Bayern wählt einen neuen Landtag
14. Oktober 2018Das erste Zeichen, dass sich die Zeiten in Bayern ändern, gab es schon vor einem halben Jahr. Nach den Verlusten, die die CSU bereits bei der Bundestagswahl im Oktober 2018 einfuhr, war Schluss mit der Tradition, dass der bayerische Ministerpräsident auch der Vorsitzende der Christlich-Sozialen Union ist. Nun ist der Parteichef Horst Seehofer, der Ministerpräsident ist Markus Söder. Die beiden Kontrahenten scheinen sich aber nur darin einig: es kann nur einen geben. Die Entscheidung, wer die politische Bühne verlässt, wird wohl an diesem Sonntag fallen, wenn Bayern einen neuen Landtag wählt.
Es geht dabei aber um mehr als nur ein neues Parlament für den Freistaat: Bayern könnte sich für einen historischen Richtungswechsel in der Landespolitik entscheiden, der auch in der Bundespolitik in der Hauptstadt Berlin nicht unbeachtet bleiben wird.
Bayerns CSU: Eine politische Kuriosität
Das liegt vor allem an der CSU. Bayerns Konservative bleiben für Außenstehende eine politische Kuriosität: Sie regieren in Bayern seit über sechs Jahrzehnten fast ausschließlich allein. Obwohl die CSU als Partei selbst nur in Bayern gewählt werden kann, ist sie auch in Berlin vertreten. Bei der Bundestagswahl 2017 erreichte die CSU anteilig für ganz Deutschland 6,2 Prozent der Stimmen und knackte so die Fünf-Prozent-Hürde, um eigenständig in den Bundestag einziehen zu können. Mit der ebenfalls konservativen CDU bildet sie in der Bundespolitik eine Fraktionsgemeinschaft.
Der erste Urnengang nach der Bildung des vierten Merkel-Kabinetts ist auch eine Reflexion dessen, wie gut die Parteien derzeit in Berlin arbeiten. Entgegen der Behauptung von Ministerpräsident Söder ist den bayerischen Wählern die Bundespolitik bei ihrer Wahlentscheidung nämlich wichtig, stellten Umfragen des Bayerischen Rundfunks vor wenigen Wochen fest. Das betrifft vor allem die CSU, die als Koalitionspartner in der Bundesregierung mit drei Ministern im Kabinett vertreten ist.
Die Konkurrenz schläft nicht
Aber ihre zwei deutlichsten Kontrahenten in diesem Wahlkampf: Zum einen die rechtspopulistische AfD, der mit den bevorstehenden Landtagswahlen in Bayern und auch Hessen zwei Wochen später der Einzug in die beiden letzten verbleibenden Parlamente gelingen will, in denen sie noch nicht vertreten ist. Und die Grünen, die in Bayern klar mit dem Ziel angetreten sind, die absolute Mehrheit der CSU zu beenden und selbst in die Regierungsverantwortung zu gehen.
Für die aber noch allein im Freistaat regierende CSU scheint es eine saftige Quittung der Bayern zu geben: Kurz vor der Entscheidung am Sonntag blickt die Partei nicht nur auf ein historisches Demoskopie-Tief. Holte die CSU vor fünf Jahren noch fast die Hälfte aller Wählerstimmen, erzielt sie derzeit in Umfragen nur noch ein knappes Drittel. Die Gründe dafür werden derzeit seziert.
Wer ist schuld am Umfragetief der CSU?
Da ist zum einen der parteiinterne Machtkampf zwischen dem CSU-Parteivorsitzenden Horst Seehofer und dem CSU-Spitzenkandidaten Markus Söder. Beide hatten sich im Wahlkampf ein um die Wette schreien populistischer Thesen geliefert, was teils als Versuch gedeutet wurde, Stimmen von der erstarkten rechtspopulistischen AfD zurückzuholen. Quittiert wurde die mutmaßliche Strategie mit schlechten Umfragewerten. Am Friedhof von Rott am Inn versucht Spitzenkandidat Söder Schadensbegrenzung zu betreiben: "Rechts von der Union soll es keine demokratische legitimierte Kraft geben", zitiert er jene politische Leitlinie, die Strauß seinerzeit der CSU vorgab. "Strauss hätte die AfD bekämpft." Darin ist sich Söder sicher, der noch in seiner Trauerrede nicht müde wird zu wiederholen, dass einst ein Poster mit Strauß-Konterfei in seinem Jugendzimmer hing.
Wenige Meter entfernt auf dem Kirchplatz will der Parteivorsitzende Seehofer aber nichts von einer Bedrohung durch die Rechtspopulisten wissen. "Nein, wir haben keine Rechtsruck”, sagt er der DW. "Wo denn?" Die populistischen Tendenzen seiner Partei im Wahlkampf erkenne er nicht: "Wir sind und bleiben eine Volkspartei der Mitte und was anderes leben wir nicht." Für ein voraussichtlich katastrophales Wahlergebnis will er sich als Parteivorsitzender aber nicht verantwortlich fühlen: "Ich habe jetzt auf der Herfahrt hierher kein Plakat von mir gesehen", sagt Seehofer. Eine Andeutung, dass im Falle einer Wahlschlappe die Schuld eher beim Spitzenkandidaten Söder liege.
Überholen die AfD von Links: Die Grünen
Bereits jetzt ist klar: Als Gewinner wird aus diesem Machtkampf keiner der beiden hervorgehen. Stattdessen profitiert vom konservativen Kamikaze derzeit vor allem die Partei Bündnis 90/Grünen. Zeitgleich mit dem Tiefflug der CSU legten die Grünen an Beliebtheit in Bayern zu und könnten zweitstärkste Kraft im Münchner Landtag werden.
"Ich glaube die Menschen haben gerade in Bayern keinen Bock mehr, dass ihnen die Regierung und andere ständig reinreden und Hass und Hetze versprühen", sagt Katharina Schulze, eine der beiden Spitzenkandidaten der Grünen in Bayern der DW.
Bayern setzt einen politischen Trend für Berlin
Diese Entwicklung ist aber keineswegs landestypisch: Ähnliche Umfragewerte wie in Bayern beobachten Meinungsforschern mittlerweile in ganz Deutschland. Auch eine andere Entwicklung in Bayern lässt sich in bundesweiten Umfragen feststellen: Ausgerechnet die rechtspopulistische AfD profitiert nicht vom Stimmverlust der Konservativen. Mit ihrem Slogan "Die AfD ist die Strafe Gottes für die CSU" versuchten sie abtrünnige Wähler der Konservativen für sich zu gewinnen. Doch diese Strategie scheint nicht aufzugehen.
Trotzdem könnte die Wahlschlappe an diesem Sonntag für die CSU ohne Folgen bleiben: Schon jetzt wird laut über das politische Ende des derzeitigen Parteivorsitzenden Seehofer spekuliert, aber auch darüber, wie das Ergebnis die Stabilität der Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel gefährden könnte.
Das nächste Fiebermessen wartet in Hessen
Für Merkel selbst könnte es den ersten Personalwechsel in ihrem Regierungskabinett bedeuten, sollte Seehofer sein Amt als Innenminister niederlegen. Als Nachfolger aus den CSU-Reihen gilt Joachim Hermann, derzeit Bayerns Innenminister. Von Monika Hohlmeier, der Tochter Franz Josef Strauß', wird er auf der Trauerfeier für ihren Vater Hermann bereits als bester Innenminister in Deutschland gelobt. Hermann selbst gibt sich zurückhaltend: "Ich habe mich nie nach irgendwelchen Ämtern gedrängt", sagt er der DW, erklärt aber auch: "Ich bin seit jeher bereit gewesen, Verantwortung zu übernehmen."
Die Bayernwahl wird nicht die einzige Herausforderung für Berlin bleiben. Nur zwei Wochen später wählt auch Hessen einen neuen Landtag. Die Folgen dort könnten für Merkel wesentlich bedrohlicher werden, dort tritt ihre eigene Partei CDU an. Sollte die schwarz-grüne Landesregierung unter der Führung des Merkel-Vertrauten Volker Bouffier dort abgewählt werden, stünden der Bundeskanzlerin in diesem Herbst auch in Berlin stürmische Zeiten bevor.