Lourenço: "Keine Verhandlungen" mit dos Santos
3. Februar 2020Angolas Präsident João Lourenço hat im DW-Exklusivinterview kategorisch ausgeschlossen, dass die mächtige Milliardärin Isabel dos Santos sich durch Rückzahlungen in die Staatskasse freikaufen könnte. Bei dem Gespräch mit DW-Korrespondent Adrian Kriesch handelt es sich um die ersten öffentlichen Äußerungen des Staatsoberhaupts seit der Veröffentlichung der "Luanda Leaks", einer internationalen Recherche über dubiose Milliardengeschäfte, die dos Santos schwer in Bedrängnis bringt. Daraufhin erhob die angolanische Staatsanwaltschaft Anklage wegen Betruges gegen die reichste Frau Afrikas. Die Tochter von Lourenços Amtsvorgänger, dem Langzeitpräsidenten José Eduardo dos Santos, nannte die Vorwürfe "irreführend und unwahr".
"Auch in Zukunft keine Verhandlungen"
Lourenço wies im DW-Interview Gerüchte zurück, wonach dos Santos hinter verschlossenen Türen einen Deal für eine teilweise Rückzahlung gegen Strafnachlässe aushandele: "Wir betonen, dass keine Verhandlungen stattfinden. Und es wird auch in Zukunft keine Verhandlungen geben."
Nach seinem Amtsantritt hatte Lourenço reuigen Tätern eine sechsmonatige Schonfrist eingeräumt, in der sie bis Ende 2018 illegal außer Landes geschafftes Geld straffrei zurück überweisen durften. Im Falle dos Santos' stellte der Präsident nun klar, dass diese Karenzzeit vorbei sei: "Diejenigen, die diese Chance nicht genutzt haben, werden nun zur Verantwortung gezogen - mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben."
"Absolute Handlungsfreiheit" der Justiz
Die Frage, ob er eine Verurteilung der Milliardärin begrüßen würde, wollte Lourenço nicht beantworten. "Es ist Sache der Justiz und nicht von Politikern, Menschen anzuklagen. Aufgabe der Politik ist es, einen Rahmen zu schaffen, in dem die Justiz frei walten und ihren Aufgaben nachgehen kann." Der Präsident schicke niemanden vor Gericht. "Dafür hätte ich gar keine Zeit. Es gibt zu viele Fälle in diesem Land."
Den von Oppositionellen geäußerten Vorwurf, die Regierung nehme Einfluss auf die Justiz, wies Lourenço zurück; das habe vielleicht für die Vergangenheit gegolten. "Heute haben sie (die Justizbehörden, Anm. d. Red.) absolute Handlungsfreiheit. Deshalb gibt es so viele Verfahren, insbesondere im Zusammenhang mit Korruption."
"Wir waren alle Teil des Systems"
Der 65-jährige Lourenço steht seit 2017 an der Spitze des südwestafrikanischen Landes. Zuvor war er Generalsekretär der Regierungspartei MPLA - unter der Ägide des Langzeitherrschers José Eduardo dos Santos, dem vorgeworfen wird, in seinen fast 40 Jahren an der Macht ein System der Korruption und der Ungleichheit perfektioniert zu haben. Gegenüber der DW verteidigte Lourenço seine Arbeit unter dos Santos: "Niemand kann sagen, er oder sie sei nicht Teil des Systems gewesen. Wir waren alle Teil des Systems." Diejenigen, die das System von innen kennen, seien jedoch in einer besseren Position, um Fehler zu korrigieren und Schlechtes zu verbessern.
Merkel reist nach Angola
Angola erlangte 1975 seine Unabhängigkeit von Portugal; anschließend wurde das Land Schauplatz eines Stellvertreterkriegs, dessen Kontrahenten von den gegnerischen Parteien des Kalten Kriegs unterstützt wurden. Das Land verfügt über große Erdöl- und Diamantenvorkommen, die einen kleinen Teil der Bevölkerung sehr reich machen. Die Hauptstadt Luanda mit ihrer Atlantikpromenade samt Luxus-Yachthafen gilt als teuerste Stadt Afrikas - gleichzeitig lebt ein großer Teil der Bevölkerung in bitterer Armut.
Nach Jahrzehnten unter dos Santos ruhen große Erwartungen auf João Lourenço, dem auch erste Erfolge im Kampf gegen die Korruption attestiert wurden. Allerdings lässt wirtschaftlicher Aufschwung länger auf sich warten. In dieser Woche wird die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Staatsbesuch in Angola erwartet.
ehl/wa (DW)