Autobauer: Ungebremst in die Krise
28. August 2019"Alle großen Absatzmärkte schrumpfen. Das führt zu einem stärkeren Preisdruck und zu rückläufigen Margen. Hinzu kommen hohe Investitionen in Bereichen wie Autonomes Fahren und Elektromobilität." So fasst Constantin Gall die Ergebnisse einer Studie zusammen, die die Unternehmensberatungsfirma EY (ehemals Ernst&Young) an diesem Mittwoch veröffentlicht hat. Gall ist Leiter des Bereichs Automotive & Transportation bei EY.
Allerdings seien die Probleme der Automobilindustrie nicht alle hausgemacht. Die Autobauer hätten mit einem immer schwieriger und undurchsichtiger werdenden Marktumfeld zu kämpfen: "Die weltweite Autoindustrie befindet sich in einer Absatz- und Gewinnkrise, die derzeit noch in erster Linie konjunkturell bedingt ist."
Sinkende Margen bei steigenden Umsätzen
Untersucht hatte EY die weltweit 16 größten Autohersteller, unter ihnen die deutschen Marken BMW, Daimler und die Volkswagen Gruppe. Beim Umsatz konnte die Mehrzahl dieser Unternehmen zulegen - dank des SUV-Booms.
Die deutschen Hersteller verzeichneten mit einem Umsatzplus von 5,2 Prozent vor den französischen Konzernen (4,7 Prozent) den größten Zuwachs. Bei den US-Unternehmen (minus drei Prozent) und den japanischen Herstellern (minus 1,3 Prozent) ließ der Umsatz allerdings nach.
Insgesamt stieg der Umsatz der Unternehmen um 1,3 Prozent und erreichte damit einen neuen Höchststand. "Umsatzweltmeister" war im zweiten Quartal Volkswagen vor Toyota.
Weniger Autos finden einen Käufer
Konnten die Umsätze noch gesteigert werden, traf das auf die Verkaufszahlen nicht zu: Die stärksten Absatzrückgänge verzeichneten die US-Hersteller mit minus neun und die französischen Konzerne mit minus zehn Prozent. Im Ranking der verkaufsstärksten Autokonzerne lag Toyota dank eines Absatzwachstums von vier Prozent leicht vor Volkswagen, das ein Minus von zwei Prozent verzeichnete.
Generell müssen auch die deutschen Unternehmen beim Absatz mit Einbußen zurechtkommen. Eine Ausnahme bildet BMW: Wie die drei japanischen Hersteller Mitsubishi, Honda und Toyota konnten die Münchner die Absatzzahlen steigern.
Den Deutschen geht es noch ganz gut
Doch ungeachtet der insgesamt schwachen Gewinnsituation der deutschen Konzerne sind ihre Autos weltweit weiterhin sehr beliebt. Das zeigt sich auch im allgemeinen Absatzminus: Das ist nämlich recht wenig, vor allem im Vergleich zur Konkurrenz aus den USA und Frankreich.
Den Rückgang führt Peter Fuß, Partner von EY, bei der Vorstellung der Studie auch auf "mangelnde Verfügbarkeit von Modellen und anstehende Modellwechsel" zurück. Im zweiten Halbjahr sei durchaus wieder ein Absatzplus möglich., denn "operativ läuft es bei den Unternehmen nicht schlecht - sie gewinnen weltweit Marktanteile, kommen bei der Elektrifizierung der Modellpalette voran und werden mit harten Sparmaßnahmen auch die Kosten wieder senken."
Bei den deutschen Autoschmieden seien vor allem "Einmaleffekte" für die Gewinnrückgänge verantwortlich: Diese Firmen hätten "zuletzt in großem Stil Altlasten aus der Bilanz geräumt. Themen wie die Dieselkrise, Kartellvorwürfe oder Rückrufe wegen defekter Airbags haben in den vergangenen Jahren zu erheblichen Gewinneinbußen geführt."
Die Parkplätze vor den Werken sind voll
Beim Blick in die Lager und auf die Parkplätze der Autobauer sieht EY-Partner Peter Fuß ein weiteres Problem auf die Autobauer zukommen: Nach der Absatzflaute drohten nun Überkapazitäten, weil die derzeitigen Absatzrückgänge relativ unerwartet gekommen seien: "Gerade der schrumpfende chinesische Markt hat einige Anbieter auf dem falschen Fuß erwischt. Das passt nicht zu den optimistischen Planungen vieler Unternehmen, die auf weiteres Wachstum gesetzt hatten."
Laut Peter Fuß wird sich dieses Szenario nicht kurzfristig ändern. Im Gegenteil: Die Situation in China werde "immer ungemütlicher". Das sei aktuell vor allem den französischen und US-amerikanischen Autobauern teuer zu stehen gekommen, deren Verkäufe im immer wichtiger werdenden Automarkt China im zweiten Quartal um 14 bzw. 55 Prozent einbrachen.
Die großen Risiken
Die Hoffnung auf eine baldige Besserung der politischen Lage und damit des Marktumfeldes für die Autobauer könnte aber trügerisch sein, so Peter Fuß. So werde ein harter Brexit immer wahrscheinlicher, der zu erheblichen Einbußen auf dem europäischen Absatzmarkt führen würde. Auch China bereite Sorgen "In China sind die deutschen Autokonzerne trotz der aktuellen Marktschwäche derzeit noch gut unterwegs. Wenn der Handelsstreit mit den USA aber weiter eskaliert, wird das auch die deutsche Autoindustrie verstärkt zu spüren bekommen."
Beginn eines "Ausleseprozesses"
Die echten Herausforderungen lägen aber noch vor der Branche, betont Constantin Gall von EY: "In den kommenden Jahren werden die Karten neu gemischt. Strengere Emissionsgrenzwerte und der Vormarsch der Elektromobilität führen zu nie dagewesenen Umbrüchen - denen nicht alle Unternehmen gewachsen sein werden."
Daher gehe der Trend hin zu mehr Kooperationen und Partnerschaften, die teilweise auch sehr weit gingen, erwartet Gall: "Nur so lassen sich die enormen Kosten und Risiken bei den Zukunftsinvestitionen in den Griff zu bekommen. In jedem Fall stehen wir am Anfang eines Ausleseprozesses.