Darum geht es bei Merkels Südafrika-Reise
31. Januar 2020Mit Deutschland und Südafrika ist es wie mit manchen Ehepaaren: Erst große Liebe, dann gehen beide eigene Wege - und am Ende findet man doch wieder zusammen. Gerade erleben beide Länder so etwas einen zweiten Frühling, die Reisediplomatie zeigt es. Im Oktober 2018 flog Präsident Cyril Ramaphosa nach Deutschland. Der Gegenbesuch des Bundespräsidenten folgte einen Monat später. Verglichen damit ist Angela Merkel schon fast spät dran, aber: "Die Reise der Bundeskanzlerin ist eine Anerkennung dafür, dass die Beziehungen wieder enger geworden sind", sagt Melanie Müller, Südafrika-Expertin der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) im DW-Interview.
Das liegt vor allem an Staatschef Ramaphosa. Anfang 2018 hatte er seinen skandalumwitterten Vorgänger Jacob Zuma aus dem Amt gedrängt. Der war in seiner Präsidentschaft immer autoritärer aufgetreten und hatte vor allem durch immer neue Korruptionsaffären von sich reden gemacht. Außenpolitisch setzte Zuma auf die sogenannten BRICS-Staaten - neben Südafrika zählen hierzu Brasilien, China, Russland und Indien. Ramaphosa dagegen umwirbt die alten Freunde wieder. "Land und Präsident haben verstanden, dass die Reputation Südafrikas unter der Präsidentschaft Jacob Zumas gelitten hat", sagt SWP-Expertin Müller.
Comeback auf der Weltbühne
Das hatte Folgen nicht nur für Südafrika selbst, sondern auch für sein Verhältnis zu Deutschland. "Die Beziehungen sind keine Einbahnstraße, sondern basieren auf Geben und Nehmen", sagt Ottilia Maunganidze vom südafrikanischen Think-Tank Institute for Security Studies der DW. Für Deutschland war Südafrika vor der Zuma-Ära der wichtigste politische Partner in Afrika. Außenpolitisch waren beide Länder in globalen Fragen auf einer Linie - sie unterstützten etwa Gründung des Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.
An diese Zeiten könnte man nun anknüpfen: Im Moment gehören beide Länder dem UN-Sicherheitsrat an. Südafrika übernimmt im Februar den Vorsitz der Afrikanischen Union, Deutschland im Herbst die EU-Ratspräsidentschaft. Beide Regierungen arbeiten auch gemeinsam in der Compact with Africa-Initiative mit, die Deutschland während seiner G20-Präsidentschaft 2017 angestoßen hatte.
Auch die Wirtschaft spielt eine große Rolle. Südafrika ist der wichtigste Handelspartner Deutschlands in Afrika. Zwei Drittel aller deutschen Investitionen auf dem Kontinent fließen in die Kaprepublik. Alles, was in der deutschen Wirtschaft Rang und Namen hat, ist in Südafrika vertreten - etwa BMW, Mercedes oder Siemens. "Die deutsch-südafrikanischen Wirtschaftsbeziehungen blühen im Moment. 2019 wird aller Voraussicht nach ein neues Rekordjahr in den Handelsbeziehungen gewesen sein", sagt Matthias Boddenberg von der Deutschen Außenhandelskammer für das südliche Afrika zur DW.
Stromkrise und Firmenpleiten machen deutscher Wirtschaft Sorgen
Doch beide Seiten wollen mehr. Südafrika steckt in einer schweren Wirtschaftskrise. In diesem Jahr soll die Wirtschaft laut Internationalem Währungsfonds gerade mal um 0,8 Prozent wachsen. Die Arbeitslosenquote liegt bei rund 30 Prozent. "Arbeitslosigkeit treibt die Ungleichheit weiter voran, die noch immer eine der größten Herausforderungen für Südafrika ist. Südafrika wünscht sich daher Partnerschaften, die die Wirtschaft weiter voranbringen", so Expertin Maunganidze. Was im Bezug auf Deutschland heißt: Mehr Investitionen.
Für die deutsche Wirtschaft ist Südafrika ein lukrativer Markt, aber: "Die Rahmenbedingungen für das Engagement deutscher Unternehmen sind nicht optimal", sagt Boddenberg. Der staatliche Stromversorger Eskom steht nach jahrelangem Missmanagement vor dem Kollaps. Seit Monaten wird die Stromzufuhr regelmäßig gekappt, mit fatalen Folgen für die auf Energie angewiesene Industrie. Auch die staatliche Fluggesellschaft South African Airways und die Bahn überleben nur dank Milliardenhilfen der Regierung. Präsident Ramaphosa hat Abhilfe versprochen, aber viele Menschen spüren davon im Alltag noch nichs. "Ich glaube, dass im Moment eine Abkehr von der 'Ramaphoria' zu einer 'Ramaphobia' zu beobachten ist", beschreibt Handelsvertreter Boddenberg die Stimmung im Land.
Deutsche Marineboote für Angola?
Auch beim Kanzlerinnen-Besuch in Angola geht es viel um die Vergangenheit - und um die Zukunft. Schon lange planen beide Seiten eine engere Zusammenarbeit. Doch es gab ein Hindernis: Langzeitherrscher José Eduardo dos Santos. In seinen 38 Jahren an der Macht plünderte die Präsidentenfamilie das ölreiche Land förmlich aus. Vor wenigen Wochen erst brachte internationale Rechercheprojekt "Luanda Leaks" ans Licht, wie Präsidententochter Isabel dos Santos während der Regierungszeit ihres Vaters durch dubiose Deals ein Milliardenvermögen angehäuft haben soll.
Doch seit 2017 steht ein neuer Mann an der Spitze: "Seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten João Lourenço haben sich die Beziehungen zu Deutschland verbessert", sagt SWP-Expertin Müller. Denn Lourenço geht hart gegen die Korruption vor, auch gegen die Familie seines Vorgängers: Das Vermögen der Ex-Präsidententochter wurde eingefroren, die Justiz hat wegen Betrugs Anklage gegen sie erhoben.
Erste Anzeichen für eine engere Zusammenarbeit gibt es bereits. Angola wünscht sich schon lange eine engere militärische Zusammenarbeit. Seit 2017 ist ein deutscher Militärattaché vor Ort. Die Regierung in Luanda würde auch gerne deutsche Marineboote kaufen. Bisher hat sich die Bundesregierung dazu nicht geäußert. Die Boote dürften daher ein Thema bei den politischen Gesprächen der Bundeskanzlerin vor Ort sein. Deutschland interessiert sich vor allem für stärkere Wirtschaftsbeziehungen zu dem ressourcenreichen Land. In den vergangenen Jahren sind die deutschen Investitionen in Angola allerdings gesunken. Intensivere Beziehungen zwischen beiden Ländern könnten ihren Teil dazu beitragen, dass sich auch das ändert.