Big Family? Horst Seehofers mögliche Erben
13. Oktober 2018Horst Seehofer ist mehr als eine einfache Personalie. Zum einen ist er Bundesinnenminister. Dann ist er auch noch Chef der Christsozialen, also der bayerischen Schwesterpartei der Christdemokraten. Beide Parteien - CSU und CDU - bilden im Bundestag eine gemeinsame Fraktion. So trägt er auch die Eigenheiten seines Freistaates Bayern nach Berlin. Das alles zusammen macht seine Nachfolge-Frage so kompliziert.
Immerhin: Fällt Seehofer, gibt es genügend Nachwuchspersonal. Anders als in der CDU, wo Angela Merkels potentielle Erben nicht so Schlange stehen. Dafür, dass das so ist, hat der nun schon 69-Jährige Jahre lang gesorgt. Er hat seine Nachfolger regelrecht heiß gemacht. Allerdings schob er dabei seinen Abschied von der Politik immer weiter nach hinten. Was zu vielen machtpolitischen Reibereien geführt hat.
Der ungeliebte Kronprinz
Im März musste Seehofer dann doch, nach zehn Jahren, seinen Posten als bayerischer Ministerpräsident an Markus Söder abgeben. Der 51-Jährige wollte die Macht schon immer am liebsten gleich und dann ganz haben. Ministerpräsident reicht ihm nicht, er will den Parteivorsitz. Auch den wollte Seehofer eigentlich schon abgegeben haben. Nun ist aber erst einmal bis Herbst 2019 gewählt. Wovon er - wie von seinem Ministeramt auch - nicht abzurücken gedenkt, sagte er jüngst. Der Abschied von der Macht fällt ihm noch immer schwer - das schlechte Wahlergebnis könnte den Prozess beschleunigen.
In Berlin von Journalisten danach befragt, warum er so zögere, lautete Seehofers Narrativ immer wieder: Sein Nachfolger müsse in Bayern und in Berlin überzeugen. Damit nämlich die Stimme der CSU, eigentlich eine Regionalpartei, auf Bundesebene mächtig bleibe. Sitzt der CSU-Vorsitzende mit am Kabinettstisch in Berlin, gilt das als Garant dafür.
Kurz vor der aktuellen Landtagswahl lieferten sich Seehofer und Söder Mal wieder eine Schlacht. Dafür dass die Umfragewerte für die CSU seit Monaten nach unten gehen, schoben sie dem anderen die Schuld zu: Er habe sich seit einem halben Jahr gar nicht mehr in die bayerische Politik eingemischt, so Seehofer. Die Berliner Politik und die dortige Koalitionskrisen seien schuld, so Söder.
In Bayern ist Söder nicht so beliebt, wie er es eigentlich sein müsste. Zwar ist sein Ansehen innerhalb der CSU ziemlich gut. Ansonsten halten ihn viele aber für einen Egomanen - nur an seiner Karriere interessiert, nicht so sehr der klassische Landesvater-Typ.
Die Favoritin im Schatten
Das hatte Seehofer wohl auch erkannt und deshalb Ilse Aigner als Nachfolgerin aufgebaut. Die 53-Jährige allerdings war zuletzt kaum noch medial präsent. Im Sommer hatte sie einen Rückzieher gemacht. Gegen Söder zu kämpfen, sei ihr "zu blöd", da sie mit verschiedenen Waffen kämpften.
Aigner hat, anders als Söder, bereits die Erfahrung als Bundesministerin im Lebenslauf stehen. Außerdem kommt sie aus Oberbayern. Das ist wichtig für die bayerische Macht-Arithmetik. In Bayern ist die CSU nämlich stets um regionalen Ausgleich bemüht - Ministerpräsident Söder stammt aus Franken. Aigner ist zudem beliebter und könnte, sollte es zu einer Urwahl um den Parteivorsitz kommen, überraschen. Gedenk den Fall Söder müsste gehen, könnte Aigner auch für den Posten der Ministerpräsidentin ins Spiel kommen - und sich dann wieder auf ihre eigenen Waffen verlassen.
Doch: Vor der Entscheidung über ein Macht-Duo müssen sich die Bayern einig darüber werden, ob die Macht überhaupt aufgeteilt werden soll. Eine Doppelspitze war schließlich in der Vergangenheit nicht immer so erfolgreich wie gedacht.
Der Mann in Berlin
Ein anderer langjähriger Schützling von Seehofer ist Alexander Dobrindt. Der 48-Jährige war auch schon Bundesminister. Jetzt ist er Chef der "CSU im Bundestag", also so etwas wie der Statthalter der Bayern in Berlin.
Dobrindt fällt, anders als Aigner, gern auf. In der hitzig geführten Diskussion um die deutsche Asyl- und Migrationspolitik trat er als Scharfmacher auf. Dazu rief er zu einer "konservativen Wende" auf. Seine Rolle als Vordenker nahmen ihm aber viele nicht ab. Von seiner Scharfmacher-Rolle ist er inzwischen abgerückt, wohl auch weil der gewünschte Umfrage-Effekt ausblieb.
In Berlin trat Dobrindt zuletzt moderat auf, appellierte an die Geschlossenheit der Partei und wollte sich zu einer möglichen Seehofer-Nachfolge öffentlich nicht äußern - er lässt sich alle Optionen offen. Im Bundestag ist er gut vernetzt - zum Beispiel mit der Nach-Merkel-Generation in der CDU und mit dem Chef der Liberalen, Christian Lindner, von der FDP.
Der Gegenspieler aus Brüssel
Neben Berlin und München gibt es einen dritten Spielort bei einer möglichen Seehofer-Nachfolge. In Brüssel wartet eigentlich Manfred Weber darauf, im Jahr 2019 Chef der EU-Kommission zu werden. Ihm werden gute Chancen dafür zugesprochen - die Vorentscheidung fällt Ende November. Es wäre das erste Mal seit Jahrzehnten, dass ein Deutscher diesen mächtigen Posten bekäme. Derzeit ist der 46-Jährige Vorsitzender der größten Fraktion, der "Europäischen Volkspartei", im EU-Parlament.
Weber ist liberaler als Dobrindt oder Söder, was machtpolitisch relevant werden könnte, da die CSU zum Weiter-Regieren einen Koalitionspartner brauchen wird. Das könnten die linksliberalen Grünen sein oder aber die "Freien Wähler", eine kommunale Wählerinitiative, politisch ähnlich konservativ wie die CSU; vielleicht auch noch die FDP.
Die Partei-Reserve
Dann gibt es noch Joachim Herrmann. Der 62-Jährige gehört zwar altersmäßig nicht zur Erben-Generation. In den letzten Jahren aber war er immer Mal wieder für höhere Ämter im Gespräch. Hermann ist sozusagen die eiserne Partei-Reserve. Derzeit ist er bayerischer Innenminister.
Auch Vertreter der Post-Erbengeneration, die sich noch beweisen müssen, hat die CSU bereits in Berlin postiert. Dazu gehört Andreas Scheuer, 44 Jahre alt. Er ist aktuell Bundesminister für Verkehr und Infrastruktur. In den kommenden Jahren muss er sich beim noch immer stockenden Ausbau mit schnellem Internet beweisen. Mit dem Thema Digitalisierung ist auch die 40-jährige Dorothee Bär betreut. Sie ist Staatsministerin für Digitales im Kanzleramt.
Am fehlenden Personal mangelt es also nicht, sollte Seehofer wackeln und eine Personal-Rochade auslösen. Doch wer sich wo durchsetzen würde, ist ein sehr komplexes Spiel der Macht.