Barbie - die berühmteste Puppe der Welt
19. Juli 2023Da steht sie, ein Monolith in einer Wüstenlandschaft: Ikone, Göttin, Überfrau. Margot Robbie, die Barbie in Greta Gerwigs Film, zwinkert den Barbie-Fans über den Rand ihrer Sonnenbrille zu, während ein kleines Mädchen zu den bombastischen Klängen von Richard Strauss ihre Babypuppe zertrümmert und in die Weiten des Alls schleudert. Die schon vorab zu Werbezwecken veröffentliche Szene spielt nicht nur auf Stanley Kubricks Filmklassiker "2001: Odyssee im Weltraum" an, sie verweist auch auf den Gründungsmythos - und das Erfolgsrezept der Barbie.
Denn Ruth Handler, die "Mutter der Barbie", wollte kein weiteres Babypüppchen, mit der ihre Tochter und deren Freundinnen für die künftige Mutterrolle üben sollten, in die Welt setzen. Ihre Puppe, die sich zu einem der meistverkauften Spielzeuge weltweit entwickeln sollte, war eine junge, selbstbewusste und attraktive Frau und: Sie war berufstätig, in Barbies Geburtsjahr 1959 keine Selbstverständlichkeit.
Die US-Amerikanerin Ruth Handler (1916-2002) stammte aus einer polnisch-jüdischen Emigranten-Familie, in der alle, egal ob Mann oder Frau, zum Einkommen beitragen mussten. Mit ihrem Mann Elliot und Harold Matson gründete sie 1945 in einer Garage die Firma "Mattel". Das Trio stellte Bilderrahmen und Puppenhausmöbel her. Da sich die Puppenmöbel gut verkauften, spezialisierte man sich auf die Produktion von diversen Spielwaren - aus dem kleinen Unternehmen wurde ein weltweit erfolgreicher Konzern.
Barbies Botschaft: Du hast "grenzenloses Potenzial"
Auch Barbie machte Karriere - genau wie ihre Schöpferin Ruth Handler. Und nicht etwa als Sekretärin, wie damals üblich, sondern als Ärztin, Flugzeugpilotin, Astronautin - und US-Präsidentin; im wirklichen Amerika hat es bis heute keine Frau in dieses Amt geschafft. Und bis heute wirbt der Spielzeugkonzern damit, in jedem Mädchen "ihr grenzenloses Potenzial" zu mobilisieren. Für Barbie-Fan Susan Shapiro, eine bekannte US-amerikanische Autorin, lautet die Botschaft so: "Du musst keine Mami sein, die sich um kleine Kinder kümmert. Du musst nicht heiraten. Du musst nicht von deinem Vater oder von deinem Ehemann versorgt werden. Du kannst für dich selbst sorgen. Du kannst alles sein, was du willst. Du kannst hunderte von Karrieren einschlagen."
Barbie hat ihr eigenes Haus und ihr eigenes Auto, in dem seit 1961 ihr grenzenlos loyaler Begleiter Ken auf dem Beifahrersitz Platz nehmen darf. Mit ihrem Glamour konnte er allerdings nie mithalten, davon kann Ryan Gosling als Ken im Barbie-Film ein trauriges Lied singen. "Egal, was ich tue. Ich bin immer die Nummer Zwei. Ich bin nur Ken", jammert er.
Feministische Ikone oder toxisches Schönheitsideal?
Dass Ruth Handler aus der nach ihrer Tochter Barbara benannten Puppe eine berufstätige und finanziell unabhängige Frau gemacht hat, war in den konservativen 50er und frühen 60er-Jahren durchaus eine Provokation. Dennoch geriet Barbie in Feministinnenkreisen in Verruf - bis heute. Für die US-amerikanische Autorin und Feministin Jill Filipovic vermittelt Barbie "ein ungesundes, ideales Bild von Weiblichkeit und dem, was es bedeutet, eine attraktive Frau zu sein, eine gute, würdige Frau".
Endlose Beine, Wespentaille, durchtrainierter Körper. Mit Barbie wurde die Ideal-Norm in die Kinderzimmer transportiert: "Jung, weiß, keine Behinderung, einsatzfähig und leistungsbereit in einer kapitalistischen Welt", fasst es die Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Lechner gegenüber der DW zusammen. Ein fragwürdiges Schönheitsideal, das bei Mädchen ein gestörtes Körperbild auslösen kann, wie Studien nahelegen.
Barbie wird diverser
Mattel hat darauf reagiert und die Produktpalette erweitert - diverser gemacht. Es gibt inzwischen Barbies mit unterschiedlichen Körpermaßen, Barbies mit Beinprothesen, im Rollstuhl, eine Chemo-Barbie und neuerdings auch eine mit Down-Syndrom. Für Elisabeth Lechner, die sich eingehend mit Körperbildern und dem Thema Body Positivity beschäftigt hat, ändert das nichts an dem Grundproblem: "Es gibt mittlerweile Studien, die belegen, dass auch Formen von Objektifizierung, die auch positiv gemeint sind, also positive Komplimente zum Äußeren, Frauen daran erinnern, dass es immer nur um ihr Aussehen geht."
Die erste Black Barbie
Der erste Schritt in Richtung Diversifizierung wurde bereits in den 1960er-Jahren gemacht, als tiefe Konflikte zwischen weißen und schwarzen Amerikanern die USA erschütterten. In dem Jahr, in dem Martin Luther King ermordet wurde, tauchte im Barbie-Universum die erste schwarze Puppe auf. Ihr Name: Christie. In ihrem Dokumentarfilm "Black Barbie" zeichnet die Regisseurin Lagueria Davis die Entstehungsgeschichte nach.
Afroamerikanische Arbeiterinnen wie Lagueria Davis' Tante Beulah Mae Mitchell waren es, die Ruth Handler von der Idee überzeugten: "We want a black toy!" Wir wollen eine schwarze Puppe! Eine Puppe, mit der sich auch afroamerikanische Mädchen identifizieren konnten. "Denn wenn die Spielzeuge, mit denen du spielst, ganz anders aussehen als du, was sagt dir das?", fragt Lagueria Davis.
So kam also die schwarze Puppe "Christie" auf den Markt; Barbie durfte sie erst im Jahr 1980 heißen. "Mattels Narrativ ist die eine Sache: Da zeigen sie sich sehr fortschrittlich und präsentieren eine schwarze Freundin für Barbie", kritisiert Lagueria Davis. "So werden auch schwarze Frauen Teil der Barbie-Welt. Sie finden das fortschrittlich, aber für uns fühlt sich das nicht so an. Denn 21 Jahre lang gab es keine schwarze Modepuppe, die dann auch den Markennamen Barbie verdient hätte."
Und doch war es für viele Frauen aus der Generation von Beulah May Mitchell damals ein Triumph: eine schwarze Barbie - der Beweis, dass afroamerikanische Frauen schön waren, dass sie glamourös und erfolgreich sein konnten.
Konkurrenz aus Afrika
Inzwischen hat die Black Barbie eine ernstzunehmende Rivalin auf dem afrikanischen Kontinent. Der nigerianische Unternehmer Taofick Okoya brachte sie 2007 auf den Markt. Auslöser war seine kleine Tochter. In einem Gespräch hatte sie geäußert, lieber weiß als schwarz sein zu wollen, denn weiß sei schön. Also suchte er nach einer Figur, die afrikanischen Mädchen zeigen sollte, dass sie stolz auf ihre Hautfarbe und ihre Figur sein konnten. So entstanden die "Queens of Africa", die nicht einfach nur schwarz sind und ein globalisiertes Schönheitsideal wiederholen. Okoyas Puppen orientieren sich an den unterschiedlichen Hauttönen der vielen nigerianischen Ethnien, an ihren Frisuren und an ihrer Kleidung. "Die Botschaft der Queens of Africa ist: Das ist meine Identität. Das bin ich", sagt Taofick Okoya.
Ist Barbie nachhaltig?
Eine Puppe ist eben viel mehr als ein Spielzeug. Sie kann Identifikationsfigur für ein Kind sein, die das zukünftige Bild von Normalität und Schönheit prägt. Kein Wunder also, dass sich an Barbie, der vermutlich meistverkauften Puppe der Welt, bis heute Debatten entzünden: um Empowerment, Schönheitswahn und nicht zuletzt auch um das Thema Nachhaltigkeit - immerhin wird mit der Barbie auch jede Menge Plastik in die Welt gesetzt. Laut dem Mediennetzwerk "The Conversation" haben US-amerikanische Forscher beziffert, was jede Puppe das Klima kostet: Jede 182 Gramm schwere Barbie-Puppe verursacht etwa 660 Gramm Kohlenstoffemissionen, einschließlich Kunststoffproduktion, Herstellung und Transport.
Mattel hat das Marketing in über sechs Jahrzehnten Barbie-Geschichte immer wieder geschickt dem Zeitgeist angepasst und inzwischen auch eine Barbie aus Recycling-Kunststoff auf den Markt gebracht. Barbie ist vermutlich die "wokest doll" überhaupt. Nur eines darf sie bis heute nicht: altern. Egal welche Hautfarbe: Barbie ist "forever young".