50 Jahre Grimme-Preis
4. April 2014Es ist 1964, in der gerade 15 Jahre jungen Bundesrepublik Deutschland gibt es drei Fernsehprogramme: Das Erste, das Zweite und die "Dritten", die Regionalprogramme der Landesrundfunkanstalten. Die Fernsehwelt ist schwarz-weiß, denn die Farbe kommt erst 1967 ins deutsche Fernsehen. Man guckt am liebsten Krimis und Unterhaltungssendungen.
Mit politischer Bildung tut sich das deutsche Fernsehen in den frühen 60er Jahren noch schwer. Um das zu ändern, plant der Deutsche Volkshochschulverband schon seit Jahren,einen Preis ins Leben zu rufen, der besonders wertvolle Produktionen auszeichnet. Der Preis wird nach dem ersten Generaldirektor des Nordwestdeutschen Rundfunks (des ersten öffentlich-rechtlichen Landessenders der Bundesrepublik) benannt: Adolf Grimme.
Ein Ritterschlag für Medienschaffende
Die erste Preisverleihung 1964 war recht übersichtlich: Die Jury wählte unter 26 Einsendungen drei Preisträger aus. Ausgezeichnet wurde die Sendung "Das Dritte Reich, 8. Folge: Der SS-Staat" - eine Koproduktion des Westdeutschen und des Süddeutschen Rundfunks. Mit dieser Entscheidung, so die Grimme-Jury damals, wolle sie "das Verantwortungsbewusstsein auszeichnen, mit dem die beiden Anstalten ein so wichtiges und schwieriges Thema (…) eindrucksvoll und objektiv behandelt haben".
Schnell bekam die damals noch "Adolf-Grimme-Preis" genannte Auszeichnung das Renommee, das sie auch haben sollte: Hier wurde Qualität belohnt - dieser Preis war für die Medienschaffenden ein Ritterschlag.
In den folgenden Jahren erweiterte sich das Spektrum - Preise gab es für die verschiedensten Formate: Dokumentationen, Interviews, Reportagen, Fernsehspiele. Voraussetzung war stets herausragende journalistische Arbeit, gute Recherche, kluger Einsatz der vorhandenen Produktionstechniken.
Unter den Preisträgern war 1967 auch die Diskussionsrunde "Der internationale Frühschoppen". Hier debattierten Journalisten aus verschiedenen Ländern rauchend und Wein trinkend über das Weltgeschehen. Es war der erste Polit-Talk im deutschen Fernsehen, geleitet vom nicht immer stromlinienförmigen Moderator Werner Höfer. Jeden Sonntag um 12 Uhr klebte das deutsche Publikum am Fernseher - die Sendung war so beliebt, dass es Beschwerdebriefe gab, wenn sie mal ausfiel. Seitdem unterbrach Höfer jeden Urlaub, um sonntags pünktlich auf der Mattscheibe zu erscheinen.
Eduard "Ede" Zimmermann erhielt den Preis im gleichen Jahr. Der Moderator warnte in der Sendung "Vorsicht Falle! - Nepper, Schlepper, Bauernfänger" vor miesen Betrugsmaschen. Später schrieb auch er mit der Fahndungssendung "Aktenzeichen XY … ungelöst" Fernsehgeschichte.
Spiegel der deutschen Fernsehlandschaft
Die Fernsehlandschaft veränderte sich - im Lauf der Jahre wurden immer mehr Preise ausgelobt, es kamen neue Kategorien dazu und so waren schließlich auch Fernseh- oder Kinofilme unter den Preisträgern. Aufsehen erregte 1978 die Auszeichnung des Regisseurs Wolfgang Petersen für seinen umstrittenen Film "Die Konsequenz". Nie zuvor war Homosexualität im deutschen Fernsehen so offen thematisiert worden. Der Bayerische Rundfunk weigerte sich zunächst, den Film auszustrahlen - die Landessendeanstalt war überzeugt davon, dass so etwas nichts fürs bayerische Publikum war. Dann aber lief der Film im Kino an und wurde so auch den Bayern zugänglich.
Immer wieder ein Skandälchen
Großes Stirnrunzeln - vor allem in Regierungskreisen - erzeugte auch die Preisverleihung 1982: Das Fernsehmagazin "Monitor" bekam den Preis für seinen kritischen Journalismus. Was die bayerische Staatskanzlei zu einem Anruf beim Grimme-Institut veranlasste. Man solle den Redakteuren der Sendung den Preis aberkennen. Die Grimme-Verantwortlichen juckte das herzlich wenig: Sie zeichneten die Sendung drei Jahre später gleich wieder aus.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis 1989 auch die erfolgreichste deutsche TV-Krimiserie "Tatort" erstmals ausgezeichnet wurde, ausgerechnet eine Folge mit dem randalierenden Kommissar Schimanski, gespielt von Götz George. Diese ständig fluchende Figur mit dem schmuddeligen Parka spaltete damals das "Tatort"-Publikum in zwei Lager. Es war ein Statement des Grimme-Instituts: keine Abhängigkeit, weder vom Geschmack der Massen noch von dem der Feuilletonisten, sondern eigene Akzente setzen.
Erfolge der Privaten
Das Privatfernsehen mischte ab den späten 80er Jahren die deutsche Fernsehlandschaft gründlich auf. Auch wenn die "seriösen" Medien - sprich: die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten - im Kollektiv die Nase rümpften, scherte das die Grimme-Verantwortlichen wenig. Plötzlich gab es Grimme-Preise für Comedy, für Infotainment - und schließlich auch eine Auszeichnung für das Enfant terrible im deutschen Fernsehen: Stefan Raab. Der freche Moderator hatte 2005 die Jury mit seiner Idee überzeugt, durch ein eigenes Casting einen Kandidaten für den Eurovision Song Contest zu küren. Das Format hieß "Stefan sucht den Super-Grand-Prix-Star", kurz SSDSGPS - in Anlehnung an die RTL-Casting-Show "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS).
Richtige Tumulte in der gehobenen Unterhaltungsszene gab es jedoch 2013. Da nominierte das Grimme-Institut doch tatsächlich die RTL-Trash-Show "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus", kurz "Dschungelcamp". Es hagelte erboste Kritiken. Diese Nominierung sei ein Beleg für den völligen Verlust von Maßstäben beim Grimme-Preis. Das Grimme-Institut blieb bei seiner Entscheidung. Grimme-Chef Uwe Kamann wies damals auf die hohe Aufmerksamkeit hin, die nicht nur das Publikum, sondern auch die seriösen Medien dem Format entgegenbrachten. "Das 'Dschungelcamp' ist nicht nur ein programmliches, sondern auch ein gesellschaftliches und ein individuelles Phänomen, bei einem sehr gemischten, zu einem Drittel akademisch gebildeten Publikum."
Das Dschungelcamp ging schließlich leer aus. Einen solchen Wirbel gibt es 2014 nicht. Zu den Preisträgern gehören dieses Jahr wieder ein "Tatort"-Krimi, das eindrucksvolle Porträt des israelischen Friedenaktivisten Abie Nathan und die Pro7-Unterhaltungsshow "Circus Halligalli". Wie in den vergangenen 50 Jahren findet die Preisverleihung am Freitag (4. April 2014) in der nordrhein-westfälischen Stadt Marl statt.