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Bloß keine Anteilnahme

Joscha Weber19. Februar 2014

Das IOC bleibt seiner umstrittenen Linie treu und verbietet auch ukrainischen Olympioniken den Trauerflor. Die Athleten wollten der Opfer der Gewalt gedenken. Doch für das IOC ist Kiew weit weg.

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Der ukrainische Skifahrer Dmytro Mytsak beim Riesenslalom (Foto: Getty)
Start ohne Trauerflor: Der ukrainische Skifahrer Dmytro Mytsak beim RiesenslalomBild: Getty Images

Auch wenn in der Hauptstadt ihrer Heimat die Lage eskaliert, sollen ukrainische Sportler schlicht ihren Job machen: rennen, schießen, springen, spielen - kurz: um Medaillen kämpfen. So will es das Internationale Olympische Komitee (IOC). Die ukrainischen Sportler sind jedoch in Gedanken bei ihren Landsleuten. Die Athleten wollten nach der Eskalation der Gewalt in der Hauptstadt Kiew bei ihren Wettkämpfen in Sotschi als "Zeichen der Trauer und Anteilnahme" mit einem Trauerflor starten und reichten kurzfristig einen entsprechenden Antrag beim IOC ein. Die ukrainische Delegation musste nicht lange auf eine Reaktion des Dachverbandes warten: "Wir haben vom IOC die Antwort erhalten, dass das nicht mit der Olympischen Charta zu vereinbaren ist", teilte das Nationale Olympische Komitee der Ukraine mit.

Trauer hin oder her, das IOC bleibt unerbittlich

Warum bleibt den ukrainischen Athleten diese Form der Anteilnahme verwehrt? Der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach ließ diese Frage vorerst unbeantwortet. Stattdessen drückte er in einer offiziellen Stellungnahme den Ukrainern sein Beileid aus. "Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind in diesen schweren Zeiten beim ukrainischen Team", sagte Bach. Er lobte die Art und Weise, wie die ukrainischen Sportler "weiterhin ihre Nation mit großer Würde vertreten", dies spreche "für sie und ihr Land". Warme Worte, aber in der Sache blieb das IOC unerbittlich: Kein Trauerflor bei Olympischen Spielen.

Eskalation und Gewalt in Kiew (Foto: Reuters)
Gewalt in Kiew: Einen Trauerflor als "Zeichen der Trauer und Anteilnahme" ließ das IOC nicht zuBild: Reuters

Der Verweis auf die Olympische Charta führt interessierte Leser zum umstrittenen Paragraphen 50.3. Darin steht wörtlich:

"Jede Demonstration oder politische, religiöse oder rassische Propaganda ist an den olympischen Stätten, Austragungsorten oder in anderen olympischen Bereichen untersagt."

Zeichen von Trauer als politische Propaganda? Eine sehr weite und strenge Auslegung durch das IOC. Noch absurder erscheint die Anwendung des Paragraphen im Fall der norwegischen Langläuferinnen, die offiziell gerügt wurden für das Tragen eines Trauerflors während eines Wettkampfes in Sotschi. Grund für die Anteilnahme war der Tod des Bruders der Athletin Astrid Jacobsen. Das Symbol der Trauer kann man in diesem Fall eigentlich nicht als "politisch", "religiös" oder gar "rassisch" deuten - nur die Regelhüter beim IOC können so etwas und setzen sich damit massiver internationaler Kritik aus.

Sind persönliche oder humanitäre Gefühlsausdrücke "Propaganda"?

Nicht nur in Norwegen, wo die IOC-Rüge einen Aufschrei der Entrüstung auslöste, sondern weltweit wächst der Zweifel am olympischen Regelwerk. Den Ausdruck persönlicher oder humanitärer Gefühle mit "Propaganda" gleichzusetzen, erscheint vielen Beobachtern vielmehr als verzweifelter Versuch des IOC, bloß alles Politische von den Spielen fernzuhalten.

Stattdessen schwieg IOC-Sprecher Mark Adams beim offiziellen Pressebriefing das Thema lieber tot. Die Anfrage der ukrainischen Delegation und die Reaktion des Dachverbandes wurden mit keiner Silbe erwähnt, obwohl die Lage in Kiew von Journalisten thematisiert worden war. Adams stellte lediglich fest, dass die Eskalation in Kiew die Bewerbung der ukrainischen Stadt Lemberg um die Winterspiele 2022 nicht beeinflussen würde.

Kiew ist für die IOC-Bosse weit weg, ...

... doch ein anderer Fall ereignete sich direkt vor der olympischen Haustüre: Die vorübergehende Festnahme der Mitglieder der Punkband Pussy Riot in Sotschi am vergangenen Dienstag sorgte für Schlagzeilen, wurde vom IOC jedoch nicht kritisiert. Stattdessen sagte IOC-Sprecher Adams, dass mögliche Demonstrationen der Regime-Kritikerinnen in der Olympischen Zone "völlig inakzeptabel" wären - eine klare Warnung an die Aktivistinnen. Adams wies dann noch darauf hin, dass Russlands Präsident Wladimir Putin versprochen habe, die Grundsätze der Olympischen Charta für die Dauer der Spiele in Sotschi einzuhalten. Dies gelte "für Teilnehmer, Zuschauer und Athleten der Spiele und wurde bislang eingehalten".

Thomas Bach (l.) trifft Gastgeber Wladimir Putin (Foto: Getty)
Gegenseitiger Respekt: Thomas Bach (l.) lobt Gastgeber Wladimir PutinBild: Getty Images/Pascal Le Segretain

Dies scheint die Hauptsache für das IOC zu sein: Die Charta wird eingehalten - egal, was in Sotschi, Kiew oder sonst wo passiert.