"Militärisch sinnlos"
7. April 2010Die Forderung der diesjährigen Ostermärsche war nicht neu: Die Atomwaffen sollen aus Deutschland verschwinden. Am Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz protestierten Friedensaktivisten für den Abzug der Atombomben. Hier sollen sich Experten zufolge die letzten Nuklearwaffen auf deutschem Territorium befinden. "Etwa zehn bis 20 Sprengköpfe lagern dort in unterirdischen Stahlbehältern", sagt der Rüstungsexperte Otfried Nassauer vom "Berlin Information Center for Transatlantic Security", kurz: Bits. "In ganz Europa und der Türkei sind es 150 bis 200 Stück."
Die Sprengkraft der Bomben, die seit Ende der 1970er Jahre in Büchel lagern, sei variabel einstellbar und könne maximal die 13-fache Zerstörungskraft der Hiroshima-Bombe erreichen. Warum nach Ende des Kalten Krieges überhaupt noch Nuklearwaffen in Deutschland lagern, erklärt Nassauer so: "Der Bestand soll vor allem symbolische Wirkung entfalten - militärisch macht das überhaupt keinen Sinn." Und zwar als psychologisches Zeichen für die gemeinsame nuklearpolitische Verantwortung der USA und ihrer europäischen Verbündeten.
Politisches Thema seit Jahrzehnten
Die Waffen in Büchel seien aktiv, sagt Nassauer. Zuletzt habe man 2009 die Einheit überprüft. Im Kriegsfall könnten die Atombomben durch Kampfflugzeuge der Bundeswehr zum Einsatz kommen - wenn zuvor der US-Präsident zustimmt. Allerdings dürfte die Bundesrepublik als Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrags eigentlich gar keine Piloten mit nuklearer Ladung aussenden.
Die Existenz dieser Atomwaffensprengköpfe vom Typ B-61 im Stützpunkt des Jagdbombengeschwaders 33 der Bundeswehr auf dem Fliegerhorst Büchel wurde nie offiziell bestätigt, doch ihr Verbleib ist seit Jahrzehnten immer wieder ein politisches Thema. Auch der Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP behandelt es. Im Herbst setzte die FDP ihre Position durch. Seither wirkt die Regierung bei ihren westlichen Verbündeten auf den Abzug der Waffen aus Büchel hin.
Sichere Lagerung der Waffen
Die Sicherheit der Lagerung sei gewährleistet, meint Rüstungsexperte Nassauer. "Es handelt sich um eine der sichersten Lagermethoden, die es gibt. Die Behälter sollen terroristischen Angriffen ebenso standhalten können wie einem 30-minütigen Feuer." Und dies sei eine deutliche Verbesserung gegenüber der Lagerung in oberirdischen Bunkern, wie es bis Ende der 1980er Jahre üblich war.
Doch totale Sicherheit kann es nicht geben, wie ein Fall aus Belgien zu Beginn des Jahres 2010 zeigt: Atomwaffengegnern gelang es im Februar auf die Nuklearwaffenbasis "Kleine Brogel" vorzudringen.
Westerwelle setzt sich für Abzug ein
Im März 2010 wandte sich der deutsche Außenminister Guido Westerwelle gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus den Niederlanden, aus Belgien, Norwegen und Luxemburg an den NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Darin heißt es, angesichts der Vision einer atomwaffenfreien Welt des US-Präsidenten Barak Obama solle auch die NATO eine neue Atomwaffenstrategie diskutieren.
Das Thema steht nun auf der Tagesordnung des nächsten informellen Außenministertreffens des Bündnisses am 22. und 23. April in Tallin. Hier soll die für November 2010 erwartete neue NATO-Strategie vorbereitet werden. Ob die neue Strategie die Wünsche der deutschen Bundesregierung berücksichtigen und die Waffen in Büchel als verzichtbar bewerten wird, bleibt abzuwarten.
Wenig Hoffnung für Atomwaffengegner
Im neuen START-Abkommen zwischen den USA und Russland werden die Atomwaffen in Büchel keine Rolle spielen. Doch an anderer Stelle könnten sie Gegenstand von Verhandlungen werden. Im Rahmen seiner neuen Nukleardoktrin will US-Präsident Obama mit Russland Gespräche über taktische Atomwaffen führen.
Doch Nassauer sieht dabei noch große Hürden auf dem Weg zu einer Einigung und zum Abzug der Bomben aus Europa: "Die Amerikaner möchten die taktischen Nuklearwaffen in Europa als Verhandlungsmasse in die Gespräche mit Russland hinüberretten. Und Russland will nur verhandeln, wenn die Amerikaner ihre Atomwaffen nur noch auf heimischem Territorium stationieren", sagt Nassauer. Das entstehende Patt sei vorprogrammiert. Die Ostermärsche im nächsten Jahr werden ihrem Thema wohl treu bleiben können.
Autor: Martin Schlupp
Redaktion: Kay-Alexander Scholz