Schatten über dem Weltwirtschaftsforum
5. September 2019Von ihrem Haus aus sah sie die Flammen. Nokuthula Ndlovu lebt in Johannesburg und hat die gewaltsamen Auseinandersetzungen aus sicherer Entfernung beobachtet. Hunderte Menschen plünderten Geschäfte und zündeten sie an. Es gab Gewaltexzesse gegen Nigerianer und Menschen aus Zimbabwe und Mali. Nokuthula Ndlovu brachte in ihrem Haus Mitarbeiter und eine Familie unter. Sie fühlten sich in ihrer eigenen Wohnung nicht mehr sicher.
Die junge Unternehmerin ist sichtbar schockiert als sie mit der DW spricht. "Meine Familie ist eine Mischung aus verschiedenen afrikanischen Familien, nicht unbedingt eine südafrikanischen Familie. Von zu Hause aus konnte ich die Flammen in Johannesburg sehen. Also war ich wirklich, wirklich betroffen. Es ist nicht gut, einfach nur darüber zu reden, denn es ändert den Status quo nicht. Wir sollten mit den Regierungen und mit Afrika als Kontinent zusammenarbeiten, um das zu bekämpfen".
Arme gegen Arme
Die Gewaltexzesse in Johannesburg und anderen Städten Südafrikas haben das Thema "soziale Ungleichheit" wieder in die Schlagzeilen gebracht. Die Arbeitslosigkeit liegt offiziell bei knapp 30%. Bei jungen Südafrikanern mit schwarzer Hautfarbe ist sie aber deutlich höher. Experten sprechen von 80-90% Arbeitslosen in dieser Gruppe.
Viele versuchen es mit Schwarzarbeit, schlagen sich irgendwie durch und wenn dann andere aus Zimbabwe, Mali oder Nigeria ihre Arbeitskraft noch günstiger anbieten, entlädt sich die Wut. Arme gegen noch Ärmere.
Soziale Ungleichheit ist ein Pulverfass
Matthias Boddenberg, Geschäftsführer der deutsch-südafrikanischen Handelskammer, lebt seit 19 Jahren in Südafrika. Er zuckt mit den Schultern. "Die Ungleichheit ist einfach zu groß", betont er. "Schauen Sie doch mal auf die Straße". Boddenberg zeigt vom Balkon des vierten Stocks nach unten. "Da gibt es so viele Arme die dort leben und fast nichts haben".
Die Zahl der Arbeitslosen sei einfach zu hoch und "das ist nicht vertretbar", ergänzt er, "wenn jeder Dritte arbeitslos ist. Ohne eine funktionierende und wachsende Wirtschaft kann die Arbeitslosigkeit nicht abgebaut werden."
Stagnation
Die Wirtschaftsentwicklung stagniert und es gibt wenig Hoffnung, dass sich das ändert. 0,5% Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr. Südafrika bleibt weit unter seinen Möglichkeiten. Darin sind sich die Experten einig.
Eigentlich ist das Land reich, hat Bodenschätze und eine gut funktionierende Landwirtschaft. Vieles geht in den Export. Waren im Wert von rund 9 Milliarden Euro wurden allein nach Deutschland verschifft. Aber was nützen Handelserfolge, wenn nur wenige Menschen davon profitieren?
Alltägliche Gewalt
An der Waterfront in Kapstadt glänzen Luxusgeschäfte mit ihren neusten Produkten. Porsche ist da, Ferrari, Mercedes, Audi und Bulthaup. Davor spielen südafrikanische Musiker auf Trommeln und hoffen auf Spenden von Touristen. Eine ältere Frau erzählt aufgeregt einem Polizisten, dass ihr gerade die Handtasche gestohlen wurde.
Nur wenige Kilometer weiter glitzert das hypermoderne Kongresszentrum im Sonnenlicht. Die Zufahrtswege sind weiträumig abgesperrt. Das Weltwirtschaftsforum zu Afrika, das hier vom 4. bis 6. September stattfindet, soll ungestört verlaufen können.
Die Polizei kontrolliert schwer bewaffnet aber eine kleine Demonstration von Frauen hat es bis vor die Eingangstüren des Kongresszentrums geschafft. Sie singen und halten selbstgemalte Plakate hoch. "Wir fühlen uns nicht sicher" ist darauf zu lesen. Die Frauen protestieren gegen die alltägliche Gewalt in Südafrika.
Schwere Stunden für Südafrika
Präsident Ramaphosa sieht davon nichts, als er am Mittwochabend zu Hintergrundgesprächen in seiner gepanzerten Limousine im Kongresszentrum ankommt. Es sind schwere Stunden für ihn. Die Gewaltexzesse gegen Ausländer in südafrikanischen Ländern dominieren die Nachrichten. Kaum jemand spricht von den Chancen, die Südafrika bietet.
Unternehmer machen sich Sorgen, mehr aber bisher anscheinend nicht. Miguel Azevedo, Chef des Investmentbanking Sub Sahara bei der Citi Group, sieht keine große Aufregung. "Leider ist das für Südafrika nichts Neues. Unternehmen sind es irgendwie gewohnt", sagt er im Gespräch mit der DW. "Wenn es schlimmer wird, ist es natürlich eine andere Geschichte". Andere fürchten, dass Touristen wegbleiben werden. Schlagzeilen mit der Überschrift "Ausländer angegriffen" führen zu Unsicherheit.
Der Präsident diskutiert auf der Straße
Zur Eröffnungsveranstaltung des Weltwirtschaftsforums am Donnerstag in Kapstadt ist der südafrikanische Präsident Ramaphosa angekündigt, erscheint dann aber überraschenderweise nicht. Stattdessen liest Finanzminister Mboweni die Rede des Präsidenten den vielen hundert Teilnehmern des Weltwirtschaftsforums vor.
Es geht um Industrie 4.0 und Fortschritte, die der afrikanische Kontinent in Bezug auf die Digitalisierung machen könnte. Der Finanzminister beendet die Präsidentenrede mit eigenen Worten: "Wir heißen unsere Gäste willkommen. Wir sind alle Afrikaner." Im Saal, in dem auch die Präsidenten Ugandas und der Seychellen sitzen, brandet Applaus auf.
Der südafrikanische Präsident diskutiert derweil mit Frauen, die vor dem Parlament protestieren. Sie wollen auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen. Der Demonstrationszug wächst, viele schließen sich an. Nachdem eine junge Frau in Kapstadt vergewaltigt und ermordet wurde, ist die Wut auf die Regierung und die Polizei groß. "Wir haben genug davon. Wir werden jetzt Maßnahmen ergreifen, um die Frauen unseres Landes zu schützen", erklärt der südafrikanische Präsident und versucht die Frauen zu beruhigen. Doch viele bleiben skeptisch. Ankündigungen allein werden nicht reichen, um allen Südafrikanern und ihren Gästen wieder ein Gefühl der Sicherheit zu geben.