1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Südafrika schickt Soldaten in Townships

12. Juli 2019

Das Militär soll gegen bewaffnete Banden in den Townships von Kapstadt vorgehen. Das kündigte Südafrikas Polizeiminister an. Die Entscheidung folgt auf eine Reihe von Morden in den Armutsbezirken der Stadt.

https://p.dw.com/p/3LxWl
Südafrika Kapstadt Polizeieinsatz im Township Manenberg
Bild: Getty Images/AFP/P. Bauermeister

"Wir sehen uns mit der traurigen Realität konfrontiert, in der es mehr Beerdigungsvorbereitungen auf Friedhöfen als Neugeborene auf der Geburtenstation gibt", so Polizeiminister Bheki Cele bei einer Rede im Parlament. Der Anblick Erschossener in den Straßen sei für die Bewohner "unerträglich" geworden. Einige Bewohner der "Cape Flats", Kapstadts berüchtigter Township-Bezirke, fordern schon seit längerem die Entsendung der Armee. Sie werfen der Polizei Unfähigkeit vor.

Dem Polizeiminister zufolge haben sowohl Präsident Cyril Ramaphosa als auch die für Verteidigung zuständige Ministerin grünes Licht für die Militäraktion gegeben. Für zunächst drei Monate sollen Soldaten demnach die lokalen Polizeikräfte bei Durchsuchungen, Observationen und Patrouillen unterstützen. Das Militär werde die Viertel auch aus der Luft beobachten.

Deutlich mehr Mordfälle

Die Townships der zweitgrößten Stadt Südafrikas sind schon lange Schauplatz von brutalen Überfällen und Morden. Im Township Philippi East sind am vergangenen Wochenende binnen zwei Tagen mindestens 13 Menschen getötet worden.Binnen eines Jahres sei die Zahl der getöteten Menschen in der Region Westkap von 3729 auf 3963 gestiegen, erklärte Minister Cele bei Beratungen über den künftigen Haushalt im Parlament. Die Zahl der Mordversuche sei ebenfalls gestiegen, um rund 150 auf 3844.

Südafrika Cyril Ramaphosa und Bheki Cele
Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa (links) und Polizeiminister Bheki CeleBild: Getty Images/AFP/R. Bosch

Zuletzt sorgte eine Welle von Raubüberfällen auf Kirchen für Schlagzeilen. Attacken auf Gläubige bei Gottesdiensten gehörten "mittlerweile zum Alltag", zitierte die Zeitung "Weekend Argus" den Sprecher einer Methodistenkirche bei Kapstadt. Betroffen seien vor allem Gotteshäuser in Townships.

Nach Polizeiangaben hätten Gläubige in den vergangenen zwölf Monaten vermehrt Überfälle zur Anzeige gebracht. Zu dem Diebesgut gehörten Laptops, Mobiltelefone, Bargeld und die Kircheneinrichtung. "Frauen können nicht einmal mehr ihre besten Handtaschen zur Kirche tragen, weil niemand weiß, was dort passiert. Unsere Kirche liegt gegenüber der Polizeistation, aber das kümmert die Kriminellen nicht", klagte ein Kirchenvertreter aus dem Township Langa.

Krankenwagen unter Polizeischutz

Wegen zunehmender Überfälle auf Rettungskräfte im Einsatz erhalten auch Krankenwagen und Feuerwehren in Kapstadt seit zwei Jahren Begleitschutz von der Polizei. Zwischen 22 und sechs Uhr morgens werden Rettungskräfte in Brennpunkt-Vierteln von bewaffneten Polizisten begleitet. Ein Konzept, das nun auch in Südafrikas größter Stadt Johannesburg umgesetzt wird. Das erklärte der für öffentliche Sicherheit im Großraum Johannesburg zuständige Polizeivertreter David Tembe.

Südafrika Kapstadt Polizeirazzia ind Manenberg
Polizeidurchsuchung in Kapstadt: Bald auch mit Hilfe der ArmeeBild: picture-alliance/AP Photo/N. Manie

Medizinisches Personal und Helfer der Feuerwehr sehen sich in von Kriminalität geprägten Bezirken im Großraum Johannesburg immer häufiger Überfällen und Gewalt ausgesetzt. Die Polizei werde in Zukunft Stärke zeigen, "um sicherzustellen, dass so etwas nicht wieder passiert", erklärte Tembe. Wegen der regelmäßigen Überfälle erhalten medizinische Rettungskräfte in Johannesburg seit einiger Zeit auch Schulungen in Selbstverteidigung, Rettungswagen sind mit Alarmknöpfen ausgestattet.

"Ein verzweifelter Versuch"

Experten und Medien kritisieren die Entscheidung der Regierung, Soldaten in die Townships zu entsenden. Die Zeitschrift "Daily Maverick" spricht von einem "verzweifelten Versuch, die Kontrolle zurückzugewinnen". Laut Gareth Newham, Forscher am Institut für Sicherheitsstudien (ISS) in Pretoria, handle es sich um ein Problem von Armut und Ungleichheit, das vor allem Jugendliche betrifft. Dieses könne nur durch sozialen Wandel bekämpft werden. "Der Fokus sollte auf der Unterstützung der Eltern liegen. Um das Problem nachhaltig zu lösen, brauchen die Gangster-Gemeinden endlich eine vollwertige Bildung und sinnvolle Arbeitsplätze."

pgr/kle (kna, afp, Times)