Angola: Streit um leere Staatskassen
26. November 2018"Der Präsident lügt, wenn er behauptet, dass die Staatskassen leer waren, als ich ihm im September 2017 die Amtsgeschäfte übergeben habe." Mit diesen Worten ging José Eduardo dos Santos, der Angola fast 40 Jahre lang regiert hatte, am vergangenen Mittwoch (21.11.18) offen auf Konfrontationskurs mit seinem Nachfolger João Lourenço. Der Streit droht sich zu einer offenen Feindschaft zwischen dem Lager von João Lourenço und dem nach wie vor mächtigen dos-Santos-Clan auszuweiten.
Es war die erste Pressekonferenz des 76-jährigen dos Santos seit seinem Abtritt im September vergangenen Jahres. Mit brüchiger Stimme trat er vor die Journalisten, die er in seine José-Eduardo-dos-Santos-Stiftung bestellt hatte. Seit Jahren kursieren Gerüchte um seinen Gesundheitszustand. Doch bei diesem Termin geht es José Eduardos dos Santos nicht um sein körperliches Befinden, sondern um "seine Ehre" - und, wie er betont, um nichts Geringeres als die "Wahrheit". Wiederholt habe sein Nachfolger behauptet, bei seinem Amtsantritt leere Staatskassen vorgefunden zu haben. Doch das sei eine glatte Lüge, er habe mehr als 15 Milliarden US-Dollar in der Staatskasse hinterlassen. Finanzen und Wirtschaft seien bei der Machtübergabe stabil gewesen, fügt José Eduardo dos Santos hinzu. "Unsere Währung war stabil, alle Beamtengehälter waren bezahlt."
Das Ende der Harmonie
Lange Zeit hatte es dos Santos vermieden, auf Konfrontation mit seinem Nachfolger zu gehen. Die Übergabe der Amtsgeschäfte sollte ohne einen öffentlichen Konflikt über die Bühne gehen. "Ein normaler Vorgang", hieß es noch im September dieses Jahres, als dos Santos auch als Präsident der Regierungspartei MPLA abtrat und den Vorsitz an Staatspräsident João Lourenço übergab. Die "harmonische" Amtsübergabe in Angola wurde von der MPLA als "Vorbild für ganz Afrika" und als "Beweis für die Reife der angolanischen Demokratie" gefeiert.
"Nun kommt die Wahrheit ans Licht", sagt der Journalist und politische Analyst Alexandre Solombe im DW-Interview: "Das ist der Beweis, dass es mit der von der MPLA offiziell propagierten harmonischen Machtübergabe nicht so weit her ist. Es war nur Propaganda."
Wie konnte es zu dem öffentlichen Zerwürfnis zwischen José Eduardo dos Santos und seinem Nachfolger kommen? Einige Tage vor einem Staatsbesuch in Portugal hatte Lourenço der portugiesischen Wochenzeitung "Expresso" ein großes Interview gegeben, in dem er dos Santos vorwarf, leere Staatskassen hinterlassen zu haben. Außerdem habe dos Santos seinem Wunsch nach einer ordentlichen Übergabe der Regierungsgeschäfte nicht entsprochen, so Lourenço. Das Land sei damals am Rande der Zahlungsunfähigkeit gewesen. Selbst die Beamtengehälter und die Bezahlung elementarer Importgüter seien zeitweise in Gefahr gewesen.
Rege öffentliche Diskussion
Was sich zurzeit in Angola abspiele, sei ein Kampf um die Deutungshoheit der jüngsten angolanischen Geschichte, meint der Analyst Alexandre Solombe. "José Eduardo dos Santos strickt an seiner Legende: nämlich, dass unter seiner Regentschaft alles besser gewesen sei. Dabei wissen wir alle, dass sich die Lage des Landes gegen Ende seiner Regentschaft dramatisch zugespitzt hatte." Selbst wenn es stimme, dass er 15 Milliarden in der Staatsschatulle hinterlassen habe, so sei das für angolanische Verhältnisse ein relativ kleiner Betrag, der gerade mal ausreiche, um die laufenden Kosten eines halbes Jahres zu decken.
In den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter sorgt der Streit zwischen dos Santos und Lourenço für Aufregung, auch auf den Seiten der DW auf Portugiesisch für Afrika, wo Hunderte Nutzer Fragen formulieren, wie "Wer von beiden lügt?", "Wo sind die 15 Milliarden?" oder "Wird der dos Santos-Clan jetzt koordiniert zurückschlagen?"
Vor allem wird über mögliche Reaktionen von Isabel dos Santos, der Tochter des Ex-Präsidenten, spekuliert. Die milliardenschwere Unternehmerin ist die mächtigste Frau Angolas und die reichste Afrikas. Auffällig ist, dass sich die ehemals sehr diskrete Präsidententochter mit immer neuen Botschaften bei Twitter zu Wort meldet, in denen sie versucht, das Erbe ihres Vaters und anderer Angehöriger in ein gutes Licht zu rücken.
Dos-Santos-Kinder in Schwierigkeiten
Auch Isabels Bruder, José Filomeno dos Santos, ist tief gefallen: "Zénu", wie er in Angola genannt wird, sitzt seit September in Luanda in Untersuchungshaft. Die Liste der Vorwürfe gegen ihn ist lang: Bildung einer kriminellen Vereinigung, illegale Bereicherung, Geldwäsche und Korruption. Die angolanische Staatsanwaltschaft untersucht unter anderem, ob Geldtransfers ins Ausland in Höhe von 500 Millionen Dollar, die der Sohn des Ex-Präsidenten als Aufsichtsratsvorsitzender des angolanischen Staatsfonds verantwortet hatte, rechtmäßig waren.
Die Angst geht um in der dos-Santos-Familie. Auch Isabel dos Santos ist nicht unantastbar: Ihre Absetzung von der Spitze der staatlichen Ölfirma Sonangol war eine der ersten Amtshandlungen Lourenços. Wird sie früher oder später sogar selbst angeklagt? Anhaltspunkte für Korruption gibt es genug: Isabel dos Santos soll kurz vor ihrer Entlassung mehr als 135 Millionen US-Dollar von Sonangol abgezweigt und das Geld auf Konten von vier ihrer Privatunternehmen transferiert haben. Dafür soll sie sich der portugiesischen Bank BIC bedient haben, an der Isabel dos Santos zu 42,5 Prozent beteiligt ist.
Die Vorwürfe stünden zwar im Raum, würden aber allein schon aus formaljuristischen Gründen noch nicht verfolgt, sagt der angolanische Jurist Pedro Karapakata: "Die neue Regierung unter João Lourenço hat Unternehmen und Privatpersonen, die in der Vergangenheit illegal Gelder außer Landes geschafft haben, eine Schonfrist eingeräumt. Wenn sie freiwillig das Geld bis zum 22. Dezember wieder nach Angola transferieren, kommen sie straflos davon. Dafür wurde eigens ein Gesetz erlassen: das sogenannte Gesetz zur Rückführung von Kapital."Die Betroffenen haben sechs Monate Zeit bekommen, um die betreffenden Beträge nach Angola zurück zu überweisen. Wenn die abgelaufen sind, wäre eine Strafverfolgung der Tochter des Ex-Präsidenten dos Santos möglich.
Mitarbeit: Manuel Luamba