Vier Staatschefs, vier Herausforderungen
2. Januar 2020Eines haben João Lourenço, Abiy Ahmed, Cyril Ramaphosa und Emmerson Mnangagwa gemeinsam: Als sie zum Präsidenten (bzw. Ministerpräsidenten) ihres Landes gewählt wurden, waren viele in Feierlaune. Inzwischen stehen die einstigen Hoffnungsträger unter gewaltigem Reformdruck - und wieder haben sie etwas gemeinsam: 2020 wird sich herausstellen, ob sie diesem Druck gewachsen sind.
Angola: Stabile Wirtschaft in Sicht?
Angolas Präsident João Lourenço hat seit seiner Wahl 2017 einige positive Änderungen in der Landespolitik auf den Weg gebracht. Aber die Erwartungen in dem südwestafrikanischen Land sind weitaus höher: "Nächstes Jahr muss das erste Jahr werden, in dem das Bruttosozialprodukt steigt. Das ist ganz wichtig, denn für den Präsidenten sind die 'Flitterwochen' jetzt vorbei", sagt Alex Vines, Leiter des Afrika-Programms an der Londoner Denkfabrik Chatham House. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit erhöhe den Reformdruck auf Lourenço, fügt Vines an.
Der Präsident habe es sich zwar zum Hauptziel gemacht, die Wirtschaft Angolas zu stabilisieren. Aber das ölreiche Land stecke seit vier Jahren in einer Rezession, sagt Vines. Eine gelungene Transformation hänge von einer starken Wirtschaft und neuen Arbeitsstellen ab. Der Präsident habe mit Hilfe einiger Initiativen versucht, mehr Investoren ins Land zu locken. "Entscheidend wird sein, ob er es schafft, Angolas ewige Abhängigkeit von der Ölwirtschaft zu durchbrechen. 97 Prozent der aktuellen Einnahmen stammen aus dem Verkauf von Rohöl", sagt Vines im DW-Interview.
Positiv verbuchen aber die Angolaner laut Vines, dass Lourenço nach Amtsantritt gegen Korruption vorgegangen ist. Angolas Dauerherrscher José Eduardo dos Santos hatte das Land wie einen Familienbetrieb geführt. Er hatte Lourenço als seinen Nachfolger auserkoren, weil er ihn nicht als durchsetzungsstark einschätzte, geschweige denn in Sachen Korruption eine Gefahr für Dos Santos darstellen könnte. Es kam anders: Der neue Präsident überraschte mit einigen Schritten zur Bekämpfung von Korruption und Vetternwirtschaft. Er hat innerhalb der ersten zwei Monate seiner Amtszeit ordentlich aufgeräumt in Angola und scheute sich nicht, Mitglieder der Dos Santos-Familie festnehmen zu lassen. Auch der frühere Transportminister landete wegen Korruption im Gefängnis.
Doch wie reformwillig ist denn Angolas Machthaber? "Er meint es schon ernst, plant aber nicht, die Demokratie einzuführen", betont Vines. Es gehe seiner Meinung nach eher um den Machterhalt in der Partei. Die seit der Unabhängigkeit 1975 regierende MPLA hat die Wahlen nach dem offiziellen Ergebnis mit 61 Prozent gewonnen. Vines dazu: "Lourenço will ein besseres Resultat sicherstellen." Für die Angolaner wird sich also im nächsten Jahr zeigen, ob ihr Präsident sein Handeln stärker auf wirtschaftspolitischen Aufschwung setzt, oder sich mehr um die interne Parteipolitik kümmert.
Riskante Politik in Äthiopien
Auch in Äthiopien ist keineswegs sicher, dass die Bürger 2020 von Reformen profitieren - daran ändert auch der Friedensnobelpreis für Regierungschef Abiy Ahmed im vergangenen Jahr wenig. Die wichtigste Auszeichnung der Welt ging an den 43-jährigen Ministerpräsidenten, der seit gerade eineinhalb Jahren im Amt ist. Er wurde belohnt für seinen Mut und seinen Einsatz zur Lösung des Konflikts mit dem benachbarten Eritrea. In seinem eigenen Land allerdings ist die Lage alles andere als friedlich: Allein in diesem Herbst gab es Ausschreitungen mit mindestens 67 Toten und ein regionales Autonomiereferendum, das neue Spannungen schüren könnte. Das politische System der Unterdrückung in dem Vielvölkerstaat hat Abiy nach innen geöffnet und dem Streben nach mehr Autonomie nachgegeben. "Das war sehr riskant", urteilt Vines. "Aber wenn er es nicht versucht, kann er nichts erreichen."
Immer mehr Volksgruppen in dem 109-Millionen-Einwohner-Land streben nach Autonomie. Kann Premier Abiy Ahmed das Land auf Dauer zusammenhalten? Die Lage sei brisant, sagt Vines. Ein Putschversuch in der nördlichen Region Amhara vor einigen Monaten zeigt, dass Äthiopien politisch jederzeit umkippen kann: "Wir werden bald etwas mehr abschätzen können, ob es Abiy in naher Zukunft gelingen kann, die Wirtschaft zu reformieren und das Land stabil zu halten." Davon hängt nicht nur Abiys politisches Überleben nach der Parlamentswahl im Mai 2020, sondern auch der Frieden in der gesamten Region ab.
Südafrikaner verärgert
Auch für die Südafrikaner bleibt Hoffen und Bangen Status quo in ihrem Alltag. Der vielbeschworene wirtschaftliche Aufschwung wird noch auf sich warten lassen. "Wir reden immer davon, die vierte industrielle Revolution einzuleiten", sagt Aditi Lalbahadur, Mitarbeiterin am Südafrikanischen Institut für Internationale Angelegenheiten im DW-Interview. "Aber es hängt ein viel zu großer Schatten über uns." Damit meint die Politikexpertin die Altlasten der korrupten und skandalträchtigen Regierung von Jacob Zuma, den Ramaphosa nach dessen Rücktritt Anfang 2018 abgelöst hat. Für radikale Reformen war sein Rückhalt in der Partei, dem ANC, jedoch nicht groß genug. Er wurde bei den Präsidentschaftswahlen im Mai 2019 im Amt bestätigt - unter Verlusten für den ANC.
In Südafrika flammte große Hoffnung in dem Moment des Machtwechsels von Zuma zu Ramaphosa auf, dass sein Nachfolger das Land vom Filz der Korruption befreit und die marode Wirtschaft saniert. Diese Aufbruchsstimmung ist schnell verflogen: "Ramaphosas Kabinett besteht im Prinzip aus den gleichen Leuten, die für die Korruption verantwortlich sind. Wie kann man denen vertrauen?", fragt Lalbahadur. Sie glaubt hingegen, dass Ramaphosa in der Tat eine Vision hat, Südafrika aus dem Tal des Null-Wachstums herauszuführen. Südafrikaner fühlten jetzt diese harte Realität. Sie sind verärgert über die Situation, aber Optimismus halte sich in Grenzen: Im neuen Jahr wird für Ramaphosa wichtig, konkrete Zeichen zu setzen.
Keine Hoffnung in Simbabwe
Auf ein derartiges Szenario wartet im Nachbarland offenbar niemand im beginnenden Jahr 2020. "Simbabwe steckt weiterhin in einer tiefen wirtschafts- und sozialpolitischen Krise", sagt Lalbahadur. Es gebe keinerlei Investitionen aus dem Ausland und das Misstrauen gegenüber Präsident Emmerson Mnangagwas Regierung sei enorm. "Er redet von Reformen und Öffnung für Handel, aber lässt gleichzeitig Demonstranten auf den Straßen zusammenschlagen." Die Hyperinflation liegt derzeit bei 440 Prozent. "Die Menschen sehen jetzt, dass es nicht genügt, den vorherigen Autokraten Robert Mugabe loszuwerden." In Simbabwe sagen einige, man habe 2017 nur den Fahrer ausgewechselt, aber der Bus sei noch derselbe.
Das Jahr 2019 war politisch extrem enttäuschend, meint auch Analyst Vines. "Simbabwe ist das Schlusslicht, wenn es um die Hoffnung auf Wandel in naher Zukunft geht."