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Coronavirus-Mutationen kein Grund zur Panik

28. Dezember 2020

Mutationen des Coronavirus wurden in Großbritannien, Südafrika und Nigeria gefunden. Selbst wenn einige sich schneller verbreiten, sind sie nicht unbedingt gefährlicher. Die neuen Impfstoffe wirken trotzdem.

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Coronavirus- COVID-19 - Mikrografie
Bild: picture-alliance/Niaid

Nach den alarmierenden Berichten über eine hochansteckende Coronavirus-Mutation schottete sich das europäische Festland Mitte Dezember von Großbritannien ab. Laut britischen Behördenangaben ist die neue Virus-Variante bis zu 70 Prozent ansteckender als die bisher bekannte Form. Sie breitet sich vor allem in London und Südostengland rasant aus. Mittlerweile wurde das Virus auch in Europa nachgewiesen. 

Und auch in Südafrika hatten die Gesundheitsbehörden eine neue Virus-Variante nachgewiesen, die sich von der britischen unterscheidet. Jetzt kommt noch Nigeria hinzu. Von dort berichtet die panafrikanische Gesundheitsorganisation (CDC) am 24. Dezember, dass bei zwei Patientenproben eine Variante entdeckt wurde, die weder mit der britischen noch mit südafrikanischen übereinstimmt. Bislang liegen nur sehr wenige belastbare Informationen über die verschiedenen Mutationen vor. 

Die britischen Gesundheitsbehörden vermuten, dass sich die dort gefundene Variante schneller verbreitet als das bisher bekannte SARS-CoV-2. Das bedeutet aber nicht, dass diese Variante auch tatsächlich gefährlicher ist. Bislang lässt sich nur mutmaßen, dass der aktuelle Anstieg an Neuinfektionen etwas mit der neuen Variante zu tun hat. 

Auch der deutsche Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité zeigte sich wegen der neuen Mutation in Großbritannien nicht wirklich besorgt. Er wolle die Lage nicht verharmlosen und sei - wie alle anderen auch - in einer "etwas unklaren Informationslage". Es brauche mehr Informationen von Wissenschaftlern als die genannten "Schätzwerte", ob diese Mutation tatsächlich deutlich ansteckender sei, so Drosten im Deutschlandfunk. "Die sagen auch, sie müssen zumindest mal noch bis diese Woche warten, bis ein paar vorläufige Datenanalysen abgeschlossen sind, um überhaupt zu sagen, dass der Verdacht, den sie da äußern, stimmt."

Mutationen sind nicht ungewöhnlich

Dass eine solche Mutation entdeckt wird, ist nichts Ungewöhnliches. In China etwa, dem Ursprungsland der Pandemie, zirkulierte bereits vor einem halben Jahr eine neue Variante des Erregers. Im Sommer verbreitete sich von Spanien aus eine andere Variante schnell in halb Europa. Denn Viren mutieren ständig, und meistens haben diese Mutation keine oder nur minimale Auswirkungen.

Trotz aller Abschottungsversuche hat sich auch die jetzt im Süden von Großbritannien bestätigte Mutation längst auf dem europäischen Festland und in anderen Teilen der Welt verbreitet, so Virologe Drosten. Das Virus komme seit Ende September in England vor und sei im Oktober noch überhaupt nicht im Fokus gewesen. "Wir wissen jetzt: Es ist schon in Italien, in Holland, in Belgien, in Dänemark - sogar in Australien. Warum sollte es nicht in Deutschland sein?“

Wie reagiert der Körper auf Mutationen?

Normalerweise ist der menschliche Körper selber in der Lage, sich gegen Viren zu schützen. Er produziert Antikörper, die ihn gegen Virenangriffe verteidigen und immun gegen den Krankheitserreger machen.

Wenn der Krankheitserreger allerdings bereits mutiert ist und die gebildeten Antikörper auf eine ältere Version des Krankheitserregers programmiert sind, dann sind diese Antikörper deutlich weniger wirksam.

Aus dem gleichen Grund bekommen wir auch regelmäßig immer wieder einen Schnupfen. Unser Körper hat zwar bereits bei den vorherigen Schnupfen entsprechende Antikörper gebildet, aber für den erneut mutierten Krankheitserreger haben wir eben noch keine Antikörper.

Grund zur Panik besteht allerdings nicht, denn ein Virus wird durch eine Mutation nicht zwangsläufig gefährlicher. Manche Mutationen können ein Virus auch deutlich abschwächen.

Wie kommt es zu Mutationen?

Wenn der menschliche Körper Antikörper gegen ein Virus entwickelt und so einen Krankheitsausbruch verhindert, muss das Virus seine Hülle verändern, um nicht von den Antikörpern und Immunzellen erkannt zu werden. Um zu überleben, ändert es also seine äußeren Proteine und entwickelt neue Stämme.

Symbolbild DNA-Fehler
Bei jeder Reproduktionen treten Kopierfehler auf, die auch den genetischen Code des Virus verändern.Bild: picture-alliance

Um sich zu vermehren, benutzen Viren eine Wirtszelle. Wenn Viren eine solche Wirtszelle befallen, schleusen sie aus ihrem Kern die Erbinformation in die befallene Zelle ein. So reproduzieren die Körperzellen Millionen Kopien des Virus. Allerdings treten bei jeder dieser Reproduktionen kleine Kopierfehler auf und jeder dieser Fehler verändert auch den genetischen Code des Virus, es mutiert. 

Warum kann sich die neue Variante schneller verbreiten?

Das für die Krankheit COVID-19 verantwortliche Virus SARS-CoV-2 ist wie alle Coronaviren ein RNA-Virus mit einer Mutationsrate von fast einer Mutation pro Monat.

Diese unterschiedlichen Varianten erklären auch, warum ein Krankheitserreger in bestimmten Weltregionen unterschiedlich schwere Infektionswellen auslöst und warum Infektionen bei verschiedenen Menschen auch sehr unterschiedlich verlaufen können.

Illustration Mikroskop Coronavirus
Illustration der Proteine auf der Oberfläche des neuartigen Coronavirus SARS CoV-2Bild: picture-alliance/Newscom/CDC

Die in Großbritannien registrierte neue Variante weist mehrere Mutationen im Spike-Protein des Coronavirus auf - durch eine sogenannte Gendeletion fehlen ihm zwei Aminosäuren, wodurch sich das Virus möglicherweise leichter ausbreiten kann.

Einen detaillierten Steckbrief des neuen B.1.1.7.-Clusters samt Beschreibung der Deletion haben britische Forscher des COVID-19 Genomics Consortium (COG-UK) gerade erst veröffentlicht. 

Eine ähnliche Deletion war auch schon im Sommer in Ostasien beobachtet worden. Dort verursachte die mutierte SARS-CoV-2-Variante allerdings mildere Infektionen, weil sie das Coronavirus offenbar abschwächte.

Sind die neuen Impfungen jetzt wirkungslos?

Großbritannien hatte als erste westeuropäisches Land gerade erst mit einer großflächigen Impfkampagne begonnen. Die neu registrierte Mutation macht die neuen Impfstoffe aber nicht unwirksam. Diese Impfstoffe sind alle so konzipiert, dass sie die Information für das Coronavirus-Spike-Protein so kodieren, dass sie trotz Mutation unser Immunsystem entsprechend stimuliert, bestätigte auch Virologe Drosten. 

Und BioNTech-CEO Ugur Sahin sagte der Deutschen Welle im Interview, dass seine Firma den Impfstoff bereits auf 20 Mutationen hin getestet habe. Dieser habe auf alle Mutationen eine Immunantwort erzeugt. Was die jüngste Variante in Großbritannien betrifft, prüft BioNTech derzeit die Wirksamkeit des Impfstoffes im Laborversuch. 

Zum Glück braucht es mehr als ein paar Mutationen, damit ein Virus seine Proteine so verändert hat, dass sie den Immunschutz umgehen können. 

Gleichwohl wissen wir aber von der Influenza, dass zum Beispiel die Grippe-Viren sehr schnell mutieren und dass die Impfstoffe in jeder Grippesaison neu angepasst werden müssen, um wirksam zu bleiben.

Folglich werden wohl auch die Corona-Impfstoffe weiter angepasst werden müssen. Aber die während der Krise gesammelten Informationen und die neu aufgebauten Produktionskapazitäten werden künftig eine schnelle Versorgung mit günstigen Impfstoffen sicherstellen. 

Dies ist eine aktualisierte Version eines Artikels vom 15.12.2020

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund