine etwa 2,5 Quadratkilometer große Siedlung gebaut werden, wo rund 20.000 Juden aus Europa Schutz vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten fanden.

China Shanghai Peace Hotel Ex-Cathay Hotel
Peace Hotel (l.) mit grünem PyramidendachBild: Xu Ruikang/HPIC/dpa/picture-alliance

Doch nach dem Krieg und der Machtübernahme der Kommunisten verließen die meisten Juden Shanghai. Victor Sassoon wurde gezwungen, seine Unternehmen unter Wert an die Kommunistische Partei Chinas zu verkaufen.

Der Fall Sassoon zeigt, wie die Kommunisten den Juden und später dem jungen Staat Israel begegneten: mit Vorurteilen. Während des Kalten Kriegs erklärte China sich immer solidarisch mit den arabischen Verbündeten und votierte im Rahmen der UN stets gegen Israel. Erst 1992 nahmen China und Israel offiziell diplomatische Beziehungen auf.

China Shanghai Peace Hotel Ex-Cathay Hotel
Undatiertes Foto vom Shanghaier Bund, vermutlich aufgenommen in den 1940er- Jahren. Das Cathay Hotel mit dem Pyramidendach ist unübersehbarBild: CPA Media Co. Ltd/picture alliance

China. Handel mit Israel an erster Stelle

Seit der Normalisierung war Israel für China vor allem ein Handelspartner. Mit Israel wurden 2023 Waren im Wert von 22 Milliarden Dollar gehandelt. Das Volumen entspricht der Handelsbilanz zwischen China und dem EU-Land Schweden.

Im Oktober 2023 hätte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach China reisen sollen. Auf seiner Agenda hätte der Abschluss eines Freihandelsabkommens mit China gestanden. Der Besuch wurde aufgrund des terroristischen Überfalls der militant-islamistischen Hamas auf Israel verschoben.

In offiziellen Dokumenten beider Staaten geht es fast ausschließlich um Wirtschaft und Handel. Der Konflikt in Nahost war nie das große Thema. In der Abschlusserklärung nach dem letzten Besuch von Netanjahu in Peking 2017 hieß es zum Beispiel lediglich, China wolle mit Israel gemeinsame Innovationen voranbringen und Hightech-Start-ups fördern.

Israelischer Ministerpräsident Benjamin Netanjahu spricht auf einer Pressekonferenz in Tel Aviv
Israels Ministerpräsident NetanjahuBild: imago images/Xinhua

China sieht Israel vor allem als Verbündeten der USA

Zugleich zieht China in der Politik stets eine direkte Linie von Israel zu den USA, dem großen geopolitischen Rivalen Pekings. Der chinesische UN-Botschafter Zhang Jun, der im November den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat übernommen hat, sagte: "China ruft die Großmacht auf, die den größten Einfluss auf die betroffene Partei hat, ihre eigenen Interessen und geopolitischen Erwägungen beiseitezulegen und alle Anstrengungen zu unternehmen, den Krieg zu beenden und den Frieden wiederherzustellen." Gemeint waren die USA, denen Zhang Jun implizit ein Interesse am Krieg unterstellte. 

"Israel ist eine konsolidierte Demokratie, fest verankert in seinem Bündnis mit den Vereinigten Staaten von Amerika", sagt Eberhard Sandschneider, Politologe und Partner der Beratungsfirma Berlin Global Advisors der DW. "Von daher steht Israel aus chinesischer Sicht geopolitisch auf der anderen Seite dessen, was China im Augenblick vorhat, nämlich eine Stärkung des antiwestlichen Bündnisses."

Die Flaggen Chinas und Israels wehen im Wind
China und Israel stehen politisch in unterschiedlichen LagernBild: Liu Hung Chin/Zoonar/picture alliance

Israelkritische Stimmen und "ahnungslose Hohlköpfe"

Die anti-westliche Stimmung schlägt sich auch in den von chinesischen Zensoren streng überwachten Onlineforen der Volksrepublik nieder. Die Kriegshandlungen werden als "Terrorisierung des schwächeren muslimischen Volks durch das deutlich überlegene Volk der Juden" wahrgenommen. Dieses rassistisch konnotierte Stereotyp ist in den sozialen Medien Chinas weit verbreitet.

Von Weibo, der beliebtesten Plattform in China, wissen die Nutzer, dass die deutsche Bundesregierung "unverbrüchlich" an der Seite Israels steht. Hunderte antisemitische Kommentare finden sich als Reaktion auf der Seite der deutschen Botschaft. "Aggressoren!", schreibt ein Nutzer mit dem Namen "Hi, niger ager". Und weiter: "Die Nazis in Deutschland und Israel haben sich vereinigt und treten gemeinsam gegen die Menschlichkeit an."

Die Antwort der deutschen Auslandsvertretung auf diesen und vergleichbare Posts war unmissverständlich und sehr direkt: "Es ist ziemlich dämlich, alle möglichen Menschen wahllos als Nazi zu bezeichnen. Wer in seinem Profilbild die Flagge Israels mit einem Hakenkreuz kombiniert, ist entweder ein ahnungsloser Hohlkopf oder ein gewissenloser Mistkerl. Solche Accounts werden von uns geblockt."

Screenshot der Weibo-Seite von der deutschen Botschaft in China
Bild: Weibo/Deutsche Botschaft in China

Palästina - relevant für China 

Anders als solche Stimmen der Öffentlichkeit behauptet die Regierung in Peking, ein neutraler Akteur im Nahostkonflikt zu sein. Dennoch kritisiert China vor allem Israel.

Wang Yi, Chinas Außenminister, bezeichnet die israelischen Kampfhandlungen als "unverhältnismäßig". Sie überstiegen bei Weitem die Grenze der Selbstverteidigung. Die Menschen in Gaza dürften nicht kollektiv bestraft werden, so Wang weiter. Im UN-Sicherheitsrat will UN-Botschafter Zhang nach eigenen Worten auf die berechtigten Sicherheitsinteressen beider Kriegsparteien achten und den Frieden wieder herstellen.

Mit der islamistischen Terrororganisation Hamas, die den Gazastreifen kontrollierte, unterhält Peking keinen regelmäßigen Austausch. Dafür aber mit der PLO-Führung (Palästinensische Befreiungsorganisation) in den palästinensischen Gebieten, die von 138 Staaten der Welt als Staat anerkannt werden, aber nicht von Israel, den USA oder Deutschland. China schloss im Sommer 2023 eine "umfassende strategische Partnerschaft mit Palästina". 

Im Abschlusskommuniqué vom 14. Juni 2023 nach Gesprächen zwischen Präsident Xi Jinping und Präsident Mahmud Abbas hieß es: "China unterstützt die Gründung eines souveränen Staats Palästina auf der Grundlage der Grenzziehung von 1967 und mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. China unterstützt die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen zwischen Palästina und Israel auf der Grundlage des Prinzips 'Land für Frieden', der einschlägigen UN-Resolutionen und der Zweistaatenlösung."

China Präsident Xi schüttelt PLO-Chef Mahmud Abbas die Hand
Präsident Xi Jinping und PLO-Chef Mahmud Abbas im Juni 2023 in PekingBild: Jade Gao//AFP/AP/picture alliance

Palästinenser schweigen zu Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang

Als Gegenleistung bekennt sich Palästina, vertreten durch die PLO, zur "Ein-China-Politik", also dazu, dass  nur die Volksrepublik die einzige legitime Regierung Chinas ist. Außerdem übernimmt Palästina das chinesische Narrativ, dass es in der mehrheitlich muslimischen autonomen Region Xinjiang "keineswegs um Menschenrechtsfragen, sondern um die Bekämpfung von Terrorismus, Radikalisierung und Separatismus" gehe.

In Xinjiang hat Peking seit Jahren einen engmaschigen Überwachungsapparat installiert, um die Uiguren zu kontrollieren. Die Vereinten Nationen prangern "schwere Menschenrechtsverletzungen" an und sehen mögliche "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" in Xinjiang. 

China habe schon immer enge politische Verbindung mit der PLO unterhalten, sagt Politologe Sandschneider. "Das hat historische Gründe. Befreiungsbewegungen zu unterstützen, gehört zum Selbstverständnis der chinesischen Außenpolitik." Allerdings nicht, wenn es um Xinjiang oder Taiwan geht

In diesem Kontext sucht China Unterstützer in der arabischen Welt, um seine Repression der Uiguren zu verteidigen. Verlöre Peking die Unterstützung in der arabischen Welt, könnten die aus Pekings Sicht separatistischen Kräfte in Xinjiang mehr Unterstützung aus muslimischen Ländern erhalten. Aufstände der nationalen Minderheiten wären das Worst-Case-Szenario für die KP-Führung, für die die Einheit des Landes höchste Priorität hat.

Treffen der Außenminister von Iran und Saudi-Arabien in Peking beendet lange Eiszeit
China brachte die Rivalen Saudi-Arabien und Iran zusammen. Auf dem Foto sind Außenminister Amir-Abdollahian (links), Qin Gang (mitte) und Faisal bin Farhan (rechts) am 6. April 2023 in PekingBild: Iranian Foreign Ministry/AFP

China als Vermittler im Nahost

Seit 2019 hat China einen Sondergesandten für den Nahen Osten. Er soll unter anderem den Friedensprozess zwischen Israel und den arabischen Nachbarn fördern. Seit Ausbruch der Krieges zwischen Israel und Hamas hat der aktuelle Gesandte Zhai Jun mit verschiedenen Parteien und mehreren arabischen Ländern Kontakt aufgenommen. Er erklärte, dass China für Frieden stehe und "das Versäumnis, die legitimen nationalen Rechte des palästinensischen Volkes zu schützen", als Ursache des andauernden Konflikts sehe. Er betonte China und Russland hätten den gleichen Standpunkt bezüglich des Konflikts und arbeiteten gemeinsam an der Deeskalation.

Die Betonung der Nähe zu Russland folgt einem Muster. China habe in den letzten Jahren verstärkt auf nicht-westliche Partner gesetzt und zugleich seine globale Sichtbarkeit deutlich gesteigert, so Sandschneider. "China hatte sich in den letzten Jahrzehnten im Wesentlichen aus dem Nahostkonflikt herausgehalten. Aber jetzt haben wir gesehen, dass sich China als Vermittler positioniert, wie zwischen Saudi-Arabien und dem Iran."

Im April 2023 hatte China erfolgreich eine Wiederannäherung der beiden Rivalen am Golf initiiert und war damit als Vermittler global in den Schlagzeilen geraten. Ein solcher Erfolg wird sich im Krieg zwischen Israel und Hamas nicht wiederholen, glaubt Sandschneider: "Die Glaubwürdigkeit Chinas reicht in diesem speziellen Fall zwischen Israel und der Hamas nicht wirklich sehr weit."