Bayreuther Festspiele: Wagners "Parsifal" wird digital
23. Juli 2023Bayreuths Festspielintendantin Katharina Wagner geht mit der Zeit. Bei der Neuinszenierung von Richard Wagners Oper "Parsifal" arbeitet der US-amerikanische Regisseur Jay Scheib mit Augmented Reality und holt so das digitale Zeitalter auf die Opernbühne der Richard-Wagner-Festspiele. Mithilfe virtueller Technik und spezieller 3D-Brillen, die an das Publikum verteilt werden, können sich digitale Avatare durch den Raum bewegen. Aber auch Gegenstände könnten den Zuschauerinnen und Zuschauern virtuell um die Ohren sausen. Ein Novum bei den Bayreuther Festspielen und in der traditionellen Opernwelt - während auf der Bühne wie eh und je die realen Sängerinnen und Sänger agieren.
Neues Bühnenerlebnis mit Augmented Reality
Augmented Reality heißt so viel wie "erweiterte Realität" und ermöglicht das Eintauchen in virtuelle 3D-Welten. Anders als bei der sogenannten "Virtual Reality" bewegt man sich nicht in einer rein digital konstruierten Umgebung, sondern sieht durch die Brille auch den Zuschauerraum und die Bühne, die von digitalen Bildern und Effekten überlagert werden.
"Wir werden Mauern sprengen", verspricht der US-amerikanische Regisseur und Performancekünstler Jay Scheib in einem Gespräch mit der Deutschen Presseagentur. Scheibs Musical-Inszenierung "Bat out of Hell" - nach dem gleichnamigen 1970er-Jahre-Album des Hardrockers Meat Loaf - tourt derzeit noch durch Deutschland. Meat Loaf spielte sowohl auf dem Plattencover als auch in der Musik auf Symbole aus Richard Wagners Opern an.
Bayreuth am Puls der Zeit
Festspielintendantin Katharina Wagner will mit dem neuen Projekt auch interessierte Neulinge und vor allen Dingen ein jüngeres Publikum zu den altehrwürdigen Festspielen locken. Und der Virtual-Reality-Spezialist Jay Scheib ist immer für eine Überraschung gut. Schon 2021 hatte er in Bayreuth einen virtuellen Ausschnitt aus Wagners Oper "Siegfried" realisiert.
Er wählte die berühmte Drachen-Szene, bei der man durch die 3D-Brille selbst den Drachen mit Siegfrieds Schwert töten konnte. Im Interview mit der DW sagte Scheib seinerzeit: "Mir war die Stelle wichtig, wo Siegfried Fafner (der Name des Drachens, Anm. d. Red.) mitten ins Herz trifft, denn wir leben in einer Zeit, in der wir gerade viele Drachen besiegen müssen - wie Donald Trump." Man darf gespannt sein, ob er in diesem Jahr wieder Hinweise auf aktuelle Geschehnisse auf der virtuellen Ebene verstecken wird.
Parsifal: Richard Wagners "Weltabschiedswerk"
Die Oper "Parsifal" ist das letzte Musikdrama von Richard Wagner, speziell für das Festspielhaus komponiert. "Es ist das Weltabschiedswerk, so hat es Wagner selbst genannt. Und Wagner ist ja auch ein halbes Jahr, nachdem er das Werk geschrieben hat, gestorben", sagt Sven Friedrich, Direktor des Richard-Wagner-Museums in Bayreuth im Gespräch mit der DW. Dadurch habe die Oper mit ihren kirchenmusikalischen Anklängen den Charakter eines Requiems und eine besonders weihevolle Aura bekommen.
Anlässlich der Premiere des Parsifal ist im Richard Wagner Museum in einer Vitrine die Originalpartitur der Oper zu sehen. Sven Friedrich wird das Publikum bei den Festspielen in das Werk einführen, doch was passieren wird, verrät er natürlich noch nicht. Auch Jay Scheib hält sich bedeckt. Der Tageszeitung "Frankfurter Rundschau" sagte der Regisseur, der auch Professor beim Massachusetts Institute of Technology ist: "Ich weiß nicht, ob man sich als US-Amerikaner der Sache anders nähert. Für mich ist das vielleicht keine religiöse Angelegenheit. Aber der Parsifal ist ein Symbol für Bayreuth, er ist Wagners Kirche: Und trotzdem sage ich mir: 'Let's get the party started'."
Wagner für alle am Vorabend der Premiere
Eine große musikalische "Party" wird es bei der Open-Air-Veranstaltung am Vorabend der Premiere geben. Mit dabei die Opern-Sängerinnen und -Sänger der verschiedenen Produktionen. Auf der großen Wiese des "Grünen Hügels" kann das Publikum dem Spektakel auf Stühlen und Picknickdecken folgen.
Markus Poscher dirigiert das Festspielorchester mit Musik, die ebenfalls - wie es in der Programmübersicht heißt - "ganz im Sinne Wagners Grenzen sprengt". Komponisten wie Dmitri Schostakowitsch, Alban Berg, aber auch Verdi und Aerosmith stehen auf dem Programm.
Der Ring des Nibelungen
Die umstrittene Produktion von Wagners Oper "Der Ring des Nibelungen" unter der Regie des österreichischen Regisseurs Valentin Schwarz steht auch in diesem Jahr wieder auf dem Spielplan. Schwarz inszeniert den vierteiligen Ring-Zyklus als Familiendrama. Der sogenannte "Netflix-Ring" der in Anlehnung an Fernsehserien mit Cliffhangern und offenen Fragen arbeitet, gab Zuschauern und Kritikern 2022 viele Rätsel auf und sorgte für Verwirrung.
Jede Inszenierung steht bei den Festspielen in drei Festival-Saisons auf dem Programm. Von Jahr zu Jahr können die Inszenierungen auf diese Weise weiter entwickelt und optimiert werden. Als Utopie einer Liebe lässt Regisseur Roland Schwab Wagners "Tristan und Isolde" in einer spartanisch futuristischen Kulisse spielen. Auch diese Inszenierung stammt aus dem letzten Jahr.
Der "Fliegende Holländer" in der Regie von Dmitri Tcherniakov erscheint bereits zum dritten und damit zum letzten Mal auf dem Spielplan, dirigiert von Oksana Lyniv. Die Ukrainerin war 2021 die erste Frau am Dirigentenpult der Bayreuther Festspiele. Als zweite Dirigentin wird sich in diesem Jahr die französische Dirigentin und Sängerin Nathalie Stutzmann dazu gesellen. Sie wird die Tannhäuser-Inszenierung von Tobias Kratzer dirigieren.
Diesmal auf dem roten Teppich
Rund 60.000 Menschen pilgern jährlich zum "Grünen Hügel", auf dem Richard Wagner sein Festspielhaus 1876 mit dem "Ring des Nibelungen" einweihte. Von den rund 1900 Gästen können wegen der hohen Kosten nur 330 Zuschauerinnen und Zuschauer in den Genuss der digitalen Brillen für den Parsifal kommen. Mit von der Partie der 3D-Brillenträger sind sicherlich die prominenten Gäste, die über einen roten Teppich das Festspielhaus betreten.
In diesem Jahr haben sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und zum wiederholten Male die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigt. Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth wird die Festspiele in diesem Jahr wieder besuchen. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich bereits in den Urlaub verabschiedet und wird wohl nicht nach Bayreuth kommen.