Bundeswehr: Back to the roots
4. Mai 2018"Deutschlands Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt" - dieses Zitat des früheren Verteidigungsministers Peter Struck aus dem Jahr 2002 beschreibt treffend, worauf sich die Bundeswehr in den vergangenen zwei Jahrzehnten konzentriert hat: Auf Einsätze in Kriegs- und Krisengebieten außerhalb des NATO-Bündnisgebietes. Derzeit beteiligen sich 3.800 Bundeswehr-Soldaten an einem Dutzend Auslandseinsätzen, von denen jene in Mali und in Afghanistan die größten sind. Auf dem Höhepunkt der internationalen Interventionen im Kosovo und in Afghanistan waren es bis zu 10.000.
"Gleichrangige Aufgaben"
Künftig will Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Fokussierung auf die Auslandseinsätze zurückfahren - zugunsten der Landes- und Bündnisverteidigung. Die Bundeswehr müsste sich beiden Aufgaben "gleichrangig" widmen, heißt es im Entwurf eines Grundsatzpapiers, aus dem die "Süddeutsche Zeitung" zitiert. Die Bundeswehr müsse vorbereitet sein, "ihren Beitrag zur nationalen Sicherheitsvorsorge" zu leisten.
Das Papier liegt dem Bundestag bereits vor und soll im Juni veröffentlicht werden. Es präzisiert die neue strategische Ausrichtung der Bundeswehr, die schon im "Weißbuch zur Sicherheitspolitik" von 2016 beschrieben ist. Dort wird die "Landes- und Bündnisverteidigung im Rahmen der Nato und EU" als erste Aufgabe der Bundeswehr genannt. Das schließt neue Bedrohungsszenarien wie Cyberangriffe oder die hybride Kriegsführung ausdrücklich mit ein.
Auslöser für die Neuausrichtung waren die gewachsenen Spannungen seit der Annexion der Krim durch Russland. Seither hat auch Deutschland neue Aufgaben in der NATO übernommen, etwa die Führung der VJTF (Vera High Readiness Joint Task Force), der schnellen Eingreiftruppe des Bündnisses. Das notwendige Personal und Material dafür zusammenzutragen, ist aber ein Kraftakt für die Bundeswehr.
Auch bei der schnellen Verlegung von Truppen im Krisenfall ist noch Luft nach oben: Die Bundeswehr brauche "mehr Tempo, mehr Klasse als Masse", erklärte Jens Flosdorff, Sprecher des Verteidigungsministeriums. Gefragt seien größere Transportkapazitäten zu Land, zu Wasser und in der Luft. Welches Material, welche Ausrüstung konkret gebraucht werden, steht nicht in dem Papier. Das soll Bestandteil des neuen "Fähigkeitsprofils" der Bundeswehr sein, das im Herbst fertiggestellt wird.
Streit um den Verteidigungsetat
Die Vermutung, das Papier aus dem CDU-geführten Verteidigungsministerium sei ein Druckmittel, um dem SPD-Finanzminister mehr Geld für die Bundeswehr aus den Rippen zu leiern, wies Flosdorff zurück. "Hier handelt es sich nicht um irgendwelche Dokumente im Rahmen von Haushaltsverhandlungen, sondern hier geht es um eine strategische Ausrichtung."
Derzeit streiten Union und SPD erbittert darüber, wie viel Geld die Bundeswehr in den kommenden Jahren bekommen soll. Die Zusagen von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) liegen weit unter dem, was die Verteidigungsministerin fordert, um die "hohlen Strukturen" aufzufüllen, die durch den jahrelangen Sparkurs bei der Bundeswehr entstanden sind. Von der Leyens Vorgänger hatten sich vom Prinzip der Vollausstattung der Bundeswehr verabschiedet und starre Obergrenzen eingeführt, etwa beim Personal.
Auslandseinsätze gehen weiter
Davon ist von der Leyen wieder abgerückt und fordert mehr Mittel, um die Lücken zu schließen. Das nun diskutierte Papier mag ihr dabei als Argumentationshilfe dienen: Einzelne Auslandseinsätze sind möglicherweise verzichtbar, Mängel in der Landes- und Bündnisverteidigung aber kaum akzeptabel. Um diese zu beseitigen, wäre sehr viel Geld vonnöten. Die Landes- und Bündnisverteidigung sei die "anspruchsvollste Aufgabe mit dem höchsten Nachholbedarf", heißt es in einem Begleitschreiben zu dem Papier. Für die Auslandseinsätze der Bundeswehr bedeutet das zunächst keine Veränderung: Sie sind vom Kabinett und vom Bundestag gerade alle verlängert und teilweise sogar aufgestockt worden.