Übergangsrat in Haiti trifft erste Personalentscheidungen
1. Mai 2024Der Übergangsrat, der nach dem Rücktritt des umstrittenen Premierministers Ariel Henry die Regierungsgeschäfte übernommen hatte, kürte Ex-Sportminister Fritz Bélizaire während einer Zeremonie in der Hauptstadt Port-au-Prince zu Henrys Nachfolger. Zudem wurde der ehemalige Senatspräsident Edgard Leblanc Fils zum Präsidenten des Übergangsrats von Haiti gewählt. Dem Politiker kommt nun eine koordinierende Rolle innerhalb des Übergangsrats zu, der seit vergangener Woche im Amt ist. Sowohl Bélizaire als auch Leblanc Fils wurden mit einer knappen Mehrheit von vier der insgesamt sieben Stimmen im Übergangsrat gewählt.
Das Gremium hat die Aufgabe, die öffentliche Ordnung in dem von Bandengewalt beherrschten Inselstaat wiederherzustellen und das Land bis zur Abhaltung neuer Wahlen zu führen. Bis zum 6. Februar 2026 soll eine gewählte Regierung stehen. In Haiti sind seit 2016 keine Wahlen mehr abgehalten worden.
Weder Präsident noch Parlament
Seit der Ermordung des amtierenden Staatschefs Jovenel Moise im Jahr 2021 hat der Karibikstaat zudem keinen Präsidenten. Ein arbeitsfähiges Parlament gibt es ebenfalls nicht. Haiti leidet unter einer Welle von massiver Bandengewalt, die humanitäre Lage in dem verarmten Karibikstaat hatte sich in den vergangenen Wochen zusehends verschlechtert.
Kriminelle Gangs kontrollieren inzwischen weite Teile des Landes und rund 80 Prozent der Hauptstadt Port-au-Prince. Den Banden werden zahlreiche Verbrechen wie Mord, Vergewaltigung und Lösegelderpressung vorgeworfen.
Eskalation der Bandengewalt
Die Situation im Land hatte sich Ende Februar während einer Auslandsreise von Regierungschef Ariel Henry verschärft. Bewaffnete Bandenmitglieder griffen Polizeiwachen an und befreiten tausende Häftlinge aus Gefängnissen. Sie forderten den Rücktritt des seit 2021 regierenden Henry, der eigentlich schon Anfang Februar aus dem Amt des Ministerpräsidenten hätte scheiden sollen. Aufgrund der Zuspitzung der Lage konnte Henry von einer Auslandsreise nach Kenia, auf der er über die Entsendung einer internationalen Polizeimission verhandelte, nicht nach Haiti zurückkehren. Der Regierungschef sah sich am 12. März zum Rücktritt gezwungen.
Mehr als 360.000 Menschen in Haiti haben aufgrund der Krise ihre Häuser verlassen müssen und gelten als Vertriebene im eigenen Land. Eine bereits bestehende Hungerkrise verschärfte sich. Alle Linienflüge wurden gestrichen, ausländische Diplomaten und Bürger aus Haiti evakuiert. Haiti gilt als das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Der Inselstaat wurde in den vergangenen Jahren auch immer wieder von Naturkatastrophen wie Erdbeben und Wirbelstürmen erschüttert.
kle/sti (epd, afp, dpa, ape)