Frischer Wind in den deutsch-israelischen Beziehungen
11. Februar 2022Als Annalena Baerbock und ihr israelischer Amtskollege Yair Lapid zur Pressekonferenz kommen, wirken beide so vertraut, als hätten sie sich schon lange gekannt. Dabei fehlt es nicht an Differenzen. "Wir halten den Siedlungsbau für schädlich und mit dem Völkerrecht nicht vereinbar", sagt die deutsche Außenministerin wie selbstverständlich, nachdem die beiden die Vorzüge eines intensiven Dialogs unter Freunden beteuert haben.
Menschenrechte nach vorne rücken
Mit sehr klaren Sätzen zu schwierigen Themen, wie hier zur israelischen Siedlungspolitik, hebt sich die Grünen-Politikerin bei ihrem Antrittsbesuch in Israel von den Vorgängern ab. Ebenso darin, dass sie sich auf Menschenrechte fokussiert und von einer "wertegeleiteten Politik" spricht. Auch Baerbock wirbt für den seit 2014 eingefrorenen Friedensprozess mit dem Ziel "Zwei-Staaten-Lösung". Dennoch wirkt der Besuch, als würde sich in der deutschen Diplomatie gerade ein Generationswechsel vollziehen.
Noch am Vorabend des offiziellen Besuches traf die Außenministerin in Jerusalem junge Vertreter von israelischen Think Tanks und NGOs, die die Lage in der Region aus ihrer Sicht schilderten.
Beim Thema Menschenrechte hat die Außenministerin mit Israel aktuell etwas zu klären. Die israelische Regierung stufte Ende 2021 sechs palästinensische NGOs, die zum Teil mit Steuergeldern des Auswärtigen Amtes unterstützt werden, als Terrororganisationen ein. Berlin will Beweise sehen, die Israel bisher offenkundig nicht liefert. Darauf angesprochen verteidigt Lapid die Entscheidung und verweist auf Anhaltspunkte, die nahe legen sollten, dass aus den Finanzmitteln der NGOs nicht nur Hilfsaktivitäten, sondern auch Terror finanziert wurde. Es gebe hochrangige Gespräche zwischen Deutschland und Israel darüber, wie man das Problem löse, versicherte der Außenminister.
Sonderstellung Israels bei Waffenlieferungen
Baerbock nimmt die Reise auch zum Anlass, noch einmal zu versichern, dass die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson bleibt.
Beim Thema Sicherheit geht es auch um das derzeit heikle Thema Waffenlieferungen. Während Berlin unter Verweis auf seine historische Verantwortung der Ukraine Waffen verweigert, erklärt Baerbock in Tel Aviv, warum Israel deutsche U-Boote erhält - wegen der historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels.
Anfang 2022 haben sich beide Länder abschließend auf einen milliardenschweren Deal geeinigt. Es geht um den Kauf von drei modernen U-Booten für rund drei Milliarden Euro aus einer Kieler Werft. Die Bundesregierung übernimmt einen Teil der Kosten.
Dabei plant die Ampel-Regierung ein Rüstungsexporte-Gesetz (REKG), das Waffenexporte erschweren soll. Da das Gesetz bisher noch nicht im Kabinett diskutiert wurde, wolle Baerbock nicht vorgreifen. "Aber klar ist: Israel muss sich in diesem Punkt gerade auf Deutschland verlassen können", sagt sie.
Der Deal galt als umstritten, da Korruptionsverdacht im Raum stand - auch das erwähnt die Außenministerin in der Pressekonferenz offen und fügt hinzu: "Ich vertraue voll und ganz auf das Rechtssystem in Israel".
Für Dialog, gegen Antisemitismus
Nach ihrem Treffen in Israel reiste Baerbock erstmals nach Ramallah im besetzten Westjordanland. Auch hier traf sie Menschenrechtsorganisationen.
Auf politischer Ebene hofft die Palästinenserregierung in Ramallah auf Berlin als Vermittler, der Israel von der Wiederaufnahme der Gespräche überzeugt. Deutschland unterstützt seit vielen Jahren Friedensbemühungen im Nahen Osten und die Palästinenser als größter bilateraler Geldgeber, zuletzt mit 100 Millionen Euro für zwei Jahre.
Baerbock will die Erwartungen nicht dämpfen, aber sie ist vorsichtig. Schließlich haben sich viele vor ihr daran versucht, nicht zuletzt Joschka Fischer, der erste Grüne im Amt des Außenministers, vor über 20 Jahren - auch daran wird sie von Präsident Mahmud Abbas bei ihrem Treffen erinnert,
Die deutsche Außenministerin appelliert an die palästinensische Führung, sich weiter für Demokratie und gegen Korruption einzusetzen. Den Begriff "Apartheid-Staat" in Bezug auf Israel, wie es im jüngsten Bericht von Amnesty International stand, lehnt sie entschieden ab. Sie wirbt für Dialog. "In Zeiten des wachsenden Antisemitismus soll man diesem keinen Vorschub leisten", sagt sie in der Pressekonferenz in Ramallah.
Erinnerungen wachhalten
Jenseits der großen Politik hat Baerbock auf ihrer Reise auch stille, persönliche Momente - vor allem in Yad Vashem, Israels Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem. "Als Mutter zweier Töchter stockt mir der Atem, wenn ich an die Millionen jüdische Kinder denke, die ermordet wurden, ihren Eltern entrissen, alleingelassen oder voller Angst vor dem Ungewissen", sagt sie nach der Führung durchs Museum und rang um Fassung.
Ins Gästebuch der zentralen Holocaust-Gedenkstätte schreibt die Außenministerin: "Es ist unsere unbedingte Verpflichtung gerade als jüngere Generation, nicht zu verstummen, sondern die Erinnerung wachzuhalten (…) und die Stimme zu erheben - gegen Antisemitismus, gegen Hass und Hetze, gegen Ausgrenzung und Gewalt".
Von Israel aus reist die Außenministerin weiter nach Jordanien und Ägypten. Auch da wird es um heikle Fragen wie Waffenlieferungen und Menschenrechte gehen, aber auch um Zukunftsthemen wie Klimaschutz.